Der Meister brauchte das beste Eishockey dieser Saison um dieses Spiel zu gewinnen. Das erste Drittel war das beste des SC Bern in diesem Herbst. Daraus resultierte eine 3:1-Führung. Sie reichte gerade noch zum Sieg. Das zweite Drittel war ausgeglichen, das dritte gehörte dem HCD.
Ist Davos nun ein Spitzenteam oder eine Mannschaft, die um die Play-offs zittern muss? Wenn wir nur dieses schnelle, intensive Spiel zur Beurteilung heranziehen, dann ist diese Frage gar nicht so einfach zu beantworten.
Unser Verstand sagt, dass der HCD ein Spitzenteam ist. Anders können wir uns diese Mannschaft, die seit 2002 sechs Titel geholt hat (den letzten 2015), gar nicht mehr vorstellen. Immer wieder blitzte in Bern dieses dynamische, präzise Tempospiel auf, das längst zum HCD-Markenzeichen geworden ist.
Wenn wir aber nicht durch das Wissen um die ruhmreiche Vergangenheit beeinflusst wären – dann kämen wir zu einer interessanten Beurteilung. Davos mahnt nämlich an die Mannschaft aus dem Herbst 1996. An die erste Saison unter Arno Del Curto.
1996 schickt sich der HCD an, die helvetische Hockeywelt zu erobern. Die Mannschaft ist wild, sie spielt ein erfrischendes, schnelles, spektakuläres und gelegentlich etwas ungestümes Offensivhockey.
In der Mannschaft steht eine ganze Reihe von jungen Spielern. Beispielsweise Mark Streit (19), Marc Gianola (22) und Jan von Arx (18) in der Abwehr. Andy Näser (22), Sandro Rizzi (18), Ivo Rüthemann (20) und Reto von Arx (20) im Sturm. Dazu ein paar Routiniers wie Samuel Balmer (28), Christian Weber (32) und René Müller (28). Kein Wunder, ist das Spiel bisweilen ungestüm und in der Defensive noch nicht richtig gefestigt. Der HCD wird Ende Saison am drittmeisten Gegentore in der Statistik haben. Zumal die beiden Goalies (Nando Wieser, Thomas Berger) nicht zu den Titanen der Liga gehören.
Der HCD hat nicht die Mittel, um eine Spitzenmannschaft einzukaufen. Arno Del Curto hat nur eine Möglichkeit, ganz nach vorne zu kommen: Er muss seine Spieler fordern und fördern.
Seither sind 20 Jahre vergangen – und es ist fast wieder so wie im Herbst 1996. An der Bande steht nach wie vor Arno Del Curto.
In der Mannschaft steht eine ganze Reihe von jungen Spielern. Beispielsweise Fabian Heldner (20), Sven Jung (21), Simon Kindschi (20) oder Claude-Curdin Paschoud (22) in der Abwehr. Chris Egli (20), Dario Simion (22) oder Nando Eggenberger (17) im Sturm. Kein Wunder, ist das Spiel bisweilen ungestüm und in der Defensive noch nicht richtig gefestigt. Der HCD hat diese Saison am zweitmeisten Gegentreffer kassiert. Zumal die beiden Goalies (Gilles Senn, Joren van Pottelberghe) nicht zu den Titanen der Liga gehören. Dazu ein paar Routiniers wie Félicien Du Bois (33), Beat Forster (33), Noah Schneeberger (28) und Andres Ambühl (33).
Der HC Davos wie vor 20 Jahren? «Nein», sagt Arno Del Curto, «vor 20 Jahren haben wir nicht solche Fehler gemacht.» Der HCD-Cheftrainer ist nach dem Spiel in Bern ausser sich. Oder besser: ganz in seinem Element. Aufgewühlt, leidenschaftlich und doch glasklar in der Analyse. «Ich kann das nicht mehr sehen. Diese Fehler! Diese Hasardeure!» Was ist dagegen zu tun? «Ich müsste fünf zusätzliche Spieler haben, um die Möglichkeit zu haben, mal ein paar auf die Tribüne zu schicken.»
Ja, es stimmt: Davos hat die Partie tatsächlich wegen Fehlern verloren, die eigentlich nicht gemacht werden dürften. Scheibenverluste, riskante Pässe. Aber es war eben ein sehr schnelles, intensives Spiel und Fehler von unerfahrenen Jungs sind da fast nicht zu vermeiden. Arno Del Curto ist in der Analyse richtig, aber im Urteil zu streng. Und immerhin haben die Jungen (Egli, Simion) die beiden Treffer erzielt. Und Goalie Senn hat seiner Mannschaft in Bern die Chance gegeben, das Spiel zu gewinnen.
Der HCD wie vor 20 Jahren? Warum nicht? Damals schafften die Davoser auf dem dritten Platz die Play-offs, besiegten im Viertelfinal Fribourg-Gottéron und scheiterten im Halbfinal an Zug. Ein Jahr später verlor der HCD im Frühjahr 1998 den Final gegen Zug und 2002 holte Arno Del Curto den ersten Titel.
Es gibt allerdings einen wesentlichen Unterschied zum HCD des Herbstes 1996: Damals waren die Ausländer viel besser. Mit vier guten ausländischen Spielern könnte es sein wie 1996: Platz drei in der Qualifikation und im Frühjahr die Halbfinals.
Vorerst muss Arno Del Curto froh sein, wenn er die Play-offs schafft. Doch das Potenzial in seiner Mannschaft ist gross. Im Frühjahr 2018 wieder der Final und 2020 der nächste Titel? Warum nicht. In lichten Momenten hat der HCD in Bern gespielt wie im Herbst 1996. Wie ein künftiges Meisterteam.
Könnte er sich nun nicht den FC Basel im Abstiegskampf wünschen?