Zugegeben: Man sollte mit dem Begriff «Wunderkind» vorsichtig umgehen. Vor allem im Sport. Vor allem deshalb, weil es sich eben zwar nicht mehr um Kinder, aber doch um Jugendliche handelt, deren weitere Entwicklung oft nicht oder nur schwer abschätzbar ist.
Und doch fällt es nicht leicht, im Zusammenhang mit Nico Hischier nicht in die Jubel-Arien einzustimmen, die vor allem von ennet dem Teich nach Europa herüberschallen. Ein Beispiel gefällig? Hischiers Trainer bei den Halifax Mooseheads, André Tourigny, lobte seinen erst 17-jährigen Importspieler, indem er unterstrich: «Ich habe noch keinen Spieler in seinem Alter gesehen, der so stolz auf seine Defensive ist.» Und verglich ihn dabei gleich noch mit dem schwedischen Superstar und ehemaligen Zuger, Henrik Zetterberg von den Detroit Red Wings.
Das ist ganz schön viel des Lobes. Wenn dann noch diverse Fachmagazine, die sich mit der kommenden NHL-Talentziehung, dem Draft vom Juni 2017, beschäftigen, Nico Hischier bereits als möglichen Nummer-1-Pick handeln, dann ist endgültig klar, dass hier aus Schweizer Sicht ein ausserordentlicher Spieler heranwächst. Vielleicht sogar wirklich der Erste, der als allererster Jüngling seines Jahrgangs von einem NHL-Team ausgewählt wird. Und damit möglicherweise der beste Schweizer Eishockey-Spieler der Geschichte. Die Chance ist jedenfalls gross, dass der Oberwalliser aus Naters den bisherigen Schweizer Draft-Bestwert – Nino Niederreiter wurde 2010 an Nummer 5 gezogen – übertrumpft.
Die nächste Gelegenheit, beste Werbung in eigener Sache zu betreiben, hat Nico Hischier in der am 26. Dezember in Montreal und Toronto beginnenden U20-Weltmeisterschaft. In der von Christian Wohlwend gecoachten Schweizer Auswahl wird er eine Leaderrolle einnehmen. Selbst wenn er als Spieler mit Jahrgang 1999 zu den jüngsten Cracks des ganzen Turniers gehört und vor allem in physischer Hinsicht gefordert sein wird.
Nico Hischier talks about heading off to the #WorldJuniors pic.twitter.com/wgEZq5b6Rp
— Halifax Mooseheads (@HFXMooseheads) 10. Dezember 2016
Hischier, der im Alter von 15 Jahren zusammen mit seinem Bruder Luca aus dem Wallis in die Juniorenabteilung des SC Bern gewechselt war, spielt seit diesem Herbst in der kanadischen Juniorenliga QJMHL in der Region Nova Scotia in Halifax. Diese Liga gilt im Quervergleich als eher spielerisch orientiert – im Gegensatz etwa zur Western Hockey League, wo traditionell körperbetonteres Eishockey gespielt wird.
So oder so musste sich Nico Hischier in Nordamerika an die kleineren Spielfelder gewöhnen und schaffte dies nach relativ kurzer Anlaufzeit auf brillante Art und Weise. Seine Punktebilanz ist eindrücklich: In 31 Spielen sammelte er 48 Skorerpunkte. Die Scouts loben neben seiner defensiven Gewissenhaftigkeit, welche für einen potenziellen Weltklasse-Mittelstürmer eine unerlässliche Qualität ist, vor allem seine Übersicht und seine Spielmacherfähigkeiten – kurz: die Spielintelligenz. Ein Talent, welches man hat, oder eben nicht.
Mooseheads rookie Nico Hischier named 1st Star of the Week in the QMJHL. #RiseTogether https://t.co/zwXC8nfJsc pic.twitter.com/ZGx6lLjkOk
— Halifax Mooseheads (@HFXMooseheads) 15. November 2016
Auch im mentalen Bereich scheint Nico Hischier für seine Jugend bereits sehr reif. Zugute kommt ihm dabei die Tatsache, dass er früh seine heimatlichen Gefilde verliess und seine Karriere in Bern vorantrieb. Darum plagt ihn auch jetzt, fern der Heimat im Osten Kanadas, nur selten das Heimweh. Zudem gelang es ihm bisher sehr gut, all die Lobeshymnen, die auf ihn angestimmt wurden, auszublenden. In diversen Interviews wies er darauf hin, dass er sich von äusseren Einflüssen nicht ablenken lasse und zudem der Draft noch weit entfernt sei – es könne bis dahin noch sehr viel passieren. Auch das spricht für seine Reife und vor allem für seine Bodenständigkeit.
Fest steht allerdings: Wenn Nico Hischier den Vorschusslorbeeren auch an der kommenden U20-WM gerecht wird, dann wird das Bild des Schweizer Wunderkinds weiter geschärft. Ob er es will, oder nicht.