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«Wir werden auch gegen die Grossen nach vorne spielen. Das ist unsere Philosophie»

Round Table: Lockere Runde mit den Journalisten für das Schweizer Trainer-Trio.
Round Table: Lockere Runde mit den Journalisten für das Schweizer Trainer-Trio.
Bild: KEYSTONE

Patrick Fischer: «Werden auch gegen die Grossen nach vorne spielen. Das ist unsere Philosophie»

Vier Spiele, sieben Punkte, die Viertelfinal-Qualifikation in Gefahr! In der Zwischenbilanz der Trainer Patrick Fischer, Felix Hollenstein und Reto von Arx überwiegt aber trotzdem das Positive. Das Trainer-Triumvirat im Kreuzverhör.
12.05.2016, 16:1312.05.2016, 17:15
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In diesem Kreuzverhör wird klar: Das Trio spricht die gleiche Sprache. Alle drei äussern sich mit Begeisterung über das Team. Was weniger gut war, wird weggewischt. «Ich bin sehr stolz auf diese Mannschaft», so Headcoach Patrick Fischer. «Bei gleicher Anzahl Spieler auf dem Eis dominieren wir. Die Defensive steht auch. Einzig in Unterzahl müssen wir besser werden. Aber auch das kriegen wir in den Griff. Denn wir haben die richtigen Typen da.»

Patrick Fischer ist nach wie vor sehr optimistisch.
Patrick Fischer ist nach wie vor sehr optimistisch.
Bild: KEYSTONE

«Spieler, die nicht zusammenbrechen, wenn die Schreiberlinge uns nach zwei Spielen abschreiben. Wir haben die letzten sieben Spiele in 60 Minuten nicht mehr verloren. Wir halten uns ans Positive. Wir kassieren im ersten WM-Spiel gegen Kasachstan ein Gegentor, welches äusserst ‹speziell› war. Es ist nicht einfach, solche Sachen wegzustecken. Aber wir haben das bislang in diesem Turnier immer und immer wieder geschafft.»

Boxplay die grosse Schwäche

Assistent Felix Hollenstein sieht es genau gleich. Nicht einmal das miserable Unterzahlspiel (sieben Gegentore bei 14 gegnerischen Powerplay-Chancen) beunruhigt ihn. «Diese Zahlen kennen wir auch», so Hollenstein. «Wir besprechen sie mit den Spielern. Wir arbeiten dran. Andererseits gibt es ein paar andere Statistiken, in denen wir überragend dastehen. Wir kamen zu mehr Torschüssen als jede andere Mannschaft.»

Felix Hollenstein liebt das Rampenlicht nicht, gibt aber bereitwillig Auskunft.
Felix Hollenstein liebt das Rampenlicht nicht, gibt aber bereitwillig Auskunft.Bild: KEYSTONE

«Bei gleicher Anzahl Spieler auf dem Eis erzielten wir neun Tore und kassierten nur vier. Auch beim Überzahlspiel sind wir gut unterwegs (Erfolgsquote 25 Prozent). Und man muss schon auch sehen: Die Gegner hatten gegen uns zuweilen auch sehr viel Glück. Ich denke da an den Schuss, der zuerst von einem Stock und dann von zwei Schonern in unser Tor abgelenkt wird.»

Also war bei den Niederlagen gegen Kasachstan und Dänemark nur Pech im Spiel? Hollenstein: «Natürlich nicht! Gegen Kasachstan wollten wir womöglich zu viel. Die Coolness fehlte. Die ganze Mannschaft nahm das Turnier mit hohen Erwartungen in Angriff. Dann kassierten wir das kuriose Ausgleichstor zum 1:1, welches das ganze Team schockierte. Aber wir sind danach näher zusammengerückt. Mich beeindruckte, wie wir schon im zweiten Spiel reagierten. Und trotzdem verloren wir am Ende auch diese Partie. Der Hockey-Gott stand am Anfang ganz sicher nicht auf unserer Seite.»

Fischer: «Das Stahlbad stärkte uns»

Dafür lief danach vieles für die Schweiz. Späte Ausgleichstore, ein Sieg in der Verlängerung gegen Dänemark, ein spät bewerkstelligter Sieg nach einem wahnsinnigen Auf und Ab gegen Lettland. «Das Stahlbad stärkte uns», so Patrick Fischer. «Wir holten bislang sieben Punkte. Klar ist, dass wir uns mehr Punkte erhofft hatten. Aber es gibt nicht viele Teams, die immer wieder aufstehen können – schon gar nicht Schweizer Teams. Dieser WM-Mannschaft gelingt das aber immer und immer wieder.»

Bei den Erklärungsversuchen für die Punktverluste kam zweimal die Rede auf den fatalen Schuss, den Reto Berra aus 39 Metern passieren liess. Stünde die Schweiz ohne dieses Gegentor mit dem Punktemaximum da? Fischer: «Diese Frage kann ich nicht beantworten. Niemand kann sie beantworten. Aber eine gute Frage, die ich mir so nie stellte. Ich weiss, dass das Gegentor gefallen ist, und ich denke, wir haben dieses kuriose Gegentor scheinbar gebraucht. Es ergab sich eine spezielle Situation, die uns noch mehr zusammenschweisste.»

Berra kassiert gegen Kasachstan den 40-Meter-Gegentreffer.streamable

Statistisch mies steht die Schweiz nach vier Spielen nur bei der Effizienz (14. von 16 Mannschaften ) und beim Unterzahlspiel (16.) da. Beim Toreschiessen taten sich die Schweizer mit Ausnahme der WM 2013 und dem Gewinn der Silbermedaille immer schwer. Neu ist hingegen die Schwäche im Unterzahlspiel. Für dieses Spezialgebiet zeichnet im Schweizer Coaching-Staff Reto von Arx verantwortlich.

Kritik an von Arx reisst nicht ab

Von Arx galt in seiner Aktivzeit als bester Schweizer Unterzahlspieler überhaupt. Wie sehr schmerzt es ihn, dass ausgerechnet in seinem Bereich der Wurm drin ist? «Es nervt natürlich deutlich weniger, wenn wir die Spiele trotzdem gewinnen», so der Emmentaler. «Fakt ist aber schon, dass das Unterzahlspiel nicht so funktioniert, wie es sollte. Wir werden alles daransetzen, dass das ab sofort besser wird. Ich denke: Es lief nicht ganz so schlecht, wie es die Statistik ausdrückt. Es sind die kleinen Dinge, die wir sofort verbessern müssen. Wir müssen die Stöcke mehr bewegen. Wir müssen mehr Schüsse blockieren. Und die Abpraller um unser Tor herum müssen wir erobern und wegspedieren.»

Reto von Arx ist sicherlich kein grosser Redner, bei der Mannschaft aber sehr beliebt.
Reto von Arx ist sicherlich kein grosser Redner, bei der Mannschaft aber sehr beliebt.Bild: KEYSTONE

Die Ernennung von Reto von Arx zum Nationalmannschafts-Assistenten ist seit Dezember permanent kritisiert worden, auch von Vertretern der Liga. Reto von Arx bestritt 2000 in St.Petersburg seine letzte WM. Jahrelang verzichtete er danach wegen des Zwists mit Nationalcoach Ralph Krueger auf Einsätze im Nationalteam.

Reto von Arx: «Aber: Ich war immer stolz, an einer WM mit dabei zu sein. Wie ich schon ein paarmal sagte: Es gab damals Faktoren, die es mir unmöglich machten, die WM zu spielen. Ich wäre immer gerne an jede WM mitgefahren. Ich war 2000 in Russland als Captain dabei. Ich lernte in der Nationalmannschaft viele tolle Leute kennen, mit zwei von ihnen bin ich jetzt wieder hier. Aber mir ist auch klar, dass mir meine Nationalmannschafts-Vergangenheit noch lange vorgehalten wird.»

Der grosse Unterschied zu früher

Für das Schweizer Trainer-Trio gilt es nun, gegen Russland, Schweden und Tschechien weitere Punkte einzufahren, damit die Viertelfinal-Qualifikation doch noch möglich wird. Wird die Taktik gegen die stärksten Gegner nun angepasst? Patrick Fischer: «Das ist der grosse Unterschied zu früher. Ich weiss noch, wie wir unter Ralph Krueger gegen die Teams, die ihr Journalisten als Kleine bezeichnet, gespielt haben. Für mich gibt es keine kleinen Gegner. Es gibt nur Gegner.»

«Seit der Ära von Sean Simpson hat sich die Art und Weise geändert, wie wir Schweizer gegen die Grossen zu spielen haben. Wir haben in den letzten vier Spielen stets nach vorne gespielt. Das werden wir auch in den nächsten Spielen so machen. Das ist unsere Philosophie. Wir sind für das Spiel gegen vorne ausgerichtet. Das werden wir auch gegen Russland, Schweden und Tschechien so praktizieren.» (pre/sda)

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