Da schreibt einer Geschichte, findet eine Zauberformel und merkt es gar nicht. Spengler-Cup-General Fredi Pargätzi sagt, er habe nicht beabsichtigt, gleich drei KHL-Teams zum Turnier einzuladen. Das habe sich zufälligerweise so ergeben.
Aber gerade dieser Zufall gibt dem Spengler Cup 2014 eine historische Dimension und eine neue Zauberformel. Carl Spengler hat nämlich 1923 dieses Turnier kreiert, um nach dem 1. Weltkrieg etwas für die Versöhnung der Völker zu tun. Die Spannungen zwischen Russland und Europa sind 2014 so gross wie nie in diesem Jahrhundert. Und nun liefert uns der Spengler Cup ein Beispiel, dass es sehr wohl eine friedliche Zusammenarbeit mit Wladimir Putins Russland geben kann.
Das mag nun alles ein bisschen gar salbungsvoll oder gar politisch unkorrekt klingen. Aber der Spengler Cup ist eben viel mehr als Sport. Die Kritik, das Turnier sei doch längst eine «Chilbi», ist keine Kritik, sondern ein grosses Kompliment. Wer will, kann ja durchaus profunde fachtechnisch-sportliche und taktische Analysen machen. Doch der Spengler Cup hat sich inzwischen vom Sport losgelöst. Ist also mehr als Sport.
Was Puritaner abschätzig eine «Chilbi» nennen, ist nämlich das, was die Werbestrategen des 21. Jahrhunderts schwärmen lässt: Ein Sportanlass, der sich zum kulturellen Ereignis weiterentwickelt hat, funktioniert, ja rockt und rollt. Inzwischen fast unabhängig davon, wer verliert und siegt. Neun der ersten zehn Spiele waren ausverkauft.
Die Manager im Unterland sollten nicht mit dem Hinweis auf spielerische Qualität und Taktik über den Spengler Cup schnöden. Sie sollten sich die Hände reiben. In jedem Hockeyland der Welt – Kanada eingeschlossen – würden Millionen für eine Werbeplattform mit der Qualität und der TV-Präsenz des Spengler Cups investiert. Mit keinem anderen Anlass findet das Eishockey in der Schweiz so viele Kontakte über die am Eishockey sowieso interessierten Kreise hinaus.
Es ist eine schier unfassbare Dummheit, dass die Verbandsführung (weil jetzt Feiertage sind, wollen wir nicht so boshaft sein und Namen nennen) den HC Davos verraten und es zugelassen hat, dass nun die Davoser jedes Jahr die Nationalliga-Klubs im Unterland für die Spengler-Cup-Pause mit 800'000 Franken entschädigen müssen. Eigentlich sollten die Klubs im Unterland jedes Jahr 800'000 Franken nach Davos überweisen, um den Spengler Cup zu hegen und zu pflegen.
Der Spengler Cup bringt mehr als 70'000 Menschen dazu, nach Davos hinauf zu fahren, um Eishockeyspiele zu sehen. Im Winter, auch bei Schneefall, bei schlechten Strassenverhältnissen. Der Spengler Cup erreicht mit jedem Spiel in der Schweiz und in Nordamerika über eine Million TV-Zuschauer. Dass dies eine wunderbare Sache ist, sehen wir an der jämmerlichen Champions Hockey League. Ein bereits im Ansatz gescheiterter, stümperhafter Versuch der Klubs, im 21. Jahrhundert einen internationalen Wettbewerb zu kreieren.
So wie das Schiesspulver, LSD und Amerika eigentlich aus Zufall erfunden beziehungsweise entdeckt worden sind (Kolumbus wollte nach Indien, nicht nach Amerika), so hat Fredi Pargätzi aus Zufall die sportliche, politische und wirtschaftliche Spengler-Cup-Zauberformel fürs 21. Jahrhundert gefunden.
Drei Teams aus der grossrussischen KHL, drei Teams mit Spielern aus der NLA (Team Canada besteht ja grösstenteils aus NLA-Kanadiern). Ost gegen West. Gut gegen Böse. Die Faszination Russlands, die weit über das Eishockey hinaus geht, die Popularität der Kanadier und des HC Davos in einem einzigen Turnier. Es ist die Zauberformel, die dem Spengler Cup im 21. Jahrhundert auf Jahre hinaus die sportliche, politische und wirtschaftliche Bedeutung sichert.
Wieviele würden pilgern wenn gleichzeitig MS wären?