Zu behaupten, Leonardo Genoni hätte am Dienstagabend ein schwaches Spiel eingezogen, wäre absolut vermessen. Der Torhüter des SC Bern kam beim 1:2 nach Verlängerung im dritten Playoff-Finalspiel gegen Zug auf eine Fangquote von 95,3 Prozent. Er sah 43 Schüsse auf das eigene Tor kommen, 41 davon wehrte er ab ab – eigentlich eine Traumquote.
Und dennoch steht Genoni am Ursprung der Berner Niederlage. Während 55 Minuten liefen die Zuger an und versuchten, den Zürcher endlich zum ersten Mal auch bei ausgeglichenem Spielerbestand zu bezwingen. Doch Genoni war halt immer noch Genoni und hielt seinen Kasten rein. Souverän meisterte er alle Aufgaben, vor die ihn der EVZ stellte. Nichts deutete auf eine Zuger Wende hin.
Und dann das:
Beim Schuss von Lino Martschini in der 56. Minute greift Genoni daneben, die Scheibe kullert zum Ausgleich ins Tor. Diesen Treffer muss er auf seine Kappe nehmen, auch wenn Martschini die Scheibe nicht richtig traf und diese deshalb stark flatterte. Zum ersten und einzigen Mal in dieser Serie – der 2:1-Siegtreffer durch Reto Suri war absolut unhaltbar – griff Genoni also daneben. Und dem SCB glitt der schon sicher geglaubte Sieg noch aus den Händen.
Das zeigt einmal mehr auf, wie sehr der SC Bern auf einen fehlerlosen Genoni angewiesen ist. Unser Eismeister Klaus Zaugg schrieb während der Halbfinal-Serie der Berner gegen Lugano: «Nie mehr seit den Zeiten von Renato Tosio ist der SCB so von seinem Torhüter abhängig wie in diesen Playoffs.» Zweimal habe Leonardo Genoni in den vorherigen Serien durchschnittlich gespielt und beide Male habe der SCB verloren. Im Viertelfinale gegen Biel (3:6, Fangquote: 78,26 Prozent) und zum Halbfinal-Auftakt gegen Lugano (2:4, Fangquote: 88,46 Prozent). Auch SCB-Geschäftsführer Marc Lüthi hatte diese Abhängigkeit im Ansatz damals zugegeben.
Der 29-Jährige sieht das anders. Vor den Playoffs sagte er gegenüber der «Berner Zeitung»: «Ich glaube nicht, dass ich die grösste Stärke des SCB bin.» Um Meister zu werden brauche es ein Team, der Torhüter werde dabei oft überschätzt. «Man ist immer auf seine Mitspieler angewiesen. Nicht nur auf die Verteidiger. Auch auf die Flügel, die Schüsse blocken; auf die Center, die nach hinten arbeiten.» Mittlerweile gibt Genoni – wie so oft in den Playoffs – keine Interviews mehr. Seine Meinung dürfte sich aber ziemlich sicher nicht verändert haben.
Dennoch, das Defensiv-Hockey, welches SCB-Trainer Kari Jalonen spielen lässt, basiert auf einem starken Torhüter. In zwei von drei Spielen war der EV Zug jene Mannschaft, die mehr Schüsse aufs gegnerische Tor abgab. Genoni war immer wieder gefordert – und eigentlich auch immer zur Stelle. Doch wie gefährlich diese Abhängigkeit ist, wurde am Dienstagabend aufgezeigt.
Ein Fehler reichte und dem SCB glitt das Spiel aus den Händen. Auch Zugs Topskorer Lino Martschini weiss das. Nach dem Spiel sagte er gegenüber dem «Blick»: «Genoni ist ein guter Torhüter aber auch er ist ein Mensch und kann Fehler machen. Deshalb muss man diese Fehler provozieren, indem man weiter schiesst und Leute vors Tor stellt.»
Kommen in den nächsten Spielen tatsächlich weitere Fehler vom SCB-Schlussmann, kann die Titelverteidigung in Gefahr geraten. Aber Genoni hat genug Erfahrung um dieses Spiel 3 und seinen bösen Schnitzer wegzustecken. Und normalerweise reicht eine Fangquote von über 95 Prozent auch zum Sieg.