In der kanadischen Metropole sind die Mitspieler und die Entscheidungsträger ausserhalb des Feldes fasziniert von Dzemaili. «Weltklasse» sei er, schwärmen Teamkollegen und der Trainer Mauro Biello unisono, er habe das Team mit seiner Dynamik verändert. Das Fussball-Magazin «FourFourTwo» verglich die Transfers der letzten Wochen – neben Dzemaili engagierte die Organisation aus Québec weitere Verstärkungen – mit einem «Facelifting».
Der langjährige Serie-A-Profi mit FCZ-Vergangenheit hat den nordamerikanischen Way of Life in jeglicher Beziehung sofort adaptiert. Über eine Mixed-Zone in der Garderobe wundert er sich längst nicht mehr. «Einmal pro Woche besuchen uns die Journalisten in der Garderobe. ‹So what›, das gehört dazu.» Von der in Italien perfektionierten Abschottung hält sein neuer Arbeitgeber wenig. Dzemaili nimmt die mediale Transparenz gelassen. «Hinter allem steckt eine Portion Show. Das ist gut so.»
Dzemaili bereut bislang keine Minute seines Nordamerika-Abenteuers. «Ich bin überaus zufrieden und glücklich mit dem Start. Das Niveau der Liga ist gut. Und meine Familie fühlt sich extrem wohl. Die Stadt bietet alles, was man sich wünscht.» Spannend, interessant, aufregend – die Veränderung nach mehr als achtjährigem Engagement in Südeuropa löste bei Dzemaili einen regelrechten Schub aus.
Als eigentlicher Taktgeber steuert der erfahrene Zürcher das Spiel der kanadischen Franchise auf der gleichen taktischen Position wie im Nationalteam. «Mit der Quote eines Stürmers», schiebt er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur SDA augenzwinkernd nach. «Ich spiele momentan mit einem freien Kopf auf.»
Die Leichtigkeit ist greifbar, aus der puren Entspannung resultierten angenehme Fakten. Seit seiner Ankunft in der Major League Soccer hat Dzemaili mehr als einen Skorerpunkt pro Partie erzielt. Seine Bilanz ist positiv, und Montreal besitzt nach einem komplett missratenen Saisonauftakt inzwischen wieder seriöse Chancen, in den verbleibenden neun Runden bis zum 22. Oktober die Playoffs zu erreichen.
Für den Klubbesitzer Joey Saputo ist der über dreieinhalb Jahre abgeschlossene Deal mit dem 57-fachen Internationalen ein Geschäft mit beschränkten Risiken. Er entlöhnt Dzemaili zwar in der obersten Kategorie, aber als Chef von Bologna hat er den 31-Jährigen kennen und schätzen gelernt. Er weiss: Auf Dzemaili, mit dem er meistens auf Italienisch parliert, ist Verlass.
«Unser Verhältnis ist aussergewöhnlich gut. Er ist ein wichtiger Grund, weshalb ich in Montreal unterschrieben habe», sagt Dzemaili über seinen Boss, der mit seinem Familien-Unternehmen im Milchprodukte-Sektor weltweit Milliarden umsetzt. Gut möglich, dass Dzemaili dereinst für die Zeit nach der Karriere vom Netzwerk Saputos profitieren kann.
Vorerst beschäftigen ihn indes andere Themen. Er will dem erst seit 2012 zur MLS gehörenden Verein den Saisonverlauf erleichtern. Als Entwicklungshelfer sehe er sich keinesfalls. «Es gibt in der Liga wichtigere Spieler mit grösseren Namen. Aber ich bin da, um Montreal zu stabilisieren.»
Als Bonus einer langen, teilweise auch schwierigen, kräftezehrenden Laufbahn empfindet der Schweizer die bislang überzeugende MLS-Performance nicht. «In meinem Alter wird man ja oft abgeschrieben. Ich geniesse es deshalb umso mehr, weiterhin Topleistungen bringen zu können.»
Das persönliche Hoch wertet Dzemaili als Entschädigung für seine jahrelange Auseinandersetzung mit dem Sport, für funktionierende Details und Sonderschichten im Alltag. «Zum einen trage ich Sorge zu meinem Körper, andererseits gehe ich in jedem Training ans Limit. Diese Prinzipien zahlen sich aus.»
Dzemaili ernährt sich nicht erst seit der umfassenden GPS-Big-Data-Auswertung und präziseren Überwachung der Spieler gesund. Der Mittelfeldspieler wirkt immer schon nahezu perfekt austrainiert. Kein Gramm Fett, eine definierte Muskulatur, nicht zu schwer, beweglich, kurzum: ein Modellathlet. (ram/sda)