Eine spannende Meisterschaft mit der Entscheidung am letzten Spieltag. Dies gab es zuletzt vor sechs Jahren zu erleben, als Admir Mehmedi und Alexandre Alphonse Zürichs Goalgetter waren und Alex Frei und Marco Streller die sichersten Schützen des FC Basel. Die Basler überquerten die Ziellinie einen Punkt vor den Zürchern. Es war die zweite Saison des noch andauernden Monologs der Basler, die seither jeden Meistertitel schon vor der Schlussrunde feiern konnten, nicht selten deutlich vorher.
Soll sich an den klaren Verhältnissen etwas ändern, müssen sich nach den Erwartungen in erster Linie die Young Boys ins Zeug legen. Die Hoffnungen waren in Bern nie seit den Zeiten von Seydou Doumbia und Vladimir Petkovic so gross wie diesmal. Die Berner haben in der ersten Transferperiode nach eigenem Bekunden alle ihre Pläne und Ziele umgesetzt. Vor seiner ersten ganzen Saison als Sportchef hat Christoph Spycher offenbar ausgezeichnet gearbeitet.
Die Berner sind auch zuversichtlich, dass sie nach Marco Wölfli und dem weggezogenen Yvon Mvogo auf einen weiteren starken Goalie vertrauen können. Der junge David von Ballmoos aus der Emmentaler Hornussergemeinde Heimiswil war in zwei Saisons beim FC Winterthur einmal der beste und einmal der zweitbeste Torhüter der Challenge League. Für YB könnte es auch wichtig sein, dass Goalgetter Guillaume Hoarau im Unterschied zur letzten Saison ohne Verletzung durchspielen kann.
Trotz des Optimismus behalten die Berner den Respekt vor dem FCB. Trainer Adi Hütter sagte dieser Tage vor den Medien: «Solange es den FC Basel gibt, sollte man nicht zu grosse Töne spucken. Wir konzentrieren uns nur darauf, dass wir einiges besser machen müssen als in der letzten Saison. Ich glaube, dass uns Bescheidenheit und Demut guttun.»
Double-Gewinner Basel kann sich Abgänge wie die der treffsicheren Stürmer Seydou Doumbia und Marc Janko leisten, ohne in Verlegenheit zu geraten. Der Internationale Renato Steffen und der 28-jährige Niederländer Ricky van Wolfswinkel, den man als Königstransfer bezeichnen könnte, dürften den FCB auch für die Aufgaben in der Champions League stark machen. Sie haben Matias Delgado im Rücken, der seit seiner Rückkehr 2013 höchstens noch besser geworden ist – trotz seiner mittlerweile 34 Jahre. In seiner ersten Saison als Trainer in der obersten Liga vermisst Raphael Wicky im ohnehin breiten Kader keinen Bestandteil einer schlagkräftigen Mannschaft.
Wer kann YB auf der Jagd nach dem Serienmeister begleiten? Der FC Luzern nach der derzeitigen Einschätzung eher nicht. Trainer Markus Babbel dürfte alle Mühe haben, die Schlüsselspieler Nicolas Haas, Markus Neumayr und Marco Schneuwly nicht ins Gewicht fallen zu lassen. Bei Sion ist der Aderlass noch grösser. Bewährte Kräfte wie Veroljub Salatic, Reto Ziegler, Pa Modou und Chadrac Akolo sind gegangen. Es fragt sich, ob der in die Jahre kommende Marco Schneuwly und der begabte Verteidiger Eray Cümart, den Besitzer Basel früher oder später zurückbeordern dürfte, die Lücken ausreichend stopfen.
Dafür haben die Walliser für den verwaisten Trainerposten ein rechtes Kaliber verpflichtet. Zum Ärger von Luganos Präsidenten Angelo Renzetti hat sich Paolo Tramezzani aus dem laufenden Vertrag gestohlen. Der Italiener hatte Lugano im Frühling vom Abstiegsanwärter in einen Europa-League-Teilnehmer verwandelt. Sollte Tramezzani gar der erste Sittener Trainer nach Didier Tholot (2009/10) werden, den Christian Constantin nicht unter der Saison entlässt?
Lugano seinerseits, neu von Pierluigi Tami befehligt, gehört nicht nur wegen der Abgänge der Stürmer Ezgjan Alioski und Armando Sadiku zu den Verlierern der Zwischensaison. Es wäre eine satte Überraschung, wenn den Tessinern noch einmal eine so gute Saison wie die letzte gelingen würde.
Vor der Saison kommen mehr Teams für den Abstieg in Frage als für den Titel. Am wenigsten Kredit wird (in der Deutschschweiz) allgemein Lausanne gegeben, beinahe traditionell wird auch der FC Thun zu den Abstiegskandidaten gezählt. Für St.Gallen und GC geht es – wie für Luzern, Lugano und Aufsteiger Zürich – in erster Linie darum, mit der Relegation nichts zu tun zu haben. Der Abstiegskampf scheint offener als vergangene Saison zu sein, als Vaduz schon früh die Felle davon schwimmen sah. (ram/sda)