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Mit dem Motto «1291» sind die Schweizer nach Moskau gereist. Daraus ist «1515» geworden: ein ehrenvoller Untergang. Die verlorene Schlacht von Marignano (1515) führte zu einer Rückkehr zur Bescheidenheit. Vielleicht hat ja das Scheitern von Moskau auf die Verbandsgeneräle eine ähnliche Wirkung.
Gescheitert sind die Schweizer in diesem letzten, erneut dramatischen Spiel erneut wegen «Pausenplatz-Hockey.». Der Mut zum Vorwärtsspiel und die Leidenschaft fehlten zu keinem Zeitpunkt. Ja, während 5 Minuten und 24 Sekunden standen wir gar im Viertelfinale: In der Zeit zwischen Denis Hollensteins 1:0 (mit dem zweiten Schuss) und dem Ausgleich der Tschechen.
Aber wieder fehlte die seriöse Basis. Eine Basis, die geduldige Detailarbeit erfordert. Das Powerplay und das Boxplay. Alle grossen Erfolge der Schweizer sind nicht das Produkt von wildem «Pausenplatz-Hockey», sondern von seriöser Detailarbeit. Funktionierenden Automatismen im Spiel in Unter- und Überzahl. Es ist bezeichnend, dass die Schweizer gegen Tschechien den Ausgleich in Unterzahl kassiert haben und im Gegenzug nicht dazu in der Lage waren, das eigene Überzahlspiel zu den entscheidenden Treffern auszunützen.
Diese unverzeihliche Schwäche im Powerplay und im Boxplay ist auch der Ausgangspunkt aller Schwierigkeiten gegen die vermeintlich Kleinen. Wir hatten früher diese Gegner gut im Griff, weil wir in den Spezialsituationen in Unter- und Überzahl besser waren. In Moskau haben uns die Schwächen in den «Special Teams» um alle Früchte der Anstrengungen bei numerischem Gleichstand gebracht.
Dieses «Pausenplatz-Hockey» hat uns in Moskau unterhaltsame Spiele beschert, ja zeitweise waren es veritable Dramen. Aber es ist ein überaus gefährliches Spiel mit dem taktischen Feuer. Dieses Hockey kann bei der immer grösser werdenden Ausgeglichenheit der WM im Abstieg enden. Dieser spektakuläre, riskante neue Stil der Schweizer ist auch eine Folge einer fehlenden fachlichen Kompetenz beim Verband. Patrick Fischer ist sozusagen ins kalte Wasser geworfen worden und er kann sich bei seinem Arbeitgeber mit niemandem auf Augenhöhe über internationales Eishockey oder über taktische Entwicklungen unterhalten.
Dieser «kleine Final», dieses «Alles-oder-Nichts»-Spiel ist auch eine Rückkehr auf den Boden (oder das Eis) der Realität. Der erfrischende, bisweilen naive Vorwärtsstil vermag jeden Gegner zu beunruhigen und garantiert in jedem Spiel beste Unterhaltung. Aber wenn die Grossen keine Gefangenen mehr machen, wenn sie bedingungslos auf Sieg spielen, dann sind wir mit Patrick Fischers «Pausenplatz-Hockey» chancenlos. Die Tschechen haben die Schweizer zu keinem Zeitpunkt unterschätzt. Sie wollten den Sieg (und damit den ersten Platz in der Gruppe) – und sie haben ihn geholt.
In diesem letzten Spiel hat sich auch noch einmal ein ganz entscheidender Schwachpunkt gezeigt: der Torhüter. Grosse Goalies haben alle grossen Siege seit 1998 abgesichert. Reto Berra war dieser grosse Goalie bei der Silber-WM 2013 (3:0 im Halbfinale gegen die USA). Aber er war in diesen Tagen in Moskau kein grosser Goalie. Er war gut, zeitweise sehr gut und er gehört zu den tragischen Helden dieser WM.
Den Lapsus im Startspiel gegen Kasachstan (das 1:1 aus 40 Meter in Überzahl), der uns in dieser Partie den Sieg, zwei Punkte und in der Endabrechnung die Viertelfinals kosten sollte, hat er in bewundernswerter Art und Weise weggesteckt. Zeitweise war er wieder ein charismatischer, grosser Goalie. Aber nicht mehr in den entscheidenden Augenblicken. Er hat zwei Penaltyschiessen verloren (gegen Kasachstan und Schweden) und er war auch nicht dazu in der Lage, nun in der letzten Partie den von Rafael Diaz verursachten Penalty von Lukas Kaspar (zum 2:1) zu halten.
Und auch das alles entscheidende 4:2 hätte ein Reto Berra in der Form von 2013 verhindert. Die Fangquote (86,87 Prozent) war auch in diesem Spiel ungenügend – die Schweiz gewinnt gegen einen Titanen nur mit einem Goalie, der mehr als 92 Prozent der Schüsse hält.
Diese letzte Partie gegen Tschechien hat uns erneut bestens unterhalten – wie alle Spiele der Schweizer. Wir haben noch einmal gehofft, gezittert, gebangt und gelitten. Wir haben uns über die Leidenschaft, den Mut und die Spielfreude dieser Mannschaft gefreut. Ja, in dieser Beziehung haben wir eine aussergewöhnliche WM erlebt und der verzweifelte Sturmlauf in den letzten Minuten, der die Schweizer noch einmal auf 4:5 herangebracht hat, bleibt uns als letzter Eindruck dieser WM positiv in Erinnerung.
Aber wir mussten uns eben auch einmal mehr über die taktischen Unzulänglichkeiten ärgern und das letzte Gegentor (ein von Eric Blum ins eigene, vom Goalie verlassene Tor abgelenkter Befreiungsschlag) ist nicht ganz untypische für unser «Pausenplatz-Hockey». Und letztlich haben wir die Viertelfinals nicht in diesem letzten Drama gegen Tschechien verspielt. Wir haben die Viertelfinals mit der Startniederlage gegen Kasachstan vergeigt – eine Niederlage gegen eine Mannschaft, die anschliessend keinen einzigen Punkt mehr geholt hat. Auch das passt ins Thema «Pausenplatz-Hockey».
Der böse, bittere Spruch, den ich gerne zitiere (und daher eigentlich abgedroschen ist) spielte am Ende die Wahrheit in diesem letzten Spiel und in diesem Turnier am besten und wird der aufopfernden Leistung der Spieler gerecht. «Löwen, geführt von Eseln». Die mutigen «Löwen von Moskau» sind dramatisch gescheitert.