Kürzlich sprach ein Walliser Bub Peter Zeidler an. «Sie müssen für immer Trainer des FC Sion bleiben», sagte der Dreikäsehoch. Zeidler lächelte und fragte ihn warum. Die Antwort des Jungen kam wie aus der Pistole geschossen. «Weil Sie immer gewinnen.»
Eine nette Geschichte: Schauen wir mal, was der Bub zu sagen hat, wenn ihm Zeidler das nächste Mal über den Weg laufen wird. Eines ist seit dem 3:4 des FC Sion bei den Berner Young Boys klar: Zeidler ist nicht unbesiegbar.
Drei Monate nach seinem Amtsantritt bei den Wallisern musste der 54-jährige deutsche Übungsleiter erstmals die bittere Pille einer Niederlage schlucken. Nach elf Spielen in der Meisterschaft und im Cup mit neun Siegen und zwei Unentschieden verlor der FC Sion unter der Führung Zeidlers also erstmals.
Und Zeidler? Er scheint nicht nur ein guter Trainer, sondern auch ein Gentleman zu sein. Statt sich über einen beim Stand von 3:2 für Sion nicht gegebenen Penalty zu ärgern, blieb Zeidler völlig unaufgeregt. «Wir wollen ein fairer Verlierer sein», sagte er. Kein Wort zur Leistung des Aargauer Schiedsrichters Fedayi San? «Nein», fügte Zeidler hinzu. «Der Schiedsrichter ist für mich tabu. Er hat die Partie sehr gut geleitet und nicht beeinflusst.»
Klare Worte, die Zeidler nach Studium der Fernsehbilder wahrscheinlich nicht wiederholen würde. Was ist passiert? Die wohl entscheidende Szene aus Sicht des FC Sion spielte sich in einer verrückten Partie vor 23'188 Zuschauern nach knapp einer Stunde im Strafraum der Berner ab.
YB-Captain Steve von Bergen foulte nahe am Fünfmeter-Raum Sion-Stürmer Moussa Konaté. Statt auf Penalty zu entscheiden, liess Fedayi San die Partie weiterlaufen. Ein klarer Fehlentscheid des Spielleiters, der mit Ausnahme dieses groben Schnitzers eine ausgezeichnete Leistung zeigte. Weil es im Fussball keine Gerechtigkeit gibt, fiel kurze Zeit später nicht das mögliche 4:2 für den FC Sion sondern das 3:3 für YB.
Im Gegensatz zu Trainer Zeidler nahm Christian Constantin kein Blatt vor den Mund. «Dass wir nach diesem sehr guten Auftritt als Verlierer vom Platz gehen müssen, ist einerseits sehr schade, anderseits sehr ärgerlich», sagte der Präsident des FC Sion. «Sehr ärgerlich vor allem deshalb, weil wir wieder einmal gegen YB um den Sieg betrogen wurden. Der Schiedsrichter hat uns einen klaren Penalty verweigert und uns damit den Sieg gestohlen. Hätten wir das 4:2 erzielt, wäre das Spiel höchstwahrscheinlich zu unseren Gunsten entschieden gewesen.»
Christian Constantins Ärger ist verständlich, aber Fehler gehören zum Fussball. «Menschen machen Fehler», sagte Sion-Mittelfeldspieler Veroljub Salatic nach dem Schlusspfiff. «Und Schiedsrichter sind auch Menschen.» Penalty hin, Penalty her; die Walliser müssen sich im Endeffekt selbst an der Nase nehmen. Wer so viele hochkarätige Möglichkeiten vergibt, der sollte sich nicht wundern, wenn er schliesslich mit leeren Händen da steht.
Und eines ist auch klar: Die Young Boys haben den Sieg gegen Sion nicht gestohlen. Natürlich hinterliessen die Berner vier Tage vor dem wegweisenden Europa-League-Spiel bei Olympiakos Piräus einen zwiespältigen Eindruck. Natürlich hatten sie in der wohl entscheidenden Szene nach einer Stunde das nötige Quäntchen Glück auf ihrer Seite.
Aber wer sich gegen eine drohende Niederlage so vehement auflehnt, dank viel Moral und Charakterstärke zweimal einen Rückstand aufholt und mit dem zweifachen Torschützen Guillaume Hoarau den besten Spieler auf dem Platz stellt, der geht im Endeffekt als verdienter Sieger vom Platz.