Die Szenen sollen sich während des 65. FIFA-Kongresses im Mai in Zürich abgespielt haben. Laut Sepp Blatter sprach damals Platini den 80-jährigen Bruder von Blatter, Peter, an. «Er sagte: ‹Richte Sepp aus, dass er sich vor der Wahl zurückziehen muss, sonst kommt er ins Gefängnis.›» Blatters Bruder soll darauf – nach Auskunft eines Augenzeugen, der anonym bleiben wolle – in Tränen ausgebrochen sein, schreibt die Volkskrant.
Platini intimidated #FIFA president's family, in an attempt to get him to resign, says Blatter http://t.co/EJqpqQzFEY pic.twitter.com/nqwcWj7XAG
— De Volkskrant (@volkskrant) 15. August 2015
Zwei Tage vor den Wahlen waren auf Ansuchen der amerikanischen Behörden sieben hochrangige FIFA-Funktionäre im Zürcher Hotel verhaftet worden. Wenig später wurde Blatter trotzdem zum vierten Mal als FIFA-Präsident wiedergewählt. Sein einziger Herausforderer war der jordanische Prinz Ali Bin Al-Hussein, der von Platini und der UEFA unterstützt worden war.
Platini will diese happigen Anschuldigungen nicht kommentieren, schreibt die «Volkskrant» weiter. Eine Quelle aus seinem Umfeld weist die Vorwürfe jedoch zurück: «Diese falsche Geschichte ist der bisher letzte Versuch von Zürich, die Welt von den wahren Problemen abzulenken, mit denen die FIFA konfrontiert ist. Der UEFA-Präsident wird sich nicht dazu herablassen, auf diese lächerlichen Bezichtigungen zu reagieren. Michel Platini ist derzeit – zusammen mit den vielen nationalen Verbänden, die ihn unterstützen – mit der Vorbereitung eines Programms beschäftigt, das das Image und die Reputation der FIFA wiederherstellen kann. Und vor allem die Entwicklung des Fussballs in der ganzen Welt.» Der Franzose hat gute Chancen, Blatter zu beerben, wenn am 26. Februar 2016 der neue FIFA-Präsident gewählt wird.
Was genau hinter den Kulissen der denkwürdigen Wahl am 29. Mai in Zürich passiert ist, bleibt schleierhaft. Platini hat laut eigenen Aussagen Blatter vor der FIFA-Wahl im Mai zu einem Rücktritt gebeten – unter Tränen: «Ich habe Sepp in die Augen geschaut und gesagt: Tritt zurück! Hör auf!» Doch Blatter, 79, habe abgelehnt mit den Worten: «Es tut mir leid, ich kann nicht. Nicht jetzt, zu Beginn dieses Kongresses. Es ist zu spät.» Dies sagte Platini auf einer Pressekonferenz in Zürich im Mai kurz vor dem FIFA-Kongress, nachdem die FIFA-Funktionäre verhaftet wurden.
Vier Tage nach dem FIFA-Kongress und seiner Wahl in Zürich kündigte dann Blatter doch unerwartet an, dass er sein Mandat beim Weltfussballverband gedenke niederzulegen. Er dementiert im Interview, dass dieser Beschluss durch den Einschüchterungsversuch von Platini beeinflusst wurde. Blatter sagte laut «Volkskrant», er habe dies allein getan, um seine Familie und die FIFA gegen «die Angriffe» zu beschützen.
In seinem letzten Halbjahr bei der FIFA reist Blatter kaum mehr umher. Grund dafür sind die Ermittlungen der US-Behörden. «Das System ist nun einmal so, dass man verhört werden kann, wenn man in einem Land ist, in dem Amerika Einfluss hat. Vor ein paar Wochen haben die Amerikaner einen Schweizer Bankier in Italien verhaftet. Vierundzwanzig Stunden später war er in Miami. Darum gehe ich nirgendwo hin.» (dhr/kub)