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Das Ende einer seltsamen WM und Sean Simpsons Abgang durch die Hintertüre

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Des Trainers letzte Stunde

Das Ende einer seltsamen WM und Sean Simpsons Abgang durch die Hintertüre

Gegen Lettland (ab 15.45 im watson-Ticker) steht Sean Simpson zum letzten Mal an der nationalen Bande. Es ist ein seltsamer Abschied für den erfolgreichsten Nationaltrainer der letzten 60 Jahre.
20.05.2014, 12:33
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Ein Kanadier ergibt sich im Hockey nie. Am Montag ist klar: Wenn Finnland gegen Kasachstan gewinnt, dann sind die Schweizer definitiv gescheitert und können das Viertelfinale nicht erreichen. Die Siegeschancen der Kasachen sind nur minim.

Aber Sean Simpson hofft bis zuletzt. Er verfolgt das Spiel im Stadion und erst als es vollbracht und das Scheitern besiegelt ist, sagt er ein paar Sätze. «Ja, die Partie gegen Lettland ist für mich ein besonderes Spiel. Meine Gefühle sind gemischt. Der Abschied aus der Schweiz macht mich schon ein bisschen sentimental. Denn in der Schweiz habe ich mehr als 20 Jahre lang gearbeitet. Aber da ist auch die Freude auf die neue Herausforderung in Russland.»

Es hat nicht gereicht: Sean Simpson verpasst mit der Schweiz den Viertelfinal-Einzug.
Es hat nicht gereicht: Sean Simpson verpasst mit der Schweiz den Viertelfinal-Einzug.Bild: KEYSTONE

Durch und durch ein Profi

Sean Simpson hat in Jaroslawl (KHL) zwei Jahre unterschrieben. Eine neue Herausforderung. Und doch kein definitiver Abschied. Der Kanadier behält seine Eigentumswohnung in Zug. Die Schweiz bleibt neben Kanada seine zweite Heimat. Er mag eine Rückkehr ins Schweizer Eishockey nicht ausschliessen: «Im Eishockey weiss man ja nie …»

Aber er weigert sich vor seinem letzten Spiel mehr zu sagen. «Wenn alles abgeschlossen und vorbei ist, dann ist Zeit zum reden. Aber nicht vorher.» Er ist ein Profi durch und durch. Zuerst bringt er seine Mission zu Ende. Dann erst ist es Zeit, Bilanz zu ziehen. Für sein letztes Spiel mobilisiert er noch einmal alles. Reto Berra wird im Tor stehen. Für uns geht es um die Ehre. Für die Letten ums Viertelfinale. Wenn sie gewinnen, schaffen sie auf Kosten der Finnen das Viertelfinale.

Reto Berra darf zum Abschluss gegen die Letten nochmals das Tor hüten.
Reto Berra darf zum Abschluss gegen die Letten nochmals das Tor hüten.Bild: AP/AP

Die Spieler respektieren die Professionalität ihres Coaches. Am Montagnachmittag ist im Spielerhotel Victoria im Theorie- und Speisesaal der Schweizer ganz oben im 15. Stock Medientermin. Der Blick geht über die Stadt hinweg bis an den Horizont. Das Schweizer Fernsehen will von Captain Mathias Seger ein kurzes Statement zum Scheitern in Minsk. Um es am Abend einzuspielen. Sozusagen als Zeitdokument. Die Aufnahme wird gemacht. Aber erst, als der Sieg der Finnen und das Scheitern definitiv sind.

Ende einer seltsamen WM

Der Tag vor diesem letzten Spiel, der Tag, an dem das Scheitern am späten Nachmittag nach dem Sieg von Finnland über Kasachstan endlich und definitiv feststeht, ist ein seltsamer Tag. Kaum ist die Partie vorüber, entlädt sich über Minsk ein heftiges Gewitter. Die Hockeygötter äussern ihren Unmut über das Scheitern und den Abgang von Sean Simpson mit Hagel, Blitz und Donner.

Die Partie gegen Lettland ist das Ende einer seltsamen WM. Es ist ein lang andauerndes Verlöschen des silbernen Glanzes von Stockholm. Sozusagen eine WM ohne Hoffnung. Die Schweizer verlieren die drei ersten Partien (0:5 Russland, 2:3 USA, 3:4 Weissrussland). Damit ist nach drei von sieben Spielen bereits mehr oder weniger klar, dass der WM-Finalist nicht einmal mehr das Viertelfinale erreichen wird.

Die Spieler wussten, dass nach der Niederlage gegen die Weissrussen ein Weiterkommen fast unmöglich sein wird.Bild: freshfocus

Aber vom 12. Mai, dem Tag der Niederlage gegen Weissrussland, bis zum 19. Mai, dem Tag, an dem das Scheitern definitiv feststeht, lebt die Hoffnung.

Nach jeder Partie wird neu gerechnet. Es ergeben sich immer neue und immer abenteuerliche Konstellationen, die uns doch noch ins Viertelfinale bringen könnten. Sieben Tage lang zieht sich das Scheitern sozusagen mit dem Tropfenzähler und flackerndem Kerzenlicht der Hoffnung dahin. Und damit eine gewisse mediale Unzufriedenheit. Die kritischen Analysen und Kommentare werden geschrieben und publiziert und nur mit dem Zusatz abgeschwächt, dass die Schweizer «wohl» oder «mit ziemlicher Sicherheit» oder «höchstwahrscheinlich» gescheitert sind.

Abgang des Silbermachers

So wie 2013 wird die Ankunft von Sean Simpson in Zürich dieses Jahr nicht mehr aussehen.
So wie 2013 wird die Ankunft von Sean Simpson in Zürich dieses Jahr nicht mehr aussehen.Bild: PHOTOPRESS

Am Mittwoch um 13 Uhr fliegen die Schweizer nun mit einem Charter in Minsk weg und werden um 14.25 Uhr in Zürich eintreffen. Kein rauschender Empfang wie vor einem Jahr. Sean Simpson verabschiedet sich sozusagen still und leise durch den Hinterausgang. Er hätte eine grosse Abschiedsparty verdient. Schliesslich hat er uns die aufregendste Ära unseres Hockeys beschert und er geht als erfolgreichster Nationaltrainer der Neuzeit. Er hat zwar mit der Schweiz viermal das Viertelfinale nicht erreicht (WM 2011, 2012, 2014 und Olympia 2014). Aber was zählt, ist die Silber-WM von Stockholm und der 5. Platz 2010 in Deutschland.

In 50 Jahren spricht niemand mehr von vier verpassten Viertelfinals und Minsk 2014 wird längst vergessen sein. Aber die Menschen werden sich dann immer noch an die Silber-WM von Stockholm erinnern.

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