Der FC Winterthur träumt von der ganz grossen Cup-Sensation: Vom Einzug in den Final. Doch dem Letzten der Challenge League steht ausgerechnet der happigste Brocken im Weg, den es gibt: Meister Basel (Mittwoch, 18.45 Uhr, im watson-Liveticker).
Viel weiss man ausserhalb der Stadt, hinter der Stadtzürcher das Ende der Schweiz vermuten, nicht über den FCW. Doch sobald der Klub im Cup für Aufsehen sorgt, wie mit der Halbfinal-Qualifikation in diesem Jahr oder 2012 (schon damals war der FCB Endstation), erscheinen auch in nationalen Medien Berichte über ihn. Und dabei gilt: Keine Story über den FC Winterthur kommt ohne die folgenden sieben Begriffe aus.
Winti hat das Image, ein etwas anderer Fussballklub zu sein. Der sich für sozial Schwächere einsetzt, für die Integration, gegen Rassismus und Homophobie. Man schätzt hier die Fussballromantik und man mag die Auswüchse des modernen Spiels noch weniger als anderswo. Vieles verbindet den FCW mit dem FC St.Pauli. Der Kiezklub aus Hamburg, der für ähnliche Werte steht, war auch schon für Testspiele zu Besuch.
Hier schlägt das Herz des Stadions. In der Ecke beim Totomat – die Resultattafeln werden bei einem Tor noch von Hand ausgewechselt – stehen die lautesten und leidenschaftlichsten Fans des FCW. Aber sie stehen nicht nur da, sie feuern die Mannschaft an und trinken Bier.
Die Bierkurve ist auch Heimat von Erichs Wurststation – einem Verpflegungsstand, der dem langjährigen Goalie Erich Hürzeler gewidmet wurde. Oder vom Salon Erika, wo auf kleinem Raum Kunst ausgestellt wird. Oder von der Shot Bar, wo die Einnahmen der hochprozentigen Getränke für einen guten Zweck gespendet werden. Nach dem Abpfiff zieht die Bierkurve um: In die Libero-Bar bei der Haupttribüne, wo während der dritten Halbzeit oft Konzerte stattfinden.
Die ersten Mitglieder dürften mittlerweile einige Meter weiter links in der Bierkurve stehen ... denn die vor über zehn Jahren gegründete Sirupkurve ist der Fanklub für die Kleinen in Winterthur. Eine Tribüne ist exklusiv für Kinder reserviert.
Seit der Hardturm in Zürich niedergerissen wurde, und weil im Letzigrund eine Leichtathletik-Bahn nervt, frohlocken sie in Winterthur und ziehen die Nachbarn aus der grossen Stadt gerne damit auf, über das einzige richtige Fussballstadion im Kanton zu verfügen. Die Schützenwiese ist dabei der Gegenpol zu den vielen Neubauten im Land und eine Erinnerung daran, wie der Fussball früher war.
Die Nachwuchsarbeit in Winterthur ist Spitze. Die Schweizer Nationalspieler Admir Mehmedi, Remo Freuler, Luca Zuffi und Pajtim Kasami entstammen der Juniorenabteilung, auch Amir Abrashi, Bundesliga-Goalie Marwin Hitz, Ex-Natistürmer Innocent Emeghara oder Manuel Akanji verdienten sich in Winterthur ihre Sporen ab. Zuffi und Akanji werden mit dem FC Basel also an vertrauter Stätte auflaufen – genau wie Davide Callà, der dritte Winterthurer beim Schweizer Serienmeister.
Das Sulzer-Hochhaus ist das markanteste Bauwerk Winterthurs. Knapp hundert Meter hoch, mitten in der Stadt gelegen und unmittelbar neben dem Fussballstadion.
«Im Schatten des Sulzer-Hochhauses» kann aber auch symbolisch verstanden werden, denn die grossen Unternehmen Winterthurs sind sehr zurückhaltend dabei, den Klub zu unterstützen. Dennoch will sich der FCW mit einem Budget von rund 4 Millionen Franken treu bleiben und nicht mit jedem Sponsor arbeiten, der sich anbietet. Der FC Wil mit seinen türkischen Ex-Investoren dient dabei als mahnendes Beispiel.
Der Geschäftsführer ist das Gesicht des FCW gegen aussen. Ende der 90er-Jahre rief der Journalist und passionierte Musiker mit Freunden die Bierkurve ins Leben, 2002 gründete er mit einem Kollegen die Libero-Bar. «Und so rutschte ich in den Vorstand», beschrieb es Mösli einst in der WoZ. Seither ist er die treibende Kraft, die den am Boden liegenden FC Winterthur in der Stadt wieder zu einem Gesprächsthema machte.