Die Langnauer haben Grund zum Lachen. Dank dem Trainerwechsel von Scott Beattie zu Heinz Ehlers sind die SCL Tigers wieder ein ernsthafter Anwärter auf die Playoffs geworden. Der böse Spuk, die neuen Lakers zu werden, ist inzwischen verflogen.
Es ist ein Hockey-Wunder und die Führung der Tiger kann es noch immer kaum fassen. Heinz Ehlers (50) scheint ein Wundertier zu sein. Ein Wundertier, dem man mit Ehrfurcht begegnet. Wie folgende Episode zeigen mag: Kürzlich weilte Sportchef Jörg Reber in Göteborg. Er erkundigte sich telefonisch nach dem Resultat der Partie Gottéron gegen seine SCL Tigers. Die Niederlage (3:5) brachte ihn nicht aus der Fassung. Er wollte aber auch wissen, warum Leitwolf Chris DiDomenico nicht eingesetzt worden war. Die Begründung erschreckte ihn zutiefst: «Dido» habe seine Hockeytasche vergessen und deshalb zuschauen müssen. Bevor der Sportchef im roten Drehzahlbereich zu rotieren begann, wurde er aufgeklärt: Es sei nur ein Scherz.
Jörg Reber weiss eben um den unerbittlichen Führungsstil seines neuen Trainers. Hätte sein Lieblingskanadier tatsächlich die Hockeytasche fürs Spiel in Fribourg vergessen, hätte er ein Problem gehabt. Doch Heinz Ehlers hatte seinem Captain bloss eine Verschnaufpause gegönnt.
Heinz Ehlers ist auf den ersten Blick tatsächlich grantig. So grantig, dass selbst die Emmentaler verschreckt sind. Das ist erstaunlich. Der Däne ist doch in seinem Wesen und Wirken bloss so wie ein Ur-Emmentaler. Nach aussen mürrisch, im Humor bissig, gelegentlich sarkastisch und bisweilen gar ein bisschen zynisch – aber immer im Glauben an das Gute im Mensch im Allgemeinen und im Hockeyspieler im Besonderen. Kurzum: Harte Schale, weicher Kern.
Am ehesten so wie die legendäre Figur «Hagelhans» im Filmklassiker «Ueli der Pächter» von Franz Schnyder in der Szene, in der der grantige, steinreiche «Hagelhans» einen jungen Schnösel bei der Versteigerung der «Glungge» in den Senkel stellt und den Hof für seine Tochter kauft. In seiner Art ist Heinz Ehlers der letzte wahre Emmentaler. Im 21. Jahrhundert ist diese ganz besondere, knorrige Wesensart durch zu starken Einfluss von Smartphones, Internet und Fernsehen verwässert und urbanisiert worden.
Das ist also Heinz Ehlers: Streng sein, damit die Dinge den richtigen Lauf nehmen. Unerbittlich Disziplin und taktischen Gehorsam verlangen und doch bereit sein, im Sinne der Sache Gnade walten zu lassen. Und immer darauf bedacht, die Stimmung auszugleichen: Nach einem Sieg sagt er schon mal, alles sei schlecht. Aber wenn das Spiel miserabel war, belehrt er die Chronisten, die bereits in Vorfreude auf Polemik die Griffel gespitzt haben: «Ich habe heute auch sehr viel Gutes gesehen.»
Miserable Spiele sind allerdings rar geworden. Langnau hat in 15 Spielen unter Heinz Ehlers 14 Punkte Rückstand auf Biel wettgemacht
Die Wende ist umso erstaunlicher, weil die SCL Tigers auf dem Papier nach wie vor eine der schwächsten Mannschaften der Liga haben. Es ist also nicht ein talentiertes Team, das gegen den Trainer spielte und dann, erlöst von einem ungeliebten Chef, zum Höhenflug ansetzt. Der Operetten-Trainer Scott Beattie war beliebt. Weil jeder tun und lassen konnte, was er wollte. Und die Ausreden waren wohlfeil: Man könne doch nicht mehr erwarten, man habe doch Langnau in allen Saisonprognosen auf den letzten Platz gesetzt. Ende September waren die SCL Tigers die neuen Lakers.
Was hat sich unter Heinz Ehlers verändert? Der taktische Hexenmeister hat das wilde «Pausenplatz-Hockey» seines Vorgängers beendet und Ordnung ins Spiel gebracht. Verteidiger Philippe Seydoux hat es kürzlich in einem Satz erklärt: «Jeder kennt seine Rolle und kann sich auf den Mitspieler verlassen.»
Heinz Ehlers organisiert eine nominell unterlegene Mannschaft nach dem «Hase-Igel-Prinzip». Wenn Talent und Tempo fehlen um den Gegner vom Eis zu fegen, dann wird die gegnerische Mannschaft mit Intelligenz besiegt. Dort, wo die schnellsten Gegenspieler, die schnellsten Hasen hinwollen, steht schon ein Langnauer, ein Igel. Wird dieses Prinzip mit Leidenschaft, Hingabe, Mut und Disziplin umgesetzt, dann ist der Himmel das Limit.
Heinz Ehlers bestätigt die Einschätzung nicht, dass Langnau nominell wahrscheinlich die schwächste und mit ziemlicher Sicherheit die langsamste Mannschaft der Liga hat. Aber er hat etwas vorgefunden, das ihn beeindruckt: «Die Leidenschaft für das Eishockey ist in Langnau einfach unglaublich.» Das gelte nicht nur für die Spieler, sondern für alle: die Führung, die Helfer, ja für das ganze Dorf. «Das, was wir als Eishockeykultur bezeichnen, finden wir in Langnau.» Mag sein, dass das Geld fehlt, aber der Geist ist da – so wie es der Dichterfürst Jeremias Gotthelf in seinem Stück Weltliteratur «Geld und Geist» schon im vorletzten Jahrhundert beobachtet hat.
Sportchef Jörg Reber mag bei der Verpflichtung von Scott Beattie ein schwerer Irrtum unterlaufen sein. Dafür hat er mit seinen Torhütertransfers den Grundstein zur Wende gelegt. Weil er das Geld für einen grossen Torhüter nicht aufbringen kann, setzt er auf zwei «Nobodies»: Damiano Ciaccio (27) und Ivars Punnenovs (22). Beide kommen regelmässig zum Einsatz. Als einziges Team neben Davos setzt Langnau konsequent auf zwei Goalies. Es ist das meistunterschätzte Torhüter-Duo ausserhalb der NHL. So finden wir unter den zehn statistisch besten Goalies der Liga zwei Tiger: Als Nummer 5 Ciaccio (92,01 % Abwehrquote) und als Nummer 7 Punnenovs (91,82 %).
Noch bevor im Herbst der Transferbasar öffnete, hatte Langnaus schlauer Sportchef die Verträge seiner Schlussmänner bis 2019 verlängert. Die Langnauer Hockeykultur steht auf einem soliden Fundament. Das ist entscheidend. Ohne starke Torhüter würde selbst ein taktischer Zauberer wie Heinz Ehlers im Hockey-Zirkus zum Clown verkommen.
Ho-Ho-Hopp Langnou!!! Plee-Offs mr chöme!!!