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Warum Servette zwei Millionen für den Meistertitel fehlen

Chris McSorley gibt in Genf die Richtung vor – auch jetzt.
Chris McSorley gibt in Genf die Richtung vor – auch jetzt.
Bild: EQ Images
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Warum Servette zwei Millionen für den Meistertitel fehlen

Chris McSorley dominiert mit Servette das welsche Eishockey und besiegt ab und zu sogar den SC Bern. Aber Meister kann er nicht werden. Oder etwa doch?
13.10.2015, 15:1813.10.2015, 15:35
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Ach, wäre Chris McSorley doch Politiker geworden. Er würde die Welt verändern. Der Kanadier sitzt in seinem kargen Trainerbüro im Bauch der bald 60-jährigen Arena «Les Vernets» (Baujahr 1958). In wenigen Worten erklärt er, warum sein Servette noch nie Meister geworden ist. Und was es braucht, damit sein Servette Meister wird.

Seine Botschaft ist einfach verständlich, holzschnittartig wie politische Propaganda. «Mir fehlen zwei Millionen.» Er weiss auch, wie er diese zwei Millionen erwirtschaften könnte. «Wir brauchen die neue Arena.»

Die 1958 erbaute Les Vernets-Halle hat schon bessere Zeiten gesehen.
Die 1958 erbaute Les Vernets-Halle hat schon bessere Zeiten gesehen.
Bild: KEYSTONE

Ist es so einfach? «Ja», sagt Chris McSorley. «Seit ich nach Genf gekommen bin, haben in vierzehn Jahren vier Klubs die Meisterschaft gewonnen: Lugano, Zürich, Bern und Davos. Diese vier Klubs haben mehr Geld und die ausgeglichenere Mannschaft. Sie sind dazu in der Lage, am Ende der Saison verletzungsbedingte Ausfälle zu kompensieren. Wir können das nicht. Am Ende fehlen uns immer ein oder zwei Spieler. Deshalb haben wir zweimal das Finale verloren.» 2008 unterlagen die Genfer den ZSC Lions in sechs, 2010 dem SC Bern in sieben Spielen. So nahe wie 2010 waren sie dem Titel nie mehr.

Und so hat es Chris McSorley bisher nur zu zwei Triumphen beim Spengler Cup gereicht. Ein kurzes Showturnier. Ein Spurt. Kein Abnützungskampf wie die Playoffs. Typisch Sevette auch: Es reicht zwar immer wieder zu einem einzelnen Sieg gegen den SC Bern. Aber noch nie haben die Genfer den SCB in einer Playoffserie besiegt.

Bis Ende Jahr fällt die Entscheidung

Und doch irritiert die Aussage, dass nur zwei Millionen zum meisterlichen Glück fehlen. Es müsste doch möglich sein, zwei «Kisten» zusätzlich auszugeben. Das sei durchaus so, sagt der Kanadier, der bei Servette als Mitbesitzer alle wichtigen Positionen (Manager, Trainer, Sportchef) besetzt. «Aber ich trage hier nicht nur die sportliche Verantwortung. Ich bin Mitbesitzer dieses Unternehmens und am Ende des Tages ist die wirtschaftliche Stabilität für mich wichtiger als ein Meistertitel.» Vernünftig Wirtschaften und Triumphieren – das geht offensichtlich nicht. Ja, 2006 und 2012 musste Servette gar in die Playouts und die Playoff-Qualifikation fürs nächste Frühjahr ist bei weitem nicht garantiert.

In einer neuen Arena wäre es mit ziemlicher Sicherheit möglich, diese zusätzlichen zwei Millionen zu erwirtschaften. Deshalb hat für Chris McSorley der Bau einer neuen Arena höchste Priorität. Aber diese Pläne sind so alt, als wären sie noch von Johannes Calvin (1509 bis 1564) gezeichnet worden. Immer und immer und immer wieder wird dieses Projekt verschoben.

Die Servette-Fans scheinen sich in der alten Halle wohl zu fühlen.
Die Servette-Fans scheinen sich in der alten Halle wohl zu fühlen.
Bild: KEYSTONE

Frage deshalb an Chris McSorley: Was wird eher sein, die Rückkehr von Jesus Christus oder die Eröffnung der neuen Hockey-Arena in Genf? Er ist zuversichtlich, dass vor dem Ende der Welt in Genf in einer neuen Arena Hockey gespielt wird. Er macht ein ernstes Gesicht und lässt keinen Zweifel aufkommen, dass er gleich etwas ungeheuer Wichtiges erzählen wird. Und tatsächlich. Er flüstert beinahe: «Bis Ende Jahr fällt die Entscheidung.» Er habe die Investoren gefunden, die bereit sind, 200 Millionen in den Bau eines gewaltigen Sportkomplexes zu investieren. «Nun geht es um die definitiven Zusagen.» Er sei zuversichtlich. «Lausanne erhält ein neues Stadion. Das hat die Leute hier aufgeschreckt.»

Und was, wenn die neue Arena dann doch nicht kommt? Gehen dann die Lichter aus? Chris McSorley hütet sich, im Falle eines Scheiterns seines kühnen Neubau-Projektes den Untergang des Hockeys in Genf auszurufen und so quasi Investoren, Politiker und Publikum zu erpressen. Das Leben soll ja auch ohne neue Arena weitergehen. «Wir erfüllen die Standards nicht mehr, die von der Liga gefordert werden. Wenn wir kein neues Stadion erhalten, dann braucht es eben umfangreiche Sanierungen in unserer alten Arena.»

Nicht ohne Timtschenko

Chris McSorley hat aus Servette das beste Sportunternehmen des Welschlandes gemacht und dominiert das welsche Eishockey seit dem Wiederaufstieg von 2002. Ja, Servette ist nach den Montréal Canadiens das erfolgreichste Hockeyunternehmen der frankophonen Welt und nach wie vor besser als Lausanne. Der charismatische Kanadier spricht kein französisch und ist doch der Liebling der Stadt geworden. Vielleicht weil er sich nicht um das kümmert, was geredet, geschrieben und gesendet wird – er versteht es gar nicht.

Chris McSorley hofft, dass das neue Stadion bald steht.
Chris McSorley hofft, dass das neue Stadion bald steht.
Bild: KEYSTONE

Der strahlende, charismatische Optimist hat sein Servette durch und durch nordamerikanisch als Unternehmen der Unterhaltungsindustrie strukturiert, in der Stadt und in der Umgebung vernetzt und eine erfolgreiche Nachwuchsorganisation aufgebaut. Ein Mann auf einer Mission, stärker noch als Marc Lüthi in Bern, der auch Mitbesitzer des Klubs ist. Und das kam so.

Chris McSorley erzählt: «Die Anschutz-Gruppe ist 2001 in Genf eingestiegen, hat mich als Trainer verpflichtet und die Rückkehr in die NLA ermöglicht. Aber jedes Jahr gab es gut vier Millionen Verlust. Als sich dann abzeichnete, dass es nicht möglich ist, hier ein Stadion zu bauen, zog sich Anschutz zurück. Das Management war fair zu mir. Sie haben mir im September 2005 gesagt: Ende Saison geben wir den Standort Genf auf. Du kannst den Klub übernehmen.» Und was ist dann passiert? «Ich bin nach Haus gegangen und habe meiner Frau gesagt: Ich übernehme Servette. Entweder ist es der dümmste oder der smarteste Entscheid, den ich je in meinem Leben gefällt habe.» Es sei der smarteste Entscheid gewesen.

Es ist nicht nur die Tüchtigkeit von ChrisMcSorley, die das Überleben von Servette möglich macht. Gewiss, er hat aus einem Hockeyklub, der vor 14 Jahren in der NLB vor etwas mehr als 1000 Fans auftrat, den populärsten Sportklub der Stadt gemacht, der regelmässig die Arena füllt. Aber der Kanadier hat auch seinen Sponsor. Gennadi Timtschenko. Der umtriebige russisch-finnische Doppelbürger ist Aufsichtsratsvorsitzender der KHL, Präsident von St. Petersburg und Mitbesitzer von Jokerit Helsinki.

Gennadi Timtschenko stopft die finanziellen Löcher bei Servette. 
Gennadi Timtschenko stopft die finanziellen Löcher bei Servette. 
Bild: SERGEI KARPUKHIN/REUTERS

Der Milliardär übernimmt bei der Finanzierung des Betriebsdefizites in Genf die Rolle, die Walter Frey in Zürich, Vicky Mantegazza in Lugano und Bill Gallacher in Kloten spielen. Inzwischen gibt es allerdings Gerüchte, dass er aussteigen könnte. Die dementiert Chris McSorley. «Da ist nichts dran. Es gibt keinerlei Probleme.» Und er ergänzt: «Jeden Morgen wenn ich aufstehe, denke ich daran, wie glücklich in bin, hier zu sein.» Glücklich mit oder ohne neue Arena, mit oder ohne Meistertitel. Aber nicht ohne Gennadi Timtschenko.

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