Die Young Boys haben es wieder einmal geschafft. Sie haben ihre letzte Chance auf einen Titel verspielt. Damit feiern die Hauptstädter ein trauriges Jubiläum: 30 Jahre ohne Titel. Besonders bitter ist die Tatsache, dass YB das Spiel locker im Griff hatte und mit einem 2:0-Vorsprung in die Pause ging.
Selbst nach der Aufholjagd des FCW waren die Berner hochüberlegen und hätten das Spiel mehrere Male entscheiden können, ja müssen. Sie haben es bekanntlich verpasst und die Partie anschliessend in der Penalty-Lotterie verloren.
Das ist bitter und passt natürlich perfekt in das vorgefertigte YB-Versagens-Muster. Es regnet Häme, der Begriff «veryoungboysen» erlebt seit gestern Abend wieder eine inflationäre Verwendung. Doch das ist nach solch einer Partie zu billig. «Irgendeinisch fingt ds Glück eim», so sagen sich die YB-Fans schon lange. Das Glück hat gestern nur den FC Winterthur gefunden.
Die Analogie zum biblischen «David gegen Goliath» liegt bei überraschenden Siegen von unterklassigen Mannschaften jeweils nahe. Die gestrige Affiche war mehr als nur das Spiel eines Challenge-Ligisten gegen ein Team aus der Super League.
Die Young Boys sind souveräner Zweiter hinter dem unantastbaren Ligakrösus FC Basel. Sie haben nur eines ihrer letzten 16 Super-League-Spielen verloren. YB ist ohne Diskussion das zweitbeste Team der Schweiz.
Eben weil Basel vorne weg ist, hat es für YB in der Rückrunde eigentlich nur ein grosses Ziel gegeben: den Cupsieg. Das wussten natürlich auch die Verantwortlichen um Trainer Adi Hütter. Dem Spiel gegen Winterthur musste alles untergeordnet werden.
Adi Hütter an der Pressekonferenz nach YB - Winterthur (5:7 n.P.).
— BSC Young Boys (@BSC_YB) 1. März 2017
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Ebendieser FC Winterthur steckt in einer tiefen sportlichen Krise. Einzig weil es beim FC Wil gerade drunter und drüber geht, bleibt «Winti» etwas vom medialen Fokus verschont.
Der FCW hat in der Challenge League in den letzten 13 Spielen nur einen einzigen Sieg geholt. Nun sollte diese Mannschaft YB schlagen. Erschwerend kam gegen die technisch überlegenen Berner dazu, dass die Partie nicht auf der kultigen Winterthurer Schützenwiese, sondern auf dem Kunstrasen im Stade de Suisse stattfand.
Winterthurs Co-Trainer Dario Zuffi sagte noch vor der Partie, dass Winterthur, wenn überhaupt, eine minimale Chance hat, in Bern zu bestehen.
Spätestens das herrliche 2:0 durch Leonardo Bertone nach 39 Minuten hätte die Winterthurer Hoffnungen auf den Coup begraben müssen. Es war eine moralische Glanzleistung von «Winti», mit den beschränkten vorhandenen Mitteln wieder in dieses Spiel zurückzufinden und es innert fünf Minuten auszugleichen.
Nach dem 2:2 war YB zwar wieder drückend überlegen und hat mit Latten- und Pfostenschüssen viel Pech bekundet, doch die Underdogs haben es geschafft, eine Stunde ohne Gegentor durchzuhalten. Ob mit Glück und Kampfgeist oder mit Stilsicherheit ist nach der Partie sowieso nicht mehr wichtig.
Dass YB danach im Penaltyschiessen die Nerven flattern, war zu erwarten. Beeindruckend ist jedoch, dass die Winterthurer Di Gregorio, Cani, Schuler, Sutter und Silvio allesamt verwandelten – auch weil Yvon Mvogo kein Penaltykiller ist.
Und so ist es dann doch das erzwungene Glück für den FC Winterthur, der eines der grössten Spiele der jüngeren Vereinsgeschichte erlebte. Deshalb darf man nicht (nur) von den versagenden Young Boys sprechen. Und wenn, dann immer mit dem Hintergedanken: «Irgendeinisch fingt ds Glück eim.»