Die Niederlage gegen den SC Bern (2:4) besiegelte am Samstagabend den Verlust der Playoffs. Trainer Heinz Ehlers sprach Klartext: «Wir dürfen so nicht weiterspielen. Wir müssen uns wieder auf unsere Qualitäten besinnen, disziplinierter spielen und demütig werden.» Die Worte des Trainers sind am nächsten Tag in Zürich nicht umgesetzt worden. Die Langnauer verloren gegen die ZSC Lions 3:8, die dritte Pleite de suite. Sie spielten noch disziplinloser als am Vorabend und Heinz Ehlers hatte keine Erklärung mehr. «Ich weiss nicht, woran es liegt.»
Mit dem Verpassen der Playoffs hat am 137. Tag unter Heinz Ehlers die Saison erst richtig angefangen. Die Reserve auf Fribourg-Gottéron, auf den zweitletzten Platz, auf die Playouts gegen Ambri, beträgt noch acht Punkte. Das kann reichen. Trotzdem gilt: Nach 137 Tagen Hoffnung und Hollywood hat der Kampf um den Ligaerhalt begonnen. Für die Emmentaler die gefährlichste Phase der Saison.
Die Neigung zur Selbstüberschätzung ist nach 137 guten Tagen unter Heinz Ehlers unübersehbar. Und die Emmentaler waren in den letzten Jahren im Sommertraining gnädig zu sich selbst. Sie haben in den letzten Wochen viel Energie verbraucht und die Gefahr, dass im Schlussspurt der Sprit ausgeht, ist nicht zu unterschätzen.
Heinz Ehlers könnte es mit seinen Mahnungen und Warnungen ergehen wie jenem Theaterdirektor, der vor den Vorhang tritt und das Publikum darüber informiert, dass in den Kulissen ein Feuer ausgebrochen ist und man den Saal verlassen möge. Man glaubt, es sei ein gelungener Witz, der zum Theaterstück gehört und applaudiert. Er wiederholt seine Aufforderung und man applaudiert noch stärker. Auf diese Weise ist Langnau 2013 abgestiegen.
2017 muss nicht enden wie 2013. Heinz Ehlers sagt, was ein Trainer in dieser Situation sagen muss: «Es wird sehr hart werden, das weiss ich. Aber wir haben im Laufe dieser Saison die Qualitäten gezeigt, die es uns ermöglichen, den Playouts zu entgehen. Ich bin stolz, dass wir es geschafft haben, so lange die Chancen auf die Playoffs offen zu halten.»
Das späte Verpassen der Playoffs ist vorerst bei einer Zwischenbewertung als sportlicher Erfolg zu werten. Am 4. Oktober 2016 übernimmt Heinz Ehlers von seinem kanadischen Vorgänger Scott Beattie taktisch verliederlichte und nicht austrainierte Spieler. Mit diesem Trainerwechsel beginnt am 4. Oktober eine neue Zeitrechnung. Die sportliche Depression (zum Auftakt neun Niederlage in Serie) löst sich auf wie Morgennebel. Nun rocken die Tiger. Am 26. November stehen sie drei Tage lang gar punktgleich mit Servette auf dem 8. und letzten Playoffplatz.
Höher kommen die Emmentaler in der Tabelle zwar nicht mehr. Die entscheidenden Partien unter maximalem Erwartungsdruck gehen im November und im Dezember verloren. Aber es sind trotzdem schöne Tage der Hoffnung, der Polemik und der Schmähungen von Scott Beattie. Die Meinungen sind bald gemacht: Wäre Heinz Ehlers von allem Anfang an Trainer gewesen, es hätte zum zweiten Mal nach 2011 für die NLA-Playoffs gereicht. Allenthalben Hockey-Hollywood. Die Angst vor dem 12. und letzten Platz, vor dem Abstieg, in den Saisonprognosen noch allgegenwärtig, verschwindet vorübergehend wie ein böser Spuk.
Die SCL Tigers haben seit 1998 die NLA-Playoffs 17 Mal verpasst. Also kann der Chronist im elektronischen Archiv die Analysen hervorholen und kopieren, die er schon 17 Mal geschrieben hat. Aber so ist es nicht. Zum ersten Mal seit 1998 gibt es in Langnau nach verpassten Playoffs klare Vorstellungen davon, wie es weitergehen soll. Es gibt eine Strategie.
In der Vergangenheit waren die SCL Tigers ein Hockeyunternehmen, das sportlich nicht über den Tag hinaus planen konnte. Heinz Ehlers ist bereits der 17. Trainer seit 1998. Chronischer Geldmangel ist die Ursache für die Hektik und Unberechenbarkeit seit dem Aufstieg von 1998. In der finanziellen Atemlosigkeit blieb den Emmentaler nie genug Schnauf, um eine eigene Identität zu entwickeln.
Das Versagen der Nachwuchsarbeit erhöht die Hektik. In der Meistermannschaft von 1976 standen nur drei Spieler, die nicht aus dem Dorf stammten: Torhüter Edgar Grubauer, sein Ersatz Michael Horak und Stürmer Heinz Huggenberger. Im Derby gegen den SCB kamen am Samstag noch zwei Spieler zum Zuge, die bei den eigenen Junioren gross geworden sind. Roland und Adrian Gerber.
Wie also eine Mannschaft mit fremden Spielern zusammenstellen, wenn dazu das Geld fehlt? Immerhin sind die Geldsorgen nicht mehr so bedrückend. Unter Präsident Peter Jakob sind die SCL Tigers neben dem SC Bern das einzige Hockeyunternehmen im Land, das schwarze Zahlen schreibt. Im neuen Hockeytempel sind die Zuschauerzahlen und die Gastronomie-Einnahmen stabil geworden. Im Schnitt kamen bisher 5772 Fans. Mehr als in Fribourg, Biel, Kloten, Ambri und Davos. Bei einem Stadion-Fassungsvermögen von 6000. Die finanziellen Mittel sind gesichert, aber knapp – und das ist gar nicht so schlecht. Jörg Reber, der beste Sportchef seit 1998, muss sorgfältig überlegen, wie er sein Geld investiert.
Trainer Heinz Ehlers hat einen Vertrag bis 2018 inklusive Option für 2019. Jörg Reber kann die Mannschaft zusammen mit seinem Trainer planen. Ihre Charakteristik ist an den bisherigen offiziellen Neuverpflichtungen (Emanuel Peter, Samuel Erni, Benjamin Neukomm) zu erkennen. Vernünftig im Preis sollen die Spieler sein, und entweder genug Erfahrung haben, um ein taktisches Konzept umzusetzen oder schnell, ausdauernd, gross und kräftig. Die Philosophie ist klar: Wenn das Geld schon nicht für die grossen Stars reicht, dann braucht es spielerische Soldaten, die das Manko an Talent durch Disziplin, Tempofestigkeit, Intensität und Kraft kompensieren.
Für ein Mitspielen um die Playoffs wie diese Saison reicht es mit dieser Strategie künftig, sofern die beiden Goalies (Damiano Ciaccio, Ivars Punnenovs) ihr Leistungsniveau halten und besser sind als zuletzt gegen den SCB und die ZSC Lions, die vierte und letzte noch offene Ausländerposition mit einem dominanten Center besetzt und das Sommertraining intensiviert wird. Der Verwaltungsrat hat bereits signalisiert, dass für eine grosse Nummer auf der Ausländerposition zusätzliche Mittel bereitgestellt werden.
Der kanadische Leitwolf Chris DiDomenico musste am Sonntag in Zürich auf die Tribune und hat in den letzten 28 Runden gerade noch ein einziges Tor beigesteuert. Gewährsleute melden, seine körperliche Verfassung sei zu Saisonbeginn «miserabel» gewesen. Und auch der sanfte finnische Riese Eero Elo, dessen Vertrag soeben um zwei Jahre verlängert worden ist, befindet sich in einer besorgniserregenden körperlichen Verfassung. Sportchef Reber und Trainer Ehlers wollen mit strengen Auflagen und Tests diesen Larifari-Betrieb im Sommer abstellen und Leistungsnormen festsetzen, die, wenn sie nicht erfüllt werden, finanzielle Einbussen für die Sünder zur Folge haben. Die Hockeygötter seien ihnen bei diesem Vorhaben gnädig gestimmt.
Wenn die SCL Tigers oben bleiben, werden sie auch nächste Saison eine Mannschaft haben, die den Ligaerhalt schaffen kann. Mehr darf, ja muss gefordert werden. Aber mehr als der Klassenerhalt darf nicht erwartet werden.
Diese sportliche Bescheidenheit ist kein Problem: Langnau ist ein Glücksfall. Hier eilen die Fans auch dann in Scharen herbei, wenn es Jahr um Jahr nicht für die Playoffs reicht. Es genügt, wenn in jedem Spiel hart gearbeitet wird. Fehlendes Talent wird akzeptiert. Aber nicht fehlende Einsatzbereitschaft – und künftig auch nicht mehr Schlamperei im Sommertraining.