Sport
Eismeister Zaugg

Warum die Abschaffung des Spengler Cups eine Dummheit wäre

Jede einzelne Partie ausverkauft: Der Spengler Cup ist längst ein Selbstläufer.
Jede einzelne Partie ausverkauft: Der Spengler Cup ist längst ein Selbstläufer.
Bild: freshfocus
Eismeister Zaugg

Warum der Spengler Cup einer der besten der Neuzeit war und seine Abschaffung richtig dumm wäre

Der Spengler Cup steckt in einer heiklen Umbruchphase. Aber das ist kein Problem. Die beste Marketing-Idee der Eishockey-Geschichte setzt sich auch im 21. Jahrhundert durch und sogar die NHL kopiert das Turnier.
01.01.2016, 09:19
Folge mir
Mehr «Sport»

Bei keinem anderen Sportanlass haben die Hockey-Manager und Funktionäre, die Fans im Unterland, aber auch die Chronisten, so grosse Schwierigkeiten mit der Einordnung wie beim Spengler Cup.

Wer über die Weihnachtstage nicht nach Davos fahren darf, neigt dazu, die Veranstaltung zu kritisieren und als «Grümpelturnier» gering zu schätzen. Wer hingegen nach Davos reist, ist entweder unkritisch oder erliegt der Versuchung, das intellektuelle Profil durch übermässige Kritik zu schärfen: «Seht her, ich bin da, sogar auf Geschäftskosten, aber ich lasse mich nicht vereinnahmen. Ich bin kritisch, also bin ich.»

Die NHL hat abgekupfert

Unsere Klubmanager sagen es ja selber immer wieder: Eishockey ist ein Teil der Unterhaltungsindustrie. Also ist es wichtig, Eishockey zu «verkaufen». Idealerweise über die am Eishockey interessierten Kreise hinaus. Eishockey als Erlebnis für die ganze Familie, für Väter und Mütter und Grosseltern und Kinder und Grosskinder. Eishockey als gesellschaftliches Ereignis.

Heute Abend Austragungsort der Winter Classic: Das Gillette Stadium bei Boston.
Heute Abend Austragungsort der Winter Classic: Das Gillette Stadium bei Boston.
Bild: usa today sports

Die NHL, von der wir über Vermarktung sehr, sehr viel lernen können, zelebriert auch aus diesem Grund seit 2008 die «Winter Classic». Ein Freiluftspiel am Neujahrstag. Ein Ereignis über die Festtage mit einer Ausstrahlung weit über das Eishockey hinaus. Die «Winter Classic» ist nichts anderes die NHL-Antwort auf den Spengler Cup – und das Turnier in Davos ist mehr als 70 Jahre älter als die «Winter Classic».

Alle Zutaten für einen perfekten Event des 21. Jahrhunderts

Nichts ist für die Vermarktung eines Sportes wertvoller als ein Event wie der Spengler Cup. Die klügsten Köpfe der Werbeindustrie sinnen in allen Sportarten darüber nach, wie so ein Event gemacht werden kann. Die Schwierigkeit liegt ja auch darin, eine Präsenz zu besten Sendezeiten in den öffentlich-rechtlichen TV-Programmen zu bekommen. Denn auch das ist klar: «Wir sind im Fernsehen, also sind wir. Und sonst nicht.»

Unser Eishockey hat mit dem Spengler Cup einen Event, um den uns die ganze Welt und in Europa jede Sportart (ausser die Formel 1 und Fussball) beneiden. Das Turnier hat eine Ausstrahlung, die weit über die Landesgrenzen hinaus geht und es läuft zu besten Zeiten live im Fernsehen. Nicht nur in der Schweiz, auch in Kanada. Und dort erreichen die Live-Übertragungen aus Davos inzwischen eine Million TV-Zuschauer.

Und dazu kommt, dass der Spengler Cup eine so lange Tradition hat, dass er schon unseren Grossvätern und Urgrossvätern ein Begriff war. Wir haben alle Zutaten. Die Zauberformel des Sportmarketings: Tradition, Termin und TV. Nichts hat in den letzten 50 Jahren so viel zur Popularität des Eishockeys in unserem Land beigetragen wie der Spengler Cup. Das Turnier ist im Hockey-Geschäft des 21. Jahrhunderts wichtiger denn je.

Nur mit Tradition geht's dann doch nicht: Maskottchen Hitsch gehört auch zum Spengler Cup.
Nur mit Tradition geht's dann doch nicht: Maskottchen Hitsch gehört auch zum Spengler Cup.
Bild: freshfocus

Zu schnöden, gehört im Unterland zum guten Ton

Nun wäre es logisch, dass unsere Verbands- und Klubmanager alles tun, um den Spengler Cup zu rühmen, zu hegen und zu pflegen. Weil sie wissen, dass sie von dieser wundersamen Werbung selber sehr viel profitieren können. Logisch wäre es weiter, wenn sich unsere Verbands- und Klubmanager empört gegen alle wenden, die nicht für den Spengler Cup sind.

Aber es gehört zu den grossen Mysterien der helvetischen Sportgeschichte, dass unsere Klub- und Verbandsmanager den Spengler Cup nicht mögen. Ja, es gehört im Unterland zum guten Ton, über das Turnier zu schnöden. Statt sich zu freuen, dass wir Jahr für Jahr ein Hockeyfest zelebrieren dürfen, um das uns alle Sportarten beneiden, sinnen unsere Klubmanager darüber nach, wie sie den Spengler Cup kleinmachen können.

So gesehen ist die von ZSC-Manager Peter Zahner orchestrierte Erpressung des HCD eine der dümmsten und kleinkariertesten Aktionen unserer Sportgeschichte: «Entweder ihr bezahlt oder wir spielen während der Spengler-Cup-Pause Meisterschaftsspiele.» So kommt es, dass Davos in einen «Knebelvertrag» eingewilligt hat, um den Meisterschafts-Unterbruch über die Festtagspause zu retten – und zehn Jahre lang Jahr für Jahr 800'000 Franken an die Klubs im Unterland überweist.

ZSC-Manager Zahner ist nicht happy mit dem Spengler-Cup.
ZSC-Manager Zahner ist nicht happy mit dem Spengler-Cup.
Bild: Andy Mueller/freshfocus

Zahners Vorgehen ist nachvollziehbar. Er wird dafür bezahlt, die Interessen der ZSC Lions zu vertreten. Und es ist im Interesse der ZSC Lions, dass der HCD weniger Einnahmen erzielt und weniger Mittel in den Transfermarkt investieren kann. Zum Glück ist der Spengler Cup so gut im Markt positioniert, dass es keine Rolle mehr spielt, was die Klubgeneräle im Unterland denken.

Nur Schwingen ist noch schöner

Der Spengler Cup steht zwar in einer Phase des Umbruchs. Die Führung wechselt, die Vermarktung wird wieder vom HCD selber gemacht und die existenziellen Verträge mit dem Schweizer Fernsehen und mit Hockey Canada (dem kanadischen Verband) müssen in einem Jahr verlängert werden. Der Spengler Cup muss sich gegen die Konkurrenz der Champions Hockey League und die immer dichteren Terminpläne der nationalen Ligen behaupten, um überhaupt attraktive ausländische Teams zu bekommen.

Aber jene, die im Unterland auf einen Niedergang des Turniers hoffen, werden einmal mehr enttäuscht werden. Der Spengler Cup 2015 geht als eine der besten Ausgaben in die Geschichte ein. Der HC Davos scheiterte spektakulär erst im Halbfinal, das Team Canada – für die Expansion nach Nordamerika so wichtig – hat das Turnier gewonnen und mit Lugano hat das zweite Schweizer Team die Erwartungen erfüllt. Die erhöhten Sicherheitsvorkehrungen sind diskret und effizient umgesetzt worden und die Fans waren anständig. Der Spengler Cup ist nach dem Eidgenössischen Schwingfest das schönste, weil friedlichste Sportfest der Schweiz.

Show muss sein: Lugano-Goalie Elvis Merzlikins feiert mit den Fans den Finaleinzug.
Show muss sein: Lugano-Goalie Elvis Merzlikins feiert mit den Fans den Finaleinzug.
Bild: SPENGLER CUP

Das wichtigste Schaufenster der KHL im Westen

Der Spengler Cup 2015 hat auch gezeigt: Die Organisatoren sind auf dem richtigen Weg. Die wirtschaftliche Basis ist besser denn je. Alle Hauptsponsoring-Pakete sind verkauft und grosse Firmen mit internationaler Ausstrahlung warten darauf, dass sie zum Zuge kommen. Der «Promi-Andrang» ist zwar nicht mehr so gross wie in früheren Jahren. Aber das wird durchaus als angenehm empfunden: Alles ist so ein bisschen weniger aufgeregt und hektisch.

Die Davoser haben bei der Expansion ins Ausland mit Kanada und Russland weitsichtig die richtigen Partner gefunden. Sie haben sich (anders als die Politiker) mit den Russen verbündet. Heute ist der Spengler Cup das wichtigste westliche Schaufenster der grossrussischen KHL. Sie haben die TV-Präsenz erfolgreich ins Mutterland des Eishockeys ausgedehnt. Der kanadische Sportsender TSN wird in Zusammenarbeit mit dem kanadischen Verband das Spengler-Cup-Engagement verlängern. Die Direktübertragungen aller Partien aus Davos gehören in Kanada inzwischen zum festen Bestandteil des Rahmenprogramms rund um die TV-Übertragungen der U20-WM. Und der HC Davos ist inzwischen in Kanada ein Begriff und mit ziemlicher Sicherheit das populärste Klubteam ausserhalb Nordamerikas geworden.

Anhänger von Jekaterinburg, dem russischen Vertreter 2015.
Anhänger von Jekaterinburg, dem russischen Vertreter 2015.
Bild: SPENGLER CUP
Spengler Cup
AbonnierenAbonnieren

Eine Schmerzgrenze ist erreicht

Der Spengler Cup war auch dieses Jahr mehr denn je die «Winter Classic» des europäischen Eishockeys. Ohne Schnee zwar. Aber mit viel Kohle. 10,2 Millionen Franken Umsatz, drei Millionen Gewinn – und eine unbezahlbare Werbung fürs Eishockey.

Keine Kritik? Doch. Die Davoser sollten nicht zu gierig werden. Bei der Preispolitik – Sitzplatztickets unter 100 Franken sind nicht mehr zu haben – ist die oberste Grenze überschritten. Es darf nicht sein, dass das Turnier für die echten Hockeyfans zu teuer wird.

Die Spengler-Cup-Sieger im neuen Jahrtausend

1 / 23
Die Spengler-Cup-Sieger im neuen Jahrtausend
2022: Nach zwei Jahren Corona-Pause gewinnt der HC Ambri-Piotta den Spengler Cup mit einem 3:2 nach Penaltyschiessen gegen Sparta Prag.
quelle: keystone / melanie duchene
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!

  • watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
  • Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
  • Blick: 3 von 5 Sternchen
  • 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen

Du willst nur das Beste? Voilà:

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
22 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Ralphster
01.01.2016 09:36registriert März 2014
Na ja Herr Eismeister, als sie die Passage, dass Zahnder den Event nicht goutiert, weil er den Niedergang vom HCD herbeisehnt, geschrieben haben, mussten bestimmt auch sie lachen. Solche Aussagen haben mit seriösen Journalismus definitiv nichts zu tun...
6012
Melden
Zum Kommentar
avatar
Staal
01.01.2016 10:58registriert März 2014
sich aber jedes Jahr im VIP Zelt bewirten lassen, dass ist eben Zahner.
Spengler Cup forever
5315
Melden
Zum Kommentar
avatar
Wilson_Wilson
01.01.2016 14:15registriert Dezember 2014
Der Spengler Cup ist in der Tat extrem gut für das Image des Schweizer Eishockeys. Das dürften die Clubs im Unterland durchaus zugeben. Übertreiben muss man es aber auch wieder nicht: Dass die NHL mit der Winter Classic "abgekupfert" hat oder uns die "ganze Welt" um dieses Turnier beneidet, ist totaler Irsinn und in diesem Fall klassische "Zauggsche" Polemik.
354
Melden
Zum Kommentar
22
Georgien schafft Historisches – auch die Ukraine und Polen sind an der EM dabei
Georgien schafft es erstmals an ein grosses Turnier. Auch die Ukraine und Polen qualifizieren sich über die Playoffs für die EM in Deutschland.

Die von Willy Sagnol trainierten Georgier setzten sich im Playoff-Final gegen Griechenland nach Penaltyschiessen durch und werden im nächsten Juni in Deutschland gegen die Türkei ihr erstes EM-Spiel bestreiten. Die weiteren Gruppengegner sind Portugal und Tschechien.

Zur Story