«Antonio Conte: Ein vormaliger Chorknabe hat Chelsea in einen echten Titelkandidaten verwandelt», lautete gestern der Titel in der Online-Ausgabe der «Sun». Das Revolverblatt zeichnet das Bild eines sehr gläubigen Trainers und legt auch noch ein wunderschönes Foto bei, das den heute 47-jährigen als jungen Vorzeige-Katholiken zeigt.
Es trifft zwar zu, dass Conte stark gläubig ist und dass das Gebet zu seiner Matchvorbereitung gehört, aber sein Erfolg bei Chelsea ist alles andere als eine göttliche Fügung – es ist pure Akribie und das Produkt seiner aussergewöhnlichen Trainerfähigkeit.
Der 1,78 grosse Italiener hat den Stadtklub aus dem Westen Londons im Sommer als Juve-Meistertrainer und angesehener Verantwotlicher für die italienische Nationalmannschaft übernommen. Kein einfacher Zeitpunkt, denn der Verein hat eine äusserst schwache Saison hinter sich, in der José Mourinho im Dezember gefeuert wurde und auch dessen temporärer Nachfolger Guus Hiddink nicht überzeugte.
Past and present Premier League managers painted as war commanders - https://t.co/7JR4Mqe8Zd
— Squawka Football (@Squawka) 11. November 2016
Captain Conte. pic.twitter.com/WVuU0HpGMA
Der neue Manager wurde mit Vorschusslorbeeren bedacht und startete nicht schlecht. Nach zwei empfindlichen Meisterschaftsniederlagen in Serie, gegen Liverpool (1:2) und Arsenal (0:3), stand er bereits auf Messers Schneide. Und Conte fiel – nur nicht auf die Seite, die die meisten vermuteten.
Nach der Schlappe gegen Stadtrivale Arsenal machte sich Conte sehr viele Gedanken, die sich offensichtlich gelohnt haben: In der Premier League folgten Siege gegen Hull (2:0), Leicester (3:0), Manchester United (4:0), Southampton (2:0), Everton (5:0) und Middlesbrough (1:0). Chelsea ist also seit fast zehn Stunden ohne Gegentor.
Der Schlüssel zum Erfolg ist nicht «Catenaccio», der berüchtigte italienische Defensivfussball, sondern eine geschickte Abwandlung davon. Conte lässt neu ein 3-4-3-System spielen, das perfekt auf seine Spieler zugeschnitten ist. «Ich muss ehrlich sein, am Anfang war meine Idee, mit zwei Stürmern und zwei Flügeln zu spielen. Aber wir haben die richtige Balance nicht gefunden. Ich habe ein 4-3-3 versucht, mit mehr Gewicht auf dem Mittelfeld. Dann habe ich zum 3-4-3 gewechselt», erklärte er nach dem Sieg gegen Middlesbrough dieses Wochenende.
Seine Beweggründe schildert er so: «Wenn du an dem Punkt angelangt bist, an dem du jedes Wochenende Chancen zulässt, dann musst du etwas ändern. Zudem sehe ich, dass die Spieler diesen Fussball und dieses System mögen. Jeder hat darin seine Qualität.»
Jeder? Ja und nein. Für die Stammspieler gilt das auf jeden Fall. Conte hat zuletzt fünfmal in Serie auf dieselbe Startformation gesetzt, ein Novum bei Chelsea.
5 - Chelsea have named the same starting XI for five consecutive league games for the first time ever in the Premier League. Constant. pic.twitter.com/fH9zuBGvDn
— OptaJoe (@OptaJoe) 20. November 2016
Während die Ersatzspieler momentan den Zonk gezogen haben, kommt beispielsweise Eden Hazard nach einer für seine Verhältnisse katastrophalen letzten Saison wieder richtig in Fahrt. Er geniesst seine freie Rolle hinter, respektive neben der bulligen Sturmspitze Diego Costa.
Diese Finessen sind es, die das System vom klassischen Catenaccio abheben. Chelsea spielt mit viel Qualität nach vorne. Aber in der Defensive ist Conte natürlich unerbittlich. Pausenlos tigert der Italiener während dem Spiel in seiner Coachingzone umher und predigt seinen Jüngern Spielern unablässig, was sie zu tun haben. Die Kompaktheit in der Rückwärtsbewegung ist ihm heilig – und das scheinen die «Blues» definitiv begriffen zu haben.
Als nächstes warten auf Chelsea allerdings zwei Knacknüsse: Tottenham (h, 26.11.) und Manchester City (a, 3.12.). Werden diese ebenfalls gemeistert, dann darf man Chelsea mit Recht zum ersten Titelanwärter erheben. Conte selbst ist zuversichtlich: «Wir haben eine grosse physische Stärke, mit der wir durch die Weihnachtszeit kommen sollten.»