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«Nachtmerrie» für Holland – nicht einmal mehr die Deutschen sticheln

epaselect epa05870870 Arjen Robben of the Netherlands reacts after the FIFA World Cup 2018 qualifying soccer match between Bulgaria and the Netherlands in Sofia, Bulgaria, 25 March 2017. Bulgaria won  ...
Oranje erlebt in Bulgarien ein blaues Wunder.Bild: VASSIL DONEV/EPA/KEYSTONE

«Nachtmerrie» für Holland – wenn nicht einmal mehr die Deutschen sticheln

Zum zweiten Mal in Serie droht die holländische Fussball-Nationalmannschaft ein grosses Turnier zu verpassen. Das 0:2 in Bulgarien hat die «Elftal» in die grösste Krise seit 2002 gestürzt. Sogar dem Erzrivalen ist das Lachen vergangen.
27.03.2017, 13:4428.03.2017, 01:02
Philipp Reich
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Was war das für ein Gaudi, als Holland im Herbst 2015 die Qualifikation zur EM 2016 in Frankreich verpasste. Oranje wurde vom ewigen Erzrivalen Deutschland mit Hohn und Spott nur so überschüttet. «Ohne Holland fahr'n wir zur EM», titelte die «Bild-Zeitung, über «liegende Holländer» freute sich die «Süddeutsche» und «Focus» sprach in Anlehnung an den Käse, den die Holländer in der Quali spielten vom «Super-GAUda!»

Fies! 2016 verkaufte Karstadt das DFB-Tirkot den Holländern zum Freundschaftspreis.
Fies! 2016 verkaufte Karstadt das DFB-Tirkot den Holländern zum Freundschaftspreis.bild: twitter

Eineinhalb Jahre später liegen die Holländer schon wieder am Boden. Nach dem 0:2 gegen Bulgarien droht die «Elftal» auch die WM 2018 in Russland zu verpassen. Doch statt Hohn und Spott gibt's nun plötzlich Mitleid. «Fahr'n wir ohne Holland zur WM? Fehlen unsere Nachbarn wie bei der WM 2002 und der EM 2016», fragt die «Bild» besorgt und fordert: «Holland braucht einen Neuanfang.» Der letzte Hoffnungsschimmer sei, als Zweiter wenigstens noch die Playoffs zu erreichen.

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bild: screenshot bild

In Holland sind die Reaktionen auf die zweite Niederlage im fünften Quali-Spiel nicht ganz so wohlwollend. Vom «Debakel von Sofia» spricht das «Algemeen Dagblad», eine «Parodie von Fussball» hat «De Volkskrant» gesehen.

Dass ihre Vorstellung blamabel war, wissen auch die Spieler. «En Nachtmerrie!», ein Albtraum, war es für Arjen Robben. «Ich bin nahezu sprachlos. Wir waren nicht gut genug für Bulgarien. Das ist einfach peinlich. Es ging so vieles schief. Die erste Halbzeit haben wir auf erbärmlichen Niveau gespielt.»

Die Holländer erlebten in Sofia tatsächlich ihr ihr blaues Wunder. Nach 21 Minuten lag das Team von Bondscoach Danny Blind 0:2 zurück. Der erst 17-jährige Verteidiger Matthijs de Ligt – Hollands jüngster Debütant seit 86 Jahren – hatte sich zweimal von Bulgariens Sturmspitze Spas Delev übertölpeln lassen.

5. Minute: De Ligt verschätzt sich, Delev erzielt das 1:0.Video: streamable
21. Minute: De Ligt lässt Delev gewähren, dieser trifft zum 2:0.Video: streamable

In der Pause wurde der Jungspund dann ausgewechselt, doch der Auftritt von Oranje blieb mausgrau und uninspiriert. Trotz 70 Prozent Ballbesitz, trotz 10:6 Torschüssen und trotz 633:130 Pässen brachten die Holländer kein Tor und kaum eine gute Tormöglichkeit zu Stande.

Nach der Hälfte der Qualifikation liegt der dreifache Vize-Weltmeister in der Gruppe A nur auf Rang 4. Der Rückstand auf Leader Frankreich beträgt sechs Punkte, drei Zähler liegt man hinter Schweden, das den Barrage-Platz belegt. In der Weltrangliste liegt Holland nur noch auf Rang 21, hinter Peru, Costa Rica und Ägypten.

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Noch ist nicht alles verloren, doch der Zustand der Mannschaft ist alarmierend. Trainer Blind, der gestern einen Tag nach der Niederlage entlassen wurde, bemängelte nach dem 0:2 in Bulgarien mal wieder die fehlende Qualität im Kader. Ein Blick aufs Kader zeigt: Die Zeit, als die «Elftal» mit Stars gespickt war, sind vorbei. Arjen Robben und Wesley Sneijder sind die einzig verbliebenen Weltstars im Team – doch auch sie sind schon in die Jahre gekommen. Der Niedergang des Klubfussballs wirkt sich nun auch auf das Nationalteam aus. Grosse Talente kommen kaum mehr nach und wechseln dann meist zu früh ins Ausland, wo sie sich bei den Topklubs nur selten durchsetzen können.

Fährt Holland noch an die WM 2018 in Russland?

Das aktuelle Team besteht vor allem aus Spielern, die in der heimischen Eredivisie oder bei kleineren Klubs der fünf grossen Ligen beschäftigt sind. Zuletzt versuchte Blind um seinen Sohn Daley (Manchester United), Georginio Wijnaldum (Liverpool) und Memphis Depay (Lyon) einen neuen Stamm aufzubauen – ohne Erfolg. Wijnaldum wurde in Bulgarien schon zur Pause durch Wesley Sneijder ersetzt, Depay kam erst gar nicht zum Zug.

Der ehemalige Nationalspieler Pierre van Hooijdonk glaubt, das Problem erkannt zu haben: «Die Mannschaft ist sehr jung und nicht selbstbewusst. Da haben sie einen Trainer wie Louis van Gaal nötig, der autoritär mit den Spielern umgeht und ihnen klare Befehle gibt. Mit kommunikativen Trainern wie Guus Hiddink und Danny Blind kommen sie nicht zurecht.»

Wer wird neuer Bondscoach?

Doch ob «Tulpen-General» van Gaal der richtige ist? Die «Elftal» bräuchte vielmehr einen Trainer, der den jungen Spielern neue Motivation und ein passendes System einimpfen könnte. Die weiteren Kandidaten sind ebenfalls alte Bekannte aus den eigenen Reihen: Frank de Boer und Ronald Koeman. De Boer war zuletzt bei Inter Mailand nach nur drei Monaten entlassen worden, Koeman hat bereits abgesagt.

Netherlands coach Louis van Gaal reacts during his team's 2014 World Cup semi-finals against Argentina at the Corinthians arena in Sao Paulo July 9, 2014. REUTERS/Sergio Moraes (BRAZIL - Tags: SO ...
Louis van Gaal war schon zweimal Bondscoach – folgt eine dritte Amtszeit?Bild: SERGIO MORAES/REUTERS

Im Testspiel morgen gegen Italien sitzt erstmals der bisherige Assistent Fred Grim auf der Bank. Vielleicht wären die Holländer aber gut beraten, zum ersten Mal seit 1978 wieder auf einen ausländischen Trainer zu setzen – wie wär's mit Jürgen Klinsmann oder Laurent Blanc? 

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1 Kommentar
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Die beliebtesten Kommentare
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welefant
27.03.2017 17:45registriert März 2015
Für die holländer tut's mir leid - für robben nicht wirklich ;)
201
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Was du schon immer sehen wolltest: Ein Gespräch zwischen Eismeister Zaugg und Marc Lüthi

In der Playoff-Zeit, da widmet sich selbst das öffentlich-rechtliche Fernsehen in der Schweiz wieder dem Eishockey. Zumindest teilweise. Live-Spiele gibt es beim SRF keine mehr zu sehen, echte Zusammenfassungen auch nicht. Aber gestern hat «10 vor 10» dafür watson-Eismeister Klaus Zaugg porträtiert.

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