Er ist der Roger Federer der Mannschaftsportler. Den Chronistinnen und Chronisten sind die Superlative längst ausgegangen. Roman Josi (26) ist in Höhen aufgestiegen, die noch kein Schweizer Spieler erreicht hat. Er ist der erste Schweizer, der mit seiner Präsenz die National Hockey League (NHL), die wichtigste Eishockey-Liga der Welt, beeinflusst. Dazu war nicht einmal Mark Streit (38) als Captain der New York Islanders in der Lage. Die waren zu dieser Zeit (2011 bis 2013) draussen auf Long Island das uninteressanteste NHL-Team und ohne jede sportliche Perspektive.
Roman Josis Arbeitgeber Nashville hat hingegen ein enormes Potenzial. Das 1998 gegründete Hockey-Unternehmen ist inzwischen gut genug für den Stanley Cup. Auch dank Roman Josi. Peter Laviolette (gewann mit Carolina 2006 den Cup) ist erst der zweite Coach der Klubgeschichte. Er hat 2014 den extremen Defensivcoach Barry Trotz abgelöst und ihm steht, anders als seinem Vorgänger, eine Mannschaft für kreatives Hockey zur Verfügung.
Ja, wir können sogar sagen, dass die spielerische Entwicklung ziemlich jener von Roman Josi entspricht. Er ist seit 2011 mit dem Team gewachsen – und das Team mit ihm. Wenn er sagt: «Ich identifiziere mich mit dieser Stadt und dieser Mannschaft», dann meint er es auch so.
Der ehemalige SCB-Junior hat sich als erster Schweizer zu einem «Franchise Player» entwickelt. Zu einem Spieler, der nicht bloss eine Mannschaft, sondern ein gesamtes Hockeyunternehmen besser macht.
Im Juni hat General Manager David Poile seinen Captain Shea Weber (31), den Titanen des Defensivspiels, bei Montreal gegen den Spektakelverteidiger Pernell Karl «P.K.» Subban (27) eingetauscht. Was auf unsere Liga übertragen etwa einem Tausch von ZSC-Captain Mathias Seger (38) gegen Eric Blum (30) entspricht – wobei Weber jünger ist als Seger und Blum pflegeleichter als der exzentrische Subban.
Poile hat Shea Weber weggegeben und einem unberechenbaren Paradiesvogel geholt, weil er weiss, dass Roman Josi längst zum Verteidigungsminister gereift ist. Wer den Stanley Cup holen will, braucht Verteidiger, die auch Ingenieure des Offensivspiels und nicht bloss Abräumer und Schussblockierer sind. Verteidiger wie Roman Josi und P.K. Subban.
Es ist ein Treppenwitz der Hockeygeschichte, dass ausgerechnet Roman Josi der meist unterbezahlte Spieler der ganzen NHL ist. Denn sein Agent Georges Müller geniesst in der heimischen NLA, wo er soeben den Vertrag mit Eric Blum beim SCB verlängert hat, den Ruf eines extremen Preistreibers. «Ach, der Schorsch» ist einer der meistgehörten Stossseufzer der Sportchefs.
Josi verdient bei Nashville diese Saison 4.25 Millionen Dollar. Die Hälfte davon verliert er gleich durch Steuern. Der Vertrag läuft noch bis 2020. Er verdient damit nur wenig mehr als Mark Streit in Philadelphia (4 Millionen). Ein Verteidiger mit der Klasse und dem Einfluss eines Roman Josi hat in der NHL einen Marktwert zwischen 8 und 10 Millionen Dollar. Teamkollege P.K. Subban kassiert beispielsweise 9 und Shea Weber 7.8 Millionen.
Dass der WM-Silberheld so wenig verdient hat schon einen Grund. Im Sommer 2013 hatte Georges Müller für seinen Klienten zwei Optionen: einen Vertrag für ein bis zwei Jahre und möglichst viel Geld oder einen langfristigen Vertrag mit weniger Geld pro Saison aber eine höhere Vertrags-Gesamtsumme. Roman Josi hatte zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Gehirnerschütterungen erlitten. Jeder Check konnte das Karriereende bedeuten. Also war es klug, einen langfristigen Vertrag mit einer hohen Gesamtsumme herauszuholen.
Die Lohnsumme der NHL-Teams ist begrenzt. Weil Nashville mit Roman Josi einen der besten Verteidiger der Welt für so wenig Geld unter Vertrag hat, stehen mehr Mittel für die Offensivabteilung zur Verfügung. Das ist ein Grund, warum Nashville ein NHL-Spitzenteam geworden ist. Aktuell beträgt die Gesamtlohnsumme 67.2 Millionen Dollar und General Manager David Poile hat noch einen Spielraum für Verträge in der Höhe von 5.7 Millionen. Mit Yannick Weber (27 Jahre/575'000 Dollar) und Kevin Fiala (20/925'000 Dollar, im Farmteam 70'000 Dollar) stehen zwei weitere Schweizer im Kader.
Spieler können den Klub in der NHL erst dann frei wählen, wenn sie 27 geworden sind und der Vertrag ausgelaufen ist. Die General Manager verschieben ihre Spieler nach Belieben und nur ganz wenige Stars haben in ihrem Vertrag eine Klausel, die einen Tausch ohne ihre Einwilligung verbietet.
Roman Josi hat diese Klausel nicht. Deshalb ist nicht auszuschliessen, dass er sich im Laufe der nächsten vier Jahre im Zentrum eines «Blockbuster-Trades», eines «Knüller-Transfers» wiederfindet. Gerade wegen seines tiefen Gehaltes ist er wahrscheinlich der Spieler mit dem grössten Transferwert der Welt.
Für ihn könnte Nashvilles Manager je nach Umständen wohl eine ganze erste Sturmlinie plus einen Nummer-1-Torhüter eintauschen. «Man weiss in diesem Geschäft nie», sagt Georges Müller. Und es ist mehr als nur eine Bemerkung. Wer hätte denn je gedacht, dass Nashville Shea Weber gegen P.K. Subban eintauschen würde?