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Der SCB hat in seiner Meistersaison 2016/17 bei knapp 60 Millionen Umsatz einen Reingewinn von 5017 Franken erzielt. Einmal mehr ist die Kombination von sportlichem und wirtschaftlichem Erfolg gelungen – wie beim FC Basel oder wie bei Bayern München. Mit einem grossen Unterschied: Die grossen Fussballunternehmen machen nur Gewinn, weil sie in europäischen Wettbewerben Millionen verdienen.
Im Eishockey gibt es diese Möglichkeit nicht. Deshalb ist es fast unmöglich, erfolgreich zu sein und schwarze Zahlen zu schreiben. Der SCB ist Europas wirtschaftlich erfolgreichstes, erstaunlichstes Unternehmen.
Schon am Anfang steht ein Deal. 1998 ist der SCB mit mehr als 10 Millionen Franken Schulden in die Nachlassstundung geraten. Einer der Gläubiger ist die Marketingagentur IMS, die uns später wieder begegnen wird. Einer der Besitzer heisst Marc Lüthi. Der Deal: Marc Lüthi bekommt den SCB-Managerjob und die Schulden in sechsstelliger Höhe werden erlassen.
Es ist wahrscheinlich der beste Deal unserer Hockey-Geschichte. Im ersten Jahr unter Marc Lüthi schreibt der SCB noch rote Zahlen. Seither nicht mehr. Seit 17 Jahren schreibt der SCB nun schwarze Zahlen. Marc Lüthi hat den SCB vom Sportclub mit knapp zehn Millionen Umsatz zu einem Sport-Konzern mit fast 60 Millionen Umsatz ausgebaut.
Und der Mann mit KV-Lehre und ohne Wirtschaftsstudium hat das Kunststück vollbracht, wirtschaftlichen mit sportlichem Erfolg zu kombinieren – die Berner haben mit ihm als Manager 2004, 2010, 2013, 2016 und 2017 die Meisterschaft gewonnen. Der SCB hat gute Chancen, in der neuen Saison zum dritten Mal in Serie Meister zu werden.
Wie ist das möglich? Der als Holding strukturierte SCB-Konzern, der soeben zum 17. Mal in Serie einen Gewinn vermeldet hat, wird wie eine Monarchie geführt. Marc Lüthi hat als Mitbesitzer und Delegierter des Verwaltungsrates das letzte Wort. Was ihm durch die «Weltwoche» den Titel «König von Bern» eingetragen hat. Eine Bezeichnung, die in seiner Gegenwart nicht ausgesprochen werden sollte. So gewandt er sich in der Öffentlichkeit auch bewegt – diese Form von Personenkult mag er ganz und gar nicht.
König Marc Lüthi regiert mit einem Hofstaat, geprägt von zwei alten Weggefährten: Rolf Bachmann und Erwin Gross. Beide sind Wegbegleiter Lüthis seit dem Einstieg beim SC Bern im Jahr 1998 und dem König in Nibelungentreue verbunden.
Rolf Bachmann ist Lüthis Stabschef, Organisator für alles rund um den Sport: Gastronomie, Spielbetrieb et cetera. Erwin Gross hatte mit Marc Lüthi einst die Vermarktungsfirma IMS Marketing mit Sitz in Köniz gegründet. Nach dem Einstieg beim SCB verkaufte Lüthi seine Anteile an Gross, und seither hat die IMS einen grossen, lukrativen, mit einem langfristigen Kontrakt in alle Ewigkeiten gesicherten Auftrag: den Verkauf der SCB-Werbung. Gross ist eine Schlüsselfigur: Der begnadete Verkäufer und Netzwerker kann alle Dissonanzen wegcharmieren und kompensiert damit des Königs Hang zu Grantigkeit.
Diese Konzentration von Freunden bestimmt das Tagesgeschäft beim SCB. «Wir sind keine Freunde», sagte Lüthi einmal. «Wir arbeiten zusammen, privat gibt es kaum Kontakte. Keiner hat je meine Wohnung gesehen.» Eben doch: König Marc Lüthi. König Louis XV. gewährte seinen Ministern auch keinen Zutritt zu seinen Gemächern. Dort empfing er nur Madame de Pompadour.
Ein Blick zurück hilft uns, diese Eishockey-Geldmaschine zu verstehen. Der SC Bern war 1998 am Ende. Zehn Millionen Franken Schulden drücken. Zusammen mit dem Anwalt Philipp Landtwing orchestrierte Lüthi eine Nachlassstundung des Vereins und die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft. Anschliessend gelang es ihm, Reto Hartmann, den Manager der Valora AG, damals noch Herrin über fast alle Kioske der Schweiz, zum Einstieg ins Sportbusiness zu überreden.
Hartmanns Valora AG schoss eine Million Franken Aktienkapital in die neue SCB AG ein, wurde dadurch faktisch Besitzerin des SCB und gewährte darüber hinaus als Starthilfe einen Kredit in der Höhe von einer weiteren Million Franken. Inzwischen hat die Valora AG ihre SCB-Anteile an eine kleine Investorengruppe verkauft, zu der auch Marc Lüthi gehört. Heimlich still und leise ist er so einer der Besitzer der Hockey-Firma geworden, die er so erfolgreich managt.
Weil Marc Lüthi inzwischen uneingeschränkte Autorität geniesst, spielt es keine Rolle, wer unter ihm SCB-Präsident ist. Nach zehn Jahren übergibt Walter Born sein Präsidentenamt an Beat Brechbühl. Der 48-jährige neue SCB-Boss arbeitet als Rechtsanwalt bei der Anwaltskanzlei Kellerhals Carrard. Der frühere FDP-Politiker ist bereits Verwaltungsratspräsident der Flughafen Bern AG sowie der AVAG, der AG für Abfallverwertung.
Er ist zudem Lehrbeauftragter an der Uni Bern. Aber eben: Das müssen wir eigentlich gar nicht wissen. Der SCB-Präsident hat heute zwar juristisch das oberste Amt im Unternehmen, in der Praxis hat er nur eine dekorative Rolle wie der Blumenschmuck vor den Berner Bauernhäusern.
Der SCB hat 1999/2000 zum letzten Mal rote Zahlen geschrieben. Seither hat der SCB-Konzern 17 Mal hintereinander Gewinn erwirtschaftet. Die ganze Nachlassstundung hat Marc Lüthi nachhaltig geprägt. Seither ist beim SCB die oberste Maxime: «Nie mehr einen Franken ausgeben, den wir nicht eingenommen haben.» Der KV-Lehrling mit Nachdiplomstudium in Betriebswirtschaft und Klein-Cousin von Globetrotter-General André Lüthi, erkannte als Erster, dass ein Sportunternehmen über alle Werbeflächen und Verpflegungsmöglichkeiten im Stadion verfügen muss.
Mit der Sanierung der Postfinance-Arena erreichte er dieses Ziel: Er ist heute alleiniger Hausherr im Tempel, bezahlt dafür aber eine Miete (Infrastrukturkosten) von 4,5 Millionen Franken pro Saison.
Doch selbst mit den Einnahmen aus Eintritten, Werbung, Bier, Fondue und Wurst ist es nicht möglich, eine NLA-Spitzenmannschaft mit einem Budget von mehr 15 Millionen Franken zu finanzieren. Also suchte Lüthi unablässig nach Geschäftszweigen, die unabhängig vom sportlichen Erfolg Gewinne abwerfen und innerhalb der SCB-Holding die Quersubventionierung der Hockeymannschaft ermöglichen.
Er konzentrierte sich bald auf die Gastronomie. Inzwischen führt der SCB ausserhalb des Stadions in und um Bern herum 18 Beizen. Mit der Gastronomie setzt die SCB-Holding inzwischen mehr um als mit dem reinen Spielbetrieb. Lüthi sagt: «Wir stecken jeden Franken, den wir verdienen, ins Eishockeygeschäft.»
So bleibt der Gewinn über die Jahre im etwa gleichen Rahmen und die Steuerbelastung gering. Anders gesagt: Je mehr der SCB mit der Gastronomie verdient, desto mehr kann er in die Sportabteilung investieren. Heute verdient der SCB mit der Gastronomie so viel Geld, dass er sich Stars leisten und Offerten aus Lugano oder Zürich kontern kann – wenn er will. Der SCB publiziert keine Zahlen zu den Investitionen in die erste Mannschaft. Sie dürften zwischen 15 und 20 Millionen Franken liegen und so hoch sein wie in Zürich und Lugano, wo Mäzen Jahr für Jahr den Fehlbetrag in der Jahresrechnung aus eigener Tasche ausgleichen.
Der Erfolg in der Gastronomie in den Zeiten des grossen «Beizensterbens» ist erstaunlich. Marc Lüthi erklärt es so: «Mit den Restaurants alleine machen wir keine grossen Gewinne. Aber wir verpflichten jeden Lieferanten, etwas nach seinen Möglichkeiten für den SCB zu tun. Ein kleiner Lieferant kauft ein Saisonabi, aber wer für Millionen liefern darf, macht ein entsprechendes Sponsoring. Der Umsatz den wir über die Gastronomie erzielen ist inzwischen grösser als der Umsatz der Sportabteilung. Aber alles Geld, das wir verdienen, investieren wir ins Eishockey. Damit wir mit Zürich, Lugano oder Zug mithalten können. Ich sagte 1998, wenn wir mit dem SCB einmal 25 Millionen Umsatz machen, dann sind wir sehr gut. Inzwischen machen wir bald 60 Millionen Umsatz.»
Er sagt auch, wie Gastronomie funktionieren kann. «Gut rechnen, ein guter Gastgeber sein und hohe Qualität beim Service und beim Angebot. Der Gast, der den Service als unfreundlich oder die Qualität als mangelhaft taxiert, kommt nicht mehr.»
Der SCB bewegt inzwischen mehr Menschen als jeder andere Hockeyclub ausserhalb Amerikas. Es wäre inzwischen wohl möglich, einen Mäzen zu finden. Doch das will Marc Lüthi nicht. «Wir wollen keinen Mäzen. Als wir 1998 in die Nachlassstundung mussten, hätten wir gerne einen Mäzen gehabt. Wir mussten uns selber helfen und nun sind wir mit unserem Konzept sehr glücklich. Wir müssen keinem unberechenbaren Geldgeber Rechenschaft ablegen. Wir müssen unsere Kunden zufriedenstellen und uns im freien Markt bewähren. Warum haben wir seinerzeit Larry Huras entlassen? Weil wir feststellten, das pro Spiel im Schnitt 5000 Inhaber von Saisonabonnenten nicht mehr ins Stadion kamen. Ein unhaltbarer Zustand, wir müssen ja im nächsten Jahr wieder Saisonabis verkaufen. Unsere Zuschauer sind unsere Kunden und waren mit unserem Produkt, mit dem Eishockey, das wir unter Larry Huras spielten, nicht mehr zufrieden. Also mussten wir handeln.»
In kein anderes Hockeystadion ausserhalb der nordamerikanischen NHL kommen so viele Zuschauer wie in den Berner Eishockey-Tempel: Diese Saison kamen durchschnittlich 16'566 Fans pro Spiel (97 Prozent Stadionauslastung). Europarekord. Zum zehnten Mal in Serie ist die 16'000er-Marke übertroffen worden. Das wird auch in der neuen Saison so sein. So früh wie nie musste bereits Mitte August der Saisonkartenverkauf gestoppt werden. Die Marke von 13'000 war erreicht.
Wie ist das möglich? Marc Lüthi erklärt: «Als ich 1998 beim SCB angefangen haben, hatten wir im Schnitt 9600 Zuschauer pro Spiel. Letzte Saison waren es 16'400. 9600 sind gottgegeben, die kommen immer. Den Rest haben wir uns erarbeitet. Wir tun sehr viel, damit unsere Spiele zum Begegnungsort werden und wir investieren viel in den Zuschauer-Nachwuchs. Seit 18 Jahren gibt es bei uns für alle bis zum 16. Altersjahr ein Kinder-Saisonabonnement für 100 Franken. Wenn von 100 am Ende zwei oder drei Stammkunden werden, die vielleicht sogar in der VIP-Loge landen, dann hat sich die Investition schon bei weitem bezahlt gemacht.»
Inzwischen wird im Tempel auf Showelemente verzichtet und wieder vermehrt auf Hockey gesetzt. Marc Lüthi sagt: «In diesem Bereich haben wir tatsächlich etwas zurückgefahren und «Amerikanismus» wie die Cheerleaderinnen wieder abgeschafft. Zu viel Show ist nicht mehr zeitgemäss. Unsere Zuschauer wollen in allererster Linie gutes Eishockey sehen und sich gut verpflegen können. Das Eishockey muss immer im Mittelpunkt stehen. Wir zelebrieren Hockey.»
Wer den SCB erfolgreich führt, gehört in der Stadt zur Prominenz. Marc Lüthi, der Stadtberner, der in Wanzwil, Herzogenbuchsee und Luzern aufgewachsen ist, könnte also durchaus in die Politik einsteigen. Doch er meidet ein politisches Bekenntnis nach links oder rechts wie der Teufel das geweihte Wasser.
«Ein Sportunternehmen darf nie politisch sein. Wir haben einmal Simon Schenk für den Nationalratswahlkampf unsere Adresskartei zur Verfügung gestellt. Weil wir der Meinung waren, dass es fürs Eishockey gut ist, einen Vertreter im Parlament zu haben. Die Reaktionen waren so heftig und negativ, dass wir uns seither aus der Politik heraushalten.»
Und so sind alle Versuche gescheitert, den SCB-Manager für eine Kandidatur in den Stadtberner Gemeinderat zu überreden. Ist ja eigentlich logisch: Ein König wird ja nicht gewählt.