Der SCB hat auch das zweite Finalspiel gewonnen. Nach dem 5:0 in Bern nun ein 4:2 in Zug. Aufregende Tage. Aber nur für die SCB-Fans und für jene, die sich für Hockey-Taktik interessieren. Also für Trainer und Experten. Aber nicht für jene, die es gerne dramatisch mögen und nicht zur grossen SCB-Familie gehören.
Erst einmal in unserer Playoff-Geschichte (seit 1986) hat ein absolutes Spitzenteam sein ganzes Talent in eine perfekte Defensive investiert. Das war John Slettvolls «Grande Lugano». Lugano holte 1986, 1987 und 1988 den Titel und verlor in diesen drei Jahren nur eine einzige Playoffpartie.
Und nun also der SC Bern. Nie mehr seit den Zeiten von John Slettvoll hat eine so talentierte, spielerisch eigentlich überlegene Mannschaft ihr ganzes Potenzial ins Defensivspiel umgemünzt.
Kari Jalonen hat so sehr alles im Griff, dass wir möglicherweise nach dem langweiligsten Final seit 1988 (Lugano gegen Kloten 3:0) den langweiligsten Meister aller Zeiten zu würdigen haben. Taktische Perfektion im Dienste der Defensive ist langweilig – nur Perfektion in der Offensive begeistert alle. Der SCB ist ein Meister der Pflicht aber ein Bettler der Kür. Ach, welch ein Gegensatz zur letzten Saison. Als der SCB vom 8. Platz aus zu einem der dramatischsten Titelgewinn seit Menschengedenken stürmte.
Die Berner wären ja dazu in der Lage, selbst eine Mannschaft wie Zug offensiv zu dominieren und die Spektakel- und Unterhaltungskultur zu bereichern. Wie Barcelona im Fussball. Welche Kraft und Wucht im SCB-Angriffsspiels steckt, haben wir im ersten Spiel in Bern gesehen. Aber selbst diese spektakuläre Eröffnung des Final-Feldzuges täuscht darüber hinweg, dass die DNA des Titelverteidigers unter Kari Jalonen eine grundsätzlich defensive ist.
Die unheimliche Stärke des Meisters ist die Fähigkeit, das Spiel des Gegners zu neutralisieren. Es ist wie beim Mühlespiel. Den Gegner Zug um Zug auszuspielen und durch das Bilden von Mühlen die Entscheidung herbeizuführen – das kann jeder. Aber nur die Grossmeister beherrschen die Kunst, alle Steine des Gegners zu blockieren und ihn so zur Aufgabe zu zwingen. Genau das tut der SC Bern. Der SCB hat in diesem Finale bei nummerischem Gleichstand noch kein Tor zugelassen.
Wir sehen in diesen Tagen das Defensivspiel der Grossen im Welthockey. Wenn es um Titel und Medaillen geht, dann investieren die Finnen, Schweden, Kanadier, Amerikaner oder Tschechen ihr Talent so ins Defensivspiel wie der SCB. Nur die Russen erliegen auch in grossen Partien der offensiven Versuchung. Deshalb versagen sie, gemessen an ihrem Talent, zu oft.
Die Zuger haben nicht versagt. Sie haben alles richtig gemacht. Es ist sogar ungerecht, wenn wir einzelne Spieler für diese Niederlage verantwortlich machen. Wenn wir beispielsweise Torhüter Tobias Stephan schmähen, weil der alles entscheidende dritten Gegentreffer (zum 2:3) haltbar war.
Es ist eine billige Ausrede, wenn wir darauf hinweisen, dass der ein bisschen altmüd gewordene Leitwolf Josh Holden wegen Unwohlsein nicht eingesetzt werden konnte.
Alles richtig gemacht? Hätte Harold Kreis nicht eine andere Taktik wählen müssen? Nein. Er hatte keine andere Wahl. Es ist ihm gelungen, seine Jungs wieder aufzurichten, das Spiel neu zu justieren und auszubalancieren und die richtige Mischung zwischen Sturmlauf und defensiver Absicherung zu finden. Er brachte es fertig, in der minimalen Zeitspanne von 48 Stunden eine verheerende Niederlage (0:5) vergessen zu machen und er gab nie auf. Er nahm gestern 81 Sekunden vor Schluss sein Time-Out um zur letzten Offensive zu blasen. Aber dafür lobt ihn niemand. Weil er trotzdem verloren hat.
Wir haben einen grossen EV Zug gesehen. Mutige, tapfere Zuger. Sie scheiterten nach grandiosem Einsatz an einem defensiv perfekten Gegner – soweit es überhaupt im Hockey Perfektion gibt. Und darüber hinaus hat der SCB mit Leonardo Genoni seine Defensive auch noch den besten Schweizer Torhüter abgesichert. John Slettvolls «Grande Lugano» hatte wenigstens Lottergoalies.
Was nun? Ist alles vorbei? Es gehört sich, zu sagen: nein, es ist noch nicht vorbei. Es steht erst 2:0. Und es ist ja schon vorgekommen, dass im Finale eine 2:0-Führung nicht gereicht hat. Beispielsweise dem HC Davos 2003 gegen Lugano oder Servette 2008 gegen die ZSC Lions.
Aber der SCB ist nicht das Davos von 2003 und nicht das Servette von 2008. Dieser SCB wird gegen Zug nicht viermal verlieren. Die Zuger hätten höchstens dann noch eine kleine Chance, wenn sie einen grossen Torhüter hätten, der einen Sieg «stehlen» kann. Der ein 1:0 oder ein 2:1 ermöglicht. Tobias Stephan ist ein sehr guter, aber kein grosser Torhüter. Kein Meistergoalie. Er hat den EV Zug ins Finale getragen. Aber er ist nicht dazu in der Lage, einen Titel zu gewinnen. Nichtmal den Cup.
Der Chronist steht nun vor einer schwierigen Herausforderung: Er sollte für das Publikum weiterhin das Panorama eines grossen Finaldramas mit ungewissem Ausgang malen. Und so tun, als sei nach wie vor alles möglich. Das wird nicht einfach sein.
Die Nordamerikaner pflegen in solchen Situationen zu sagen: «It’s not over untill the fat lady sings». Es ist erst vorbei, wenn es vorbei ist. Und Eishockey ist ein unberechenbares Spiel, das auf einer rutschigen Unterlage gespielt wird. Aber das sind die einzigen Argumente, die jetzt noch für Zug sprechen.
Das gestrige Spiel war im Gegensatz zu jenem von Donnerstag vor allem deswegen keine Freude zum schauen, weil es von den Schiris kaputt gepfiffen wurde, wie es kaputter nicht mehr geht. Das war ein absoluter Skandal, solche Leute gehören nicht aufs Schweizer Eis und schon gar nicht in einem Playoff Final.