Die Bieler sind für ihren ersten Auftritt im Viertelfinal gegen den SC Bern gerühmt worden. Der Titan hat sich gegen den Aussenseiter erst in der Verlängerung durchgesetzt (2:1). Die Meinungen in einem Satz zusammengefasst: Ein Spiel, das Biel Mut macht. Ein grosses, ein tapferes, ein mutiges Biel.
Aber ganz so ist es nicht. Die Bieler haben vielmehr durch eine brave Vorstellung eine grosse Chance auf eine Sensation vergeben. Sie passten sich freundlich der Gangart an, die der Favorit vorgab und machten es einem übermotivierten SCB leicht. Viel leichter als es das knappe Resultat vermuten liesse.
Wenn sich die Bieler weiterhin dem SCB anpassen, sind sie chancenlos. Sie haben nur Aussicht auf eine Überraschung, wenn sie aggressiver, böser, intensiver zur Sache gehen.
Diese Einschätzung kommt nicht von einem Chronisten auf der Suche nach Polemik in einer Viertelfinalserie, die standesgemäss begonnen hat und auch so zu verlaufen droht. Sie stammt von einem Mann, der es wissen muss. Von Biels Sportchef Martin Steinegger. Mit mehr als 1500 Strafminuten einer der «bösesten» unserer neueren Hockeygeschichte und charismatischer Vorkämpfer und Verteidigungsminister der meisterlichen «Big Bad Bears», im SCB-Meisterteam von 1997 und 2004. Er kennt die Wirkung des Bösen.
Martin Steinegger sagt: «Wir waren im ersten Spiel in Bern zu brav. Wir haben unseren Auftritt am Montagvormittag intern thematisiert.» Heisst das also, dass es nun in der zweiten Partie in Biel gewaltig rumpeln wird? «Nein, das heisst es nicht. Es ist nicht so, dass wir zu weich sind. Unsere Spieler ertragen Härte. Sie lassen sich nicht einschüchtern und nicht entmutigen.» Aber diese «passive Form» der Härte, des Einsteckens reiche nicht. «Wir waren nicht in der Lage, die Gangart zu bestimmen. Das müssen wir ändern und in den Zweikämpfen intensiver zur Sache gehen.»
Wenn alles in geordneten Bahnen läuft wie im ersten Spiel, dann wird Biel sang- und klanglos ausscheiden. Nur wenn es gelingt, den Favoriten vom richtigen Weg abzubringen, wenn die Dinge ein bisschen aus dem Ruder laufen, wenn nicht mehr Talent alleine der entscheidende Faktor ist, hat der Aussenseiter eine Chance.
Welche Wirkung gezielte Provokationen haben können, zeigte sich eindrücklich am Sonntag bei Langenthals NLB-Halbfinal-Spektakelsieg gegen Ajoie. Die Oberaargauer lagen scheinbar hoffnungslos 2:5 zurück. Dann gelang es ihnen kurz vor der zweiten Pause, Ajoies Lenker und Denker Philip-Michaël Devos den Nerv zu ziehen. Als der Kanadier nach 14 Strafminuten wieder aufs Eis zurückkehrte, hatte Langenthal auf 5:6 aufgeholt und gewann schliesslich 7:6 nach Verlängerung.
Beim SC Bern hat Mark Arcobello ähnlich viel Einfluss aufs Spiel wie Philip-Michaël Devos bei Ajoie. Aber wer kann gegen den SC Bern einschüchternd auftreten und richtig «böse» sein? Marco Maurer, der «Timo Helbling des armen Mannes», wäre dazu sicherlich in der Lage. Aber Martin Steinegger gibt zu bedenken: «Er spielt unheimlich gut und ist so wertvoll für uns, dass wir ihn nicht als Provokateur einsetzen können.» Marco Maurer, Biels «bösester» Spieler während der Qualifikation (79 Strafminuten), musste in der ersten Partie in Bern die Strafbank noch nicht aufsuchen.
In Zeiten der strikten Regelauslegung und aufmerksamen Refs ist es riskant, das Feuer der Emotionen zu entfachten. Nur zu leicht kann es dem Aggressor ergehen wie Goethes Zauberlehrling, der die Geister nicht mehr unter Kontrolle brachte, die er gerufen hatte. Oder wie es einst Aristoteles, einer der einflussreichsten Philosophen der Geschichte formuliert hat: «Jedermann kann zornig sein. Das geht leicht. Aber der richtigen Person gegenüber zornig werden, im richtigen Mass, zur rechten Zeit, zum rechten Zweck und auf die richtige Weise – das ist die grosse Kunst.»
Brav bleiben, sich anpassen oder doch kontrolliert ausrasten und provozieren? Das ist die grosse Frage, auf die Biel eine Antwort finden muss. Es ist eine der entscheidenden Fragen in dieser Serie. Der Chronist votiert für Provokationen. Er braucht ja Stoff für Stories.