Was Altersmilde ist, weiss José Mourinho nicht. Den Beweis dafür hat er am Samstag erbracht. Als er nach dem Spiel in Stoke (2:2) dem gegnerischen Manager den üblichen Handshake verweigerte und dann ein BBC-Interview wegen einer «dummen Frage» abbrach. Pünktlich zum Start der neuen Champions-League-Saison ist der Trainer von Manchester United zu alter Form aufgelaufen.
Was aber war geschehen? Nicht viel, um nicht zu sagen: nichts. Doch wenn einer wie Mourinho es im Blut hat, für Ärger zu sorgen, dann schafft er es auch. Dreist hatte er sich mitten im Spiel in die Coaching-Zone seines Antipoden Mark Hughes geschlichen, um von diesem dann sanft, aber bestimmt, hinauskomplimentiert zu werden.
Eine Majestätsbeleidigung für Mourinho, der nach Spielende 20 Stoke-Protagonisten demonstrativ die Hand schüttelte, jene von Hughes aber nicht. Und danach den Fernsehreporter einfach stehen liess, als dieser wissen wollte, warum er mit Hughes Zoff habe. «Dumme Frage.»
Auch mit 54 Jahren ist er noch immer der Flegel, der er schon immer war. Der einst als Trainer des FC Porto seinem Spieler Vitor Baia das Trikot aus der Hand nahm und es zerriss, nachdem dieser es mit einem Akteur von Rivale Sporting getauscht hatte. Der den schwedischen Schiedsrichter Frisk verbal so fertigmachte, dass dieser entnervt zurücktrat. Der Barcelonas Assistenztrainer Vilanova einen Finger ins Auge bohrte.
Der die Physiotherapeutin Caneiro entliess, weil sie zu schnell auf den Rasen gelaufen war, um Eden Hazard zu pflegen. Der sich bei Real Madrid nicht nur mit dem Sportdirektor, sondern auch mit den Nachwuchstrainern, den Ärzten und dem Koch zerstritt. Der in seiner zweiten Chelsea-Ära die gesamte Mannschaft gegen sich aufbrachte. Der unfähig ist, einen Gegner für gute Leistungen zu loben. Und der in Spanien ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung am Hals hat.
«Es gefällt mir, wenn alle Gewehre gegen mich gerichtet sind», hat Mourinho einmal gesagt. Würde jemand alle seine Eskapaden, Affronts und Eklats zusammentragen, er könnte einen dicken Wälzer auf den Markt bringen. Unvergesslich: Als sich Mourinho 2004 bei Chelsea vorstellte, sagte er: «I’m a special one.» Und damit recht hatte. Denn der Mann aus Setubal ist der grösste Exzentriker, Egomane und Provokateur, den die Trainerwelt je gesehen hat. Ein Grössenwahnsinniger, der sagte: «In Porto gab es Gott, und nach Gott kam ich.»
Es gibt gewiss genug Gründe, um Mourinho unsympathisch zu finden. Oder sich über ihn zu ärgern, weil er einen Weltmeister wie Bastian Schweinsteiger so respektlos abserviert und einen Weltklassespieler wie Kevin de Bruyne so fürchterlich verkannt hatte. Das schliesst indes nicht aus, in Mourinho gleichwohl einen grandiosen Trainer zu sehen. Mit 33 Titeln, erobert in Portugal, England, Italien und Spanien, zählt er zu den absolut Besten seines Fachs. Sein Palmarès ist voller Rekorde, nur ganz wenige Trainer haben wie er mit zwei verschiedenen Klubs (Porto, Inter Mailand) die Champions League gewonnen.
Es ist gut möglich, dass die Glazer-Family als Besitzer der Geldmaschine Manchester United mit dem Autokraten Mourinho genau jenen Mann gefunden und engagiert hat, der die Red Devils bald wieder in altem Glanz erstrahlen lässt. Klublegende Alex Ferguson, der die United fast 27 Jahre lang trainierte und 13 Mal Meister wurde, sagte in kleinem Kreis:
Womit geklärt wäre, weshalb die Altersmilde bei Mourinho auf sich warten lässt. Dass der kleine FC Basel vom «Special One» aber keine Geschenke erwarten kann, ist ohnehin klar. Denn dieser hat mit Rot-Blau noch eine gesalzene Rechnung offen. Mit Chelsea verlor er 2013 in der Königsklasse gegen den FCB gleich beide Partien.