Patrick Thoresen sieht derzeit furchteinflössend aus. Der Norweger in Diensten der ZSC Lions trägt einen bereits recht üppigen blonden Playoff-Bart. Irgendwo im haarigen Gewusel am Kinn sind noch die blauen Fäden einer genähten Wunde zu erkennen. Der Schweiss tropft dem 33-Jährigen nach der Trainingseinheit von der Stirn, die Gesichtsfarbe ist rot. So stellt man sich gemeinhin einen Wikinger vor, der entschlossen in die Schlacht zieht.
Im Spiel gegen Lugano will Patrick Thoresen Wikinger sein. Ja, er muss einer sein. Denn für die ZSC Lions geht es heute Abend in Lugano (20.15 Uhr, im watson-Liveticker) bereits darum, das vorzeitige Saisonende abzuwenden. Eine Hauptrolle bei diesem Kampf gegen das Aus ist dabei Thoresen zugedacht.
Zwei Spiele lang musste der 146-fache norwegische Nationalspieler nach seinem Ellbogencheck gegen den Kopf von Luganos Luca Fazzini zusehen, wie sich seine Mitspieler vergeblich abmühten, ihren Gegner zu besiegen. Zwei Spiele ohne Thoresen – zwei Niederlagen. Ohne ihren norwegischen Krieger im Sturm blieben die Zürcher in der Offensive stumpf.
Der Mann aus Oslo wird mit einer ordentlichen Portion Wut im Bauch in dieses Schlüsselspiel gehen. Er fühlt sich im Vergleich zu anderen unfairen Aktionen in der Liga, die nicht geahndet wurden, ungerecht behandelt und sagt: «Wenn ich meinen Gegenspieler richtig am Kopf getroffen hätte, dann wäre er im Krankenhaus gelandet. Auf dem Video erkennt man nichts. Das Urteil wurde aufgrund von Mutmassungen gefällt. Das stinkt mir gewaltig.»
Seinen Zorn will er gegen Lugano auf dem Eis in unbändigen Einsatz umwandeln. «Aber auf intelligente Art und Weise», wie er betont. Denn auch Patrick Thoresen weiss: Noch mehr disziplinarische Probleme können sich die ZSC Lions angesichts ihrer kritischen Lage nicht mehr erlauben.
Bleibt die grosse Frage, ob diese Mannschaft in der Lage ist, auf die aktuellen Widrigkeiten zu reagieren. Für Lions-Assistenzcoach Lars Johansson steht das gar nicht zur Debatte: «Wir werden unseren Zweiflern beweisen, dass wir dazu fähig sind.» Ähnlich tönt es bei Thoresen: «Wir hatten schon im Verlauf der Qualifikation unsere Auf und Abs, während welchen wir Lösungen für unsere Probleme finden mussten.» Der Norweger weiss, was es braucht, um die Serie zu wenden: «Wir brauchen mehr Aufopferung, alle müssen bereit sein, den Preis zu bezahlen, um die Tore zu schiessen.»
Blickt man auf die Statistik, dann spricht derzeit nicht mehr allzu viel für die Zürcher. In den Playoffs sind die Lions in den letzten sechs Auswärtsspielen immer als Verlierer vom Eis gegangen. 2015 setzte es in der Finalserie gegen den HC Davos in der Vaillant-Arena zwei Niederlagen (2:5 und 3:4, n.V.) ab. 2016 verlor man im Viertelfinal gegen den SC Bern beide Partien in der Postfinance-Arena (1:2 und 0:3). Und in der aktuellen Serie gegen Lugano ging man in der Resega zweimal als Verlierer vom Eis (3:4 und 2:3). Insgesamt haben die Lions von ihren letzten 13 Playoff-Partien deren 11 verloren. Eine für eine Spitzenmannschaft desaströse Bilanz.
Die Statistik kann aber zur Makulatur werden, wenn den ZSC Lions in Lugano der ersehnte Befreiungsschlag gelingt. Dann ist alles möglich. «Wenn man in den Playoffs unter Druck ist und sich befreit, dann kann das das Signal dafür sein, dass man bereit ist, noch viel weiter zu kommen», unterstreicht auch Patrick Thoresen mit grimmiger Wikinger-Miene. Lugano ist also gewarnt.