Vor 25 Jahren wäre Glen Hanlon mit den Resultaten dieser WM als einer der besten Nationaltrainer aller Zeiten gefeiert worden. 3:4 n.P. gegen Österreich, 3:1 gegen Frankreich, 1:0 gegen Deutschland.
Aber in den letzten 25 Jahren ist die Schweiz in die Weltklasse zurückgekehrt. Wir sind WM-Finalist von 2013 und die Nummer 7 der Welt. Die Erwartungen sind höher als vor 25 Jahren. Die Niederlage gegen Österreich ist die peinlichste seit der Rückkehr in die A-WM 1998. Die Leistungen gegen Frankreich und Deutschland entsprechen nicht den Erwartungen.
Es gibt eine bösartige und eine wohlwollende Beurteilung der Schweizer bei dieser WM 2015.
Noch selten in der Geschichte unseres Hockeys ist an einer WM so viel Talent so miserabel gecoacht und gemanagt worden.
Roman Josi und Mark Streit verdienen mehr als die Gesamtlohnsumme des deutschen Teams. Justin Krueger gilt als bester Verteidiger der Deutschen. Er ist beim SCB nicht einmal gut genug fürs erste Powerplay. Wir haben sozusagen gegen Deutschland B gewonnen – die Stimmung rund um die Nationalmannschaft ist bei unserem Erzrivalen so schlecht, dass sage und schreibe 22 (!) Spieler das WM-Aufgebot abgelehnt haben.
Die Frage, wie um alles in der Welt eine grosse Hockeynation wie die Schweiz dazu kommt, einem Trainer wie Glen Hanlon die Nationalmannschaft zu überlassen, ist inzwischen eines der grossen Mysterien des Welteishockeys.
Kein klar ersichtliches Konzept und ein Powerplay, das selbst mit Roman Josi und Mark Streit nicht funktioniert (bisher 16 Powerplays und 1 Tor). Es ist wie bei des Kaisers neuen Kleidern. Alle sehen, dass es so eigentlich nicht geht. Aber niemand sagt es. Alle warten auf das Kind, das wie im Märchen ausruft: Aber der Kaiser ist ja nackt! Das ist, wie gesagt, die bösartige Beurteilung.
Es ist die Sicht der Verbandsgeneräle. Ein Sieg gegen Deutschland ist nie selbstverständlich. Es ist immer schwierig, am Anfang eines WM-Turniers gegen die Aussenseiter zu spielen. Wir haben dann alles zu verlieren und nichts zu gewinnen und die WM-Hinterbänkler sind noch bei Kräften.
Wir sind nun in allen drei Spielen nie in Rückstand geraten (Österreich siegte ja im Penalty-Schiessen) – also haben wir ein Konzept und die Kritik an Glen Hanlon entbehrt jeder Grundlage. Wir können nun mit einem Sieg gegen Lettland (Mittwoch 16.15 Uhr) die Viertelfinals sichern. Wir stehen in der Zwischenrangliste auf Platz drei. Drei Punkte vor Tschechien.
Statt zu kritisieren sollten die Chronisten jetzt die Verdienste von Glen Hanlon würdigen und die schöne Geschichte von Vater und Sohn schreiben. Felix Hollenstein gehörte zum Team, das 1992 im WM-Viertelfinale Deutschland auch hier in Prag 3:1 besiegte und auf den 4. Schlussrang kam. Nun hat sein Bub Denis mit dem 1:0 gegen Deutschland in der 53. Minute den Sieg gesichert und nach wie vor ist bei dieser WM 2015 für die Schweiz alles möglich. Nach 1992 (3:1) und 2004 (1:0) nun der dritte WM-Sieg über Deutschland in Prag.
Der Sieger hat immer recht. 1:0 gegen Deutschland. Die letzte Wahrheit steht oben auf der Resultatanzeige. Die Schweiz hat Frankreich und jetzt Deutschland besiegt. Also gilt erst einmal diese wohlwollende Analyse.
Und wie ist die objektive Analyse? Nun, die WM-Mannschaft von Prag hat praktisch gleich viel Talent wie das WM-Silberteam von 2013. Wir warten noch auf die letzte Wahrheit von Prag. Es ist ein banges Warten auf die Wahrheit. Die Siege gegen Frankreich und Deutschland haben noch nicht alle Kritik entkräftet.