Der SC Bern ist der selbstsicherste Titelverteidiger dieses Jahrhunderts: Der SC Bern wäre verwundbar, wenn sein Torhüter ein Lottergoalie wäre. Aber im Tor steht ausgerechnet der derzeit beste Schlussmann der Schweiz: Leonardo Genoni.
Der Chronist hofft alleine aus Bequemlichkeit auf einen meisterlichen Triumph des SC Bern. Eine schöne Würdigung meisterlicher Taten in blumigen Worten ist einfach. Scheitern wäre hingegen eine gewaltige journalistische Herausforderung. Weil Scheitern nichts als Langeweile bringen würde. Keine Polemik. Keine Schuldzuweisungen.
Ja, es wäre nicht einmal möglich, eine Trainerentlassung oder Spielertransfers zu fordern, wie das sonst bei einem Scheitern gang und gäbe ist. Es wäre die langweiligste Finalniederlage eines Titanen seit Einführung der Playoffs (1986). Womit wir gleich beim wichtigsten Punkt sind: den Erfolgsdruck, von dem alle Welt redet, gibt es nämlich für den Meister nicht.
Die Saison ist mit der Final-Qualifikation gerettet, und SCB-General Marc Lüthi ist so oder so der König von Bern. Entweder wird er nach dem Finale erneut auf einem meisterlichen Thron sitzen oder auf einem noch grösseren Haufen Geld. Der SCB ist der selbstsicherste Titelverteidiger dieses Jahrhunderts. Mit jener Zuversicht, die in der DNA grosser Sportunternehmen wie Basel, Bayern München oder eben Bern steckt.
Trainer Kari Jalonen, der auf jeden Fall auch nächste Saison an der Bande stehen wird, hat das Zweckhockey perfektioniert, und im Playoff geht es nur um Zweckhockey. Er lässt ein Hockeyschach spielen, das im Normalfall jeden Gegner mattsetzt.
Und selbst dann, wenn es Zug gelingen sollte, dem taktischen Schachbrett zu entfliehen und zum offenen Bewegungshockey überzugehen, wird es nicht reichen: In einer Serie über sieben Spiele wird Kari Jalonen genug Zeit haben, um seine Taktik den neuen Gegebenheiten anzupassen, zu justieren und das Spiel wieder zu entschleunigen und unter Kontrolle zu bringen. Aber Harold Kreis wird nicht den Mut zu offensivem Lauf- und Tempohockey in Bern haben – aber nur, wenn er in Bern mindestens ein Mal gewinnt, kann er Meister werden.
Der SCB wäre verwundbar, wenn der Torhüter ein Lottergoalie wäre. Aber ausgerechnet diese defensiv so solide, stabile Mannschaft wird auch noch vom besten Schweizer Torhüter abgesichert. Von Leonardo Genoni.
Der EV Zug hat sich als Mannschaft, die niemand auf der Meisterrechnung hatte, bis in den Playoff-Final gekämpft. Die Sehnsucht nach dem zweiten Meistertitel wird die Zuger zum Triumph treiben.
Kaum jemand hatte vor den Playoffs den EV Zug auf der Rechnung. Eine schwache Schlussphase der Qualifikation plus zwei miserable Auftritte in den Playoffs der letzten beiden Saisons waren für die zahlreichen Zweifler Grund genug, den EVZ auch heuer vorzeitig abzuschreiben. Zug ein Meisterkandidat? Undenkbar! Und jetzt? Jetzt stehen sie im Final, diese Zuger, die keinen Kredit genossen und alle Kritiker Lügen gestraft haben.
Auf dem Weg in die Endspielserie gegen den SC Bern zeigte die Mannschaft genau die Qualitäten, die es braucht, um Meister zu werden. Im Viertelfinal ertrug sie die Brutalität und Unbeherrschtheit von Gegner Servette mit einer bewundernswerten Mischung aus Gleichmut und Coolness. Im Halbfinal gegen den HC Davos liessen sie sich von einem Gegner, der nie aufgab und immer wieder aufstand, nicht aus dem Konzept bringen und hatten stets die richtige Antwort parat. Genau aus diesem Holz sind Meistermannschaften geschnitzt. Mental stabil, physisch robust, taktisch gewieft und spielerisch talentiert.
Im Team von Trainer Harold Kreis sind alle Spielertypen vertreten, die es braucht, um am Ende den Pokal in die Höhe stemmen zu dürfen: Goalie Tobias Stephan gehört zu den Besten seines Fachs. In der Verteidigung zieht NHL-Rückkehrer Raphael Diaz umsichtig die Fäden, während die Bösewichte Timo Helbling und Johan Morant abräumen. Im Sturm sorgen vor allem die Ausländer für Musik. Angeführt vom bisher überragenden David McIntyre.
Und dann kommt noch der Faktor dazu, der eigentlich das meiste Gewicht hat: Der Fluch der verpassten Titelverteidigung. Der SC Bern versucht, als erste Mannschaft seit den ZSC Lions im Jahr 2001, zweimal in Serie die Meisterschaft zu gewinnen. Die letzten 16 Jahre haben zur Genüge bewiesen, dass dieses Unterfangen fast unmöglich ist. Wenn es wirklich darauf ankommt, dann fehlt dem Titelverteidiger genau jener Biss, der am Ende um Sein oder Nichtsein, um Sieg oder Niederlage entscheidet. Die Zuger sind 19 Jahre nach ihrem ersten und bisher einzigen Meistertitel reif für den so lange herbeigesehnten Triumph.