Fragt man den Normalo-Fussball-Fan nach Klubs aus der Türkei, so fallen mehrheitlich die Namen der drei grossen Vereine aus Istanbul – Besiktas, Fenerbahce und Galatasaray. Seit 1985 (!) wurde mit einer Ausnahme (Bursaspor 2010) immer einer aus diesem Trio am Ende der Saison Meister.
Schaut man aber momentan auf die Tabelle in der Süper Lig, so thront über den drei Schwergewichten ein doch eher unbekannter Name aus Istanbul: Medipol Basaksehir. Was eher nach Apotheke als nach Fussballklub klingt, sorgt aktuell im türkischen Fussball für Furore. Tatsächlich kommt der Begriff von der Krankenhaus-Kette «Medipol», die seit Sommer 2015 dem Verein für vier Jahre den Namen gibt.
Noch so ein Klub aus der türkischen Metropole, welcher die gealterten Stars zusammenkauft und versucht die fussballverrückten Türken zu begeistern? Nein. Das Kader von Medipol Basaksehir ist in etwa so bekannt, wie Rainer Bieli ausserhalb der Schweiz. Oder sagen dir die Namen Ugur Ucar, Cheikhou Dieng oder Mehmet Batdal etwas?
.@Besiktas karşısında ilk 11'imiz belli oldu. 🔶🔷 #ibfk pic.twitter.com/YQ7zVWqKMF
— İstanbul Başakşehir (@ibfk2014) 26. November 2016
Kein Problem, sie gehören ja auch nicht zu den absoluten Stars des Teams. Diese heissen Volkan Babacan, Emre Belözoglu und Edin Visca. Babacan ist ein türkischer Torhüter, der immerhin 25 Länderspiele vorweisen kann, Emre trug 91-mal das Nationaltrikot und Visca ist bosnischer Mittelfeldspieler mit 29 Einsätzen für sein Land auf dem Konto. Zusammen haben die drei einen Markwert von knapp 17 Millionen Franken. Edin Visca ist bereits seit 2011 im Team und hat somit den kontinuierlichen Aufstieg des Klubs miterlebt.
Vor zwei Jahren stieg Medipol Basaksehir wieder in die höchste Liga in der Türkei auf, erstmals war dies 2007 der Fall. Sofort spielte man oben mit. Beide bisherigen Saisons schloss das Team von Trainer Abdullah Avci auf dem vierten Rang ab. Der sportliche Erfolg verleitete die Klubführung aber nicht dazu, eine grosse Einkaufstour zu starten. Im Sommer hat man gerade mal 1.2 Millionen Franken in Neuzugänge investiert – das ist im heutigen Fussballgeschäft ein Hauch von Nichts.
Nun läuft es in der dritten Spielzeit gar noch besser und Basaksehir führt die Tabelle ungeschlagen an. Gegen Fenerbahce zu Beginn der Saison gab es ein Sieg und zuletzt am Wochenende gegen Besiktas holte man ein Unentschieden.
Mit einer geschlossenen Mannschaft kämpft man gegen die «Grossen», die mit Stars wie Robin van Persie (Fenerbahce), Ricardo Quaresma (Besiktas), Wesley Sneider oder Lukas Podolski (beide Galatasaray) auflaufen.
Aber da ist noch mehr, wie Gökhan Yagmur, Area-Manager von Transfermarkt.com in der Türkei, weiss.
Ein wichtiges Puzzleteil für den Erfolg sei auch der erfahrene Trainer, Abdullah Avci (53), der von November 2011 bis August 2013 auch Chef der türkischen Nationalmannschaft war:
Für Avci ist es bereits das zweite Engagement bei Basaksehir. Bereits von Sommer 2006 bis Winter 2011 trainierte er den Klub aus Istanbul.
Die Geschichte des Klubs reicht nicht weit zurück. 1990 wurde der Verein unter dem Namen Istanbul Büyükşehir Belediyespor gegründet. Ursprünglich war der Klub als Betriebsmannschaft der Istanbuler Stadtverwaltung gedacht, doch im Jahr 2014 wurde der Fussballverein ein unabhängiges Unternehmen. Nach dem Abstieg aus der höchsten Liga im Jahr 2013 realisierte Basaksehir den direkten Wiederaufstieg.
Vorerst bleibt man noch im Schatten der grossen Drei in Instanbul. Das merkt man schnell, wenn man sich die Zuschauerzahlen anschaut. Trotz sportlichem Erfolg finden sich in dieser Saison bisher nur durchschnittlich 2500 Besucher im 2014 neubezogenen Stadion, das nach dem türkischen Nationaltrainer Fatih Terim benannt ist. Platz hätte es in der Arena für über 17'000 Zuschauer. Zum Vergleich: Besiktas, Fenerbahce oder Galatasaray haben regelmässig über 20'000 Fans in ihren Stadien.
Etwas mehr Aufmerksamkeit fehlt sicher auch deshalb, weil das Team die Qualifikation für die Gruppenphase der Europa League nicht gepackt hat. Die Mannschaft scheiterte mit zwei Niederlagen in den Playoffs an Schachtar Donezk. Die ganz grosse Bühne wäre vielleicht auch noch etwas zu viel gewesen. So können jetzt alle Kräfte in die heimische Liga gesteckt werden, nach den bisherigen Spielen darf sich Medipol Basaksehir getrost Meisterkandidat nennen.