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So versuchen die Krisen-Schweizer den Lauf der Dinge zu ändern

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Wundenlecken in Minsk

So versuchen die Krisen-Schweizer den Lauf der Dinge zu ändern

Das Training war freiwillig, die Erklärungen zur Krise haben wir schon mehr als hundert Mal gehört. Unsere Nationalmannschaft am Tag nach der bitteren 3:4-Pleite gegen Weissrussland.
13.05.2014, 16:0313.05.2014, 19:07
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Minsk ist ein einmaliges Erlebnis. Nach Moskau, München, Stockholm, Helsinki, Zürich, Bern, Wien oder Prag sind wir schon mehrmals gefahren oder geflogen. Aber noch nie haben wir in Minsk eine WM erlebt. Ein neues Land, eine neue Stadt, neue Stadien. Die Situation der Schweizer in Minsk ist hingegen ein «Déjà-vu». Dieses Krisenszenario, diese Analyse, diese Erklärungen (oder besser: Ausreden) vor einem Spiel der letzten Chance haben wir schon unzählige Male gehört.

Nach dem Frust gegen Weissrussland folgen altbekannte Ausreden.
Nach dem Frust gegen Weissrussland folgen altbekannte Ausreden.Bild: freshfocus

Nur vier Siege können die Schweiz noch retten

Eine Mannschaft steckt in einer Krise. Die Schweizer haben dreimal hintereinander verloren. Wenn sie das Viertelfinale doch noch erreichen wollen, dann müssen sie nun viermal hintereinander gewinnen. Zuerst gegen Deutschland (Mittwoch, 15.45 Uhr), dann gegen Finnland (Freitag, 19.45 Uhr), anschliessend am Samstag gegen Kasachstan (19.45) und schliesslich am Dienstag gegen Lettland (15.45 Uhr).

Unsere Nationalmannschaft befindet sich also in einer ähnlichen Situation wie die Kloten Flyers nach der dritten Niederlage im Finale gegen die ZSC Lions. Es gibt allerdings einen kleinen Unterschied: In den Playoffs hat es keine weiteren Konsequenzen, wenn halt alle Partien verloren gehen. Hier in Minsk muss noch der Klassenerhalt gesichert werden. Weil der Gruppenletzte absteigt.

Sean Simpson hat derzeit nicht viel zu lachen.
Sean Simpson hat derzeit nicht viel zu lachen.Bild: KEYSTONE

Simpson versucht den Trott zu durchbrechen

Als Nationaltrainer hat Sean Simpson eine Wende wie damals in Zug noch nie geschafft. Nach der ersten Niederlage war mit ihm bei jedem Turnier Lichterlöschen. 2010, 2011 und 2012 bei der WM, 2014 beim olympischen Turnier. 2013 brauchte es keine Wende. Da verloren wir erst das Finale.

Sean Simpson versucht hier den Lauf der Dinge durch eine Veränderung der täglichen Routine zu verändern. Er sagt: «Wenn du gewinnst, dann achtest du darauf, dass alle Abläufe immer gleich bleiben.» Nun hat er den täglichen Trott verändert. Das Training war heute freiwillig. Nur acht Spieler waren auf dem Eis: Die Torhüter Leonardo Genoni und Robert Mayer, die Verteidiger Tim Ramholt, Dean Kukan sowie die Stürmer Etienne Froidevaux, Benjamin Plüss, Thomas Rüfenacht und Victor Stancescu. 

Das Schweizer Trainingsgrüppchen ist am Dienstag überschaubar.
Das Schweizer Trainingsgrüppchen ist am Dienstag überschaubar.Bild: freshfocus

«Alle haben in dieser Saison 50, 60 Spiele bestritten. Jeder kennt das System. Ein Eistraining ist nicht mehr nötig. Wichtig ist jetzt, den Kopf durchzulüften.» Sean Simpson sagt, dass alles getan werde, was man tun könne. Videositzungen, Gespräche. Die Spieler seien auch ohne die Trainer gruppenweise zu Gesprächen zusammengesessen. Es sei eine gute Gruppe.

Defensive Probleme und Hochmut führen zum Absturz

Aber es geht nicht nur um die täglichen Gewohnheiten. Es geht auch um die schlechten Gewohnheiten auf dem Eis. Patrick Fischer, in Lugano Bandengeneral und hier Assistent von Sean Simpson, sagt: «Wir haben in Stockholm bis auf das Finale in einem Spiel nie mehr als zwei Gegentreffer kassiert. Gegen die USA waren es drei. Unsere Defensivleistung ist das Problem.»

Es ist spielerischer Hochmut, der zu diesen schlechten Gewohnheiten geführt hat. Der Jahrhunderterfolg WM-Silber hat etwas in den Köpfen der Spieler verändert. In einzelnen Spielsituationen haben sie zu oft die offensive, die riskante Lösung gewählt. Nicht den risikolosen Pass und die defensive Absicherung. Bei dieser Grundeinstellung wird eine Mannschaft zerbrechlich wie Glas. Störfaktoren, die ein Team sonst noch nicht aus dem Gleichgewicht bringen, führen plötzlich zum Absturz.

Die Schweizer haben hier ein ähnliches Problem wie der SC Bern. Der Titelverteidiger fand während der ganzen Saison nie zur defensiven Bescheidenheit und verpasste schliesslich die Playoffs. Nach dem Motto: Der meisterliche Hochmut kommt vor dem Fall. 

Derzeit ein gewohntes Bild: Die Schweizer Abwehr ist geschlagen.
Derzeit ein gewohntes Bild: Die Schweizer Abwehr ist geschlagen.Bild: AFP

Auch Berra und Genoni wackeln

Die Schweizer haben in den drei ersten Partien jene defensive Stabilität noch nicht gefunden, die in Stockholm das Fundament des Silber-Wunders war. Nach dem Motto: Der silberne Hochmut kommt vor dem Fall. Und Torhüter Reto Berra ist nach wie vor nicht so gut wie in Stockholm. Führt die fehlende Sicherheit von Reto Berra und Leonardo Genoni zur defensiven Verunsicherung oder destabilisiert die Lotterabwehr die Torhüter? 

Ganz grossen Torhütern gelingt es manchmal, die Wende herbeizuführen. Sagen wir es hier in Minsk neutral: Es ist eine Wechselwirkung. Was den Ausschlag gibt, bleibt offen. So wie bis heute unklar ist, was zuerst war: Das Ei oder das Huhn. 

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