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Bern, die heimliche und stille Grossmacht unseres Hockeys

Berns Meisterumzug durch die Stadt Bern, bei der Meisterfeier des SC Bern, am Samstag, 22. April 2017 auf dem Bundesplatz in Bern. (KEYSTONE/Marcel Bieri)
Berns Meisterumzug zieht die Massen an.Bild: KEYSTONE
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Bern: die heimliche und stille Grossmacht unseres Hockeys

Also doch: das Bernbiet ist das Herzland unseres Hockeys. Die letzten Tage haben gezeigt, dass es mit Langenthal sogar ein viertes NLA-Team für den Kanton Bern kein Problem wäre.
24.04.2017, 11:1324.04.2017, 18:31
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Gut 30'000 Frauen, Männer, Mädchen und Buben eilten am Samstagnachmittag nach Bern, um den Titel des SC Bern zu feiern. Gut 3000 Menschen strömten zur gleichen Zeit nach Langenthal, um dort dem NLB-Meister SC Langenthal die Ehre zu erweisen. Und in Biel sahen 5000 Fans den 2:0-Sieg der Schweizer gegen Russland. Hätten die Langnauer ihre Saisonschlussparty auch am Samstagnachmittag abgehalten, wären dort weitere 2000 bis 3000 Gäste gekommen.

Diese Hockey-Begeisterung gibt es sonst nur noch in kanadischen Hockey-Hotspots wie Vancouver, Edmonton, Calgary, Montréal und Toronto. Titelgewinne rocken in der Schweiz nur im Bernbiet.

Dino Wieser und Andreas Ambuehl, von links, an der Meisterfeier des HC Davos, am Samstag, 18. April 2015, in Davos. Der HC Davos war am Freitag, 10. April 2015 zum 31. Mal Schweizer Eishockey Meister  ...
Die «Primarschüler» Dino Wieser und Andres Ambühl.Bild: KEYSTONE

Wenn die ZSC Lions Meister werden, dann merkt dies ein Fremder nur, wenn er zufälligerweise im Tram Mathias Seger trifft, der gerade mit dem Meisterpokal nach Hause fährt. Das Meisterumzügli in Davos mahnt jeweils eher an Primarschüler, die auf Pferdefuhrwerken eine Reise in die Bündner Berge unternehmen als einer rauschenden Party. Und in Lugano fallen bloss ein paar dürre Blätter von den Palmen.

Mathias Seger Pokal Tram
Legendär: Seger mit dem Meisterpokal im Tram.

Vier Hockey-Regionen

Das ganze Volk auf den Beinen, die Strassen und Gassen und Plätze so überfüllt, dass der Verkehr umgeleitet werden muss, und nebenbei auch noch ein fast volles Stadion bei einem Länderspiel – diese Hockey-Begeisterung gibt es nur in Bern, im Kanton Bern.

Dieser Samstag hat auch gezeigt, dass vier NLA-Teams im Bernbiet kein Problem wären. Denn hockeytechnisch gibt es im Kanton keine ethnische Einheit. Das Mittelland (mit dem SC Bern), das Seeland (mit dem EHC Biel), der Oberaargau (mit dem SC Langenthal) und das Emmental (mit den SCL Tigers) sind hockeytechnisch vier autonome Regionen, die alle ein eigenes NLA-Team finanzieren können und sich bei der Rekrutierung der Fans und beim Sponsoring nicht konkurrenzieren.

Der grosse SCB mit seinen glamourösen VIP-Bereich hat eine ganz andere Kundschaft als die bodenständigen SCL Tigers, die pfiffigen Langenthaler und die Seeländer mit der welschen Gelassenheit.

Langenthals Spieler und Staff feiern den NLB Meistertitel, nach dem siebten Playoff-Finalspiel der National League B zwischen dem SC Langenthal und dem SC Rapperswil-Jona Lakers, am Dienstag, 4. April ...
In Langenthal ist Euphorie ausgebrochen.Bild: KEYSTONE

Tatsächlich wird in Langenthal, beflügelt vom sportlichen Erfolg, nach jahrelanger Saumseligkeit der Politiker nun der Bau eines neuen Stadions oder die umfassende Sanierung der bisherigen Arena forciert. Noch im Laufe des nächsten Jahres soll ein Grundsatzentscheid fallen.

Der SC Langenthal hat sich in 15 Jahren von einem Amateurklub zu einem der führenden NLB-Unternehmen, sozusagen zu einem «SC Bern des armen Mannes» entwickelt. Mit einer entsprechenden Infrastruktur wäre die aktuelle Führungscrew um Präsident Stephan Anliker und Geschäftsführer Gian Kämpf durchaus dazu in der Lage, ein NLA-Unternehmen aufzubauen.

Steigen Kloten und Servette bald ab?

Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass im Laufe der nächsten sieben Jahre der Anteil des Kantons Bern von drei auf vier Mannschaften wächst. Auf Kosten der Westschweiz und der Region Zürich. Bereits zeichnet sich ab, dass Servette und der EHC Kloten mittelfristig aus der höchsten Liga verschwinden werden. In Genf und Kloten wird es sehr schwierig sein, die Infrastruktur auf das im Sportgeschäft des 21. Jahrhunderts erforderliche Niveau auszubauen und die Mittel für den NLA-Spielbetrieb zu erwirtschaften.

La deception des joueurs Genevois, lors du 4eme match du quart de finale de play off du championnat suisse de hockey sur glace de National League LNA, entre le Geneve Servette HC et le EV Zug, ce same ...
Mittelfristig nicht mehr in der NLA? Das Team von Servette-Genf.Bild: KEYSTONE

Die bernische Hockey-Dominanz ist politisch noch grösser als sportlich. Wenn wir beim Verband eine Bürotüre öffnen, sitzt meistens schon ein Bär drin. Präsident Marc Furrer, sein Vize Michael Rindlisbacher, Geschäftsführer Florian Kohler, Liga-Manager Denis Vaucher, Spielbetriebschef Philipp Bohnenblust, Marketing-General Reto Bürki und Computer-Guru Ruedi Kunz, Ausbildungschef Markus Graf, Co-Schirischef Beat Kaufmann und Einzelrichter Oliver Krüger – alles Berner. Und Spielplan- und Cup-General Willi Vögtlin ist zwar gebürtiger Baselbieter, bezeichnet sich als ehemaliger SCB-Manager selber als ein in der Wolle gefärbter Berner.

Auch bei den ausserbernischen Klubs sitzen einige Berner in Schlüsselpositionen. In Lugano ist der Bieler Jean-Jacques Aeschlimann Geschäftsführer, in Kloten Pascal Müller und in Zug Reto Kläy Sportchef – zwei Langnauer. Simon Schenk, Architekt der modernen ZSC Lions, ist auch ein Berner.

Bereits vor der französischen Revolution blickten die Schweiz, ja ganz Europa mit einer eigentümlichen Faszination nach Bern und der berühmte französische Staatstheoretiker, Schriftsteller und Philosoph Baron Charles de Montesquieu hat einmal über Bern geschrieben:  

«Il ya a à présent dans le monde und république que peresque personne ne connait, et qui, dans le secret et le silence, augmente ses forces chaque jour.»
Baron Charles de Montesquieu

Es gebe eine Republik, die kaum einer kenne, die aber im Geheimen und Stillen ihre Macht und Kraft jeden Tag mehre. Bern, die heimliche und stille Grossmacht.

Viel hat sich seit diesen Zeiten, als Bern einer der reichsten und mächtigsten Stadtstaaten Europas war. Als Napoléon den Bernern den Staatsschatz raubte und auf einen Wagen verladen liess, brachen bei der Fahrt zur Stadt hinaus auf der Nydeggbrücke die Achsen.

Die Abgaenge, Berns Martin Pluess, Marc Reichert, David Jobin, von links, mit Pokal bei der Meisterfeier des SC Bern, am Samstag, 22. April 2017 auf dem Bundesplatz in Bern. (KEYSTONE/Marcel Bieri)
Die Berner Meisterhelden lassen sich vor tausenden Fans feiern.Bild: KEYSTONE

Dort, auf dieser Brücke, hat am Samstagnachmittag der Triumphzug der meisterlichen SCB-Helden in die Stadt begonnen. Das echte Gold ist längst zur Stadt hinaus, das sportliche Hockey-Gold aber kehrt regelmässig zurück. Bei den grandiosen Hockeyfeierlichkeiten am letzten Wochenende haben die Berner für einmal nicht im Geheimen und Stillen gezeigt, dass sie unser Hockey sportlich und politisch beherrschen. Das Bernbiet war für ein paar Stunden nicht nur die heimliche und stille, sondern eine ausgelassene, feiernde Grossmacht unseres Hockeys. Gloria Bernensis!

Meisterfeier SC Bern

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Meisterfeier SC Bern
Zwischen 20'000 und 30'000 Fans haben am Samstag den 15. Meistertitel des SC Bern gefeiert.
quelle: keystone / marcel bieri
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50 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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marak
24.04.2017 11:45registriert April 2014
He, he. So im Verband zu arbeiten ist eben wie bei irgendeinem Bundesamt zu werkeln. Darin haben die Berner ja Übung. Die haben das schon in der DNA nehme ich mal an. Und zum Chneblen bietet sich das permanente Nebelloch Mittelland ja richtiggehend an.
Und noch kurz im Ernst: Ja, die Ballung an guten Klubs ist beeindruckend. Chapeau und Gruss aus Zürich. Dem mystischen Ort wo Pokale Tram fahren, Berner Entwicklungshilfe leisten und Schneemänner zuweilen den Kopf verlieren.
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nils (1)
24.04.2017 11:53registriert März 2015
wäre Zug meister geworden hätte das sicher auch eine anständige party mit freinacht gegeben... siehe nur schon die begeisterung im final
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ironmike
24.04.2017 13:42registriert Oktober 2014
natürlich hat Zaugg recht wenn er von der grossen Begeisterung/Euphorie spricht die in Bern und Umgebung ausgebrochen ist, alles andere wäre ja nicht normal, zwei Meistertitel de suite müssen natürlich entsprechend gefeiert werden. Und die "Konkurrenz" mit Langnau, Biel und evtl. Langenthal kann nur guttun. Aber in einem Punkt hat er unrecht, in Lugano wird ein Meistertitel genauso euphorisch gefeiert, man muss sich nur erinnern was nach dem gewonnen Titel gegen Ambri ablief, aber numerisch sieht es nach weniger aus, aber porzentual zu den Einwohnern ist es viel mehr.
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