377 Tage vor der WM in Russland gewinnt Deutschland den Confed-Cup. Die Bild jubelt in gewohnt grossen Lettern: «Und das Beste kommt erst noch!»
Viele Fans in unserem nördlichen Nachbarland werden momentan ähnlich denken. Aber bevor wir kollektiv in Jubelschreien abheben, hier die sieben wichtigsten Fragen und Antworten:
Deutschland ist Confederations-Cup-Sieger! Jogi Löws B-Team verdrängt den dreimaligen Serienmeister Brasilien von seinem Thron.
Das von Julian Draxler angeführte Team ist eine Mannschaft, die in dieser Form einmalig ist. Bundestrainer Löw hatte eine «Übergangsmannschaft» zusammengestellt. Trotzdem hat das jüngste Team des Turniers (Durchschnittsalter 22 Jahre) genug Talent und Selbstbewusstsein an den Tag gelegt, um den Pokal zu gewinnen.
Hätten die Deutschen das Finale gegen Chile verloren, wäre dies keine Tragödie gewesen. Schliesslich ist es noch immer der Confed Cup, kein extrem wichtiges Turnier. Der Beweis? Es tauchen keine Bilder von einem weinenden Cristiano Ronaldo nach dem Halbfinal-Out auf.
Ja. Dieser Tweet beweist es:
💥 UPDATE FIFA WELTRANGLISTE 💥
— FUMS (@fums_magazin) 2. Juli 2017
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Idee via @glubb_blog_de pic.twitter.com/V9b5jBz5UD
Spass beiseite. Sind die Deutschen also wirklich so gut? Ja. Zumindest im Moment sind sie der klare Favorit auf den WM-Titel. Mit so einem breiten Kader ist sehr viel möglich. Es ist ein wenig wie bei Roger Federer in seinen besten Jahren: Er weiss, dass er gut ist und gewinnt. Und die Gegner wissen es auch. Das DFB-Team – seit jeher nicht bekannt für mangelndes Selbstvertrauen – wird jetzt immer mit diesem psychologischen Vorteil in die Partien gehen. An der Weltspitze, wo oft Nuancen entscheiden, kann dies sehr wichtig sein.
Erstarren die Gegner jetzt in Ehrfurcht? Sollten sie? Wenn nur schon das deutsche B-Team souverän durch den Confed Cup marschiert? Nein. Natürlich haben Italien, Spanien, Brasilien und Argentinien die Vorstellung Deutschlands mitbekommen. Aber um diese Schwergewichte aus der Fassung zu bringen, braucht es mehr.
Bis unter die Haarspitzen motiviert war keines der Teams, ganz grosse Brocken hatten die Deutschen auch nicht zu besiegen. Die Turniermannschaft Deutschland wird zwar wie alle zwei Jahre ein ernstzunehmender Konkurrent um den Titel sein. Dass sie besiegbar sind, dürfte jedoch nicht erst seit der EM-Halbfinalniederlage gegen Frankreich bekannt sein.
Nein. Natürlich erwarten jetzt alle den WM-Titel von Deutschland. Aber das ist für den Weltmeister nichts neues. Praktisch an jedem Turnier wird Deutschland seit Jahrzehnten als Favorit gehandelt. Und wer bei den letzten fünf grossen Endrunden immer mindestens das Halbfinale erreicht, den juckt es nicht, ob jetzt auch noch die letzten Zweifler nach dem Confed-Cup Deutschland die Favoritenrolle zuschieben.
Ob die Spieler am Druck zerbrechen? Nein. Wie sagt man so schön: Druck ist nicht, wenn du eine WM gewinnen kannst. Druck ist, wenn du als alleinerziehende Mutter in Indien drei Kinder über die Runden bringen musst.
Von den neuen jungen Wilden werden zwei bis vier zum WM-Kader stossen. Wer den Zuschlag erhält, steht noch in den Sternen. Verdient hätten es viele, doch den Sprung ins begnadete A-Team wird schwierig, die Plätze sind begrenzt.
Einer mit sehr guten Karten dürfte Timo Werner sein. Der Leipzig-Stürmer verwies die Kollegen Leon Goretzka und Lars Stindl auf die Plätze 2 und 3 und wurde Torschützenkönig – auch wenn es im Finale nicht für ein Tor gereicht hatte. Dass das Team für ihn im Vordergrund steht, zeigte er eindrücklich, als er den Ballverlust von Marcelo Diaz provozierte und anschliessend nicht selbst den Abschluss suchte, sondern Stindl bediente.
Als bester Spieler des Turniers gewählt wurde Spielführer Julian Draxler. Der PSG-Mann ist einer der wenigen, der schon Erfahrungen im A-Team machen durfte und verkörperte seine Rolle als Vorbild dementsprechend. Der Ex-Schalker stellte dann auch klar: «Wir sind keine B-Mannschaft» – jeder Spieler hätte sich seine Nomination erarbeitet.
Julian Draxler was the youngest player to lead Germany into a tournament as captain since 1912.
— Squawka Football (@Squawka) 2. Juli 2017
Golden Ball ✅
Champion ✅
23 years old. 🙌 pic.twitter.com/WhorlqSBn6
Joshua Kimmich, von Löw als Teil des Gerüsts der Mannschaft bezeichnet, machte im Final vor allem durch die Rangelei mit Bayern-Kollege Arturo Vidal auf sich aufmerksam. Doch der 22-Jährige nutzte dieses Turnier um an einer Führungsrolle zu arbeiten.
Bayern Munich players Vidal and Kimmich 😬 pic.twitter.com/GGCReXosrD
— Love Football (@M10_1899) 2. Juli 2017
Löw schwärmt nur in den höchsten Tönen seines Abwehrspielers, so liegt auch der Vergleich mit Philipp Lahm nahe: Beide können sowohl als Rechtsverteidiger als auch im defensiven Mittelfeld spielen, sie verfügen über ein grosses Spielverständnis und den Blick für offene Räume. Kimmich steht sicherlich auf Löws WM-Liste.
Auch weitere Spieler wie Niklas Süle oder Amin Younes oder einer der anderen Kaderspieler hat natürlich Chancen. Jogi Löw sagte an der Pressekonferenz nach dem Triumph in St.Petersburg: «Jeder Spieler, der hier mit dabei war, hat nun eine bessere Position.» Für ihn ist es eine Win-win-Situation.
Zittern werden sie nicht. im ersten Moment gratulierten viele der Stars via Soziale Medien ihrem B-Team. Aber natürlich spüren Mesut Özil, Sami Khedira, Toni Kroos und Co., dass hinter ihnen Neue nachdrängen. Und Thomas Müller weiss: Noch eine Saison wie die letzte und Timo Werner kann seine Form halten, dann ist der Bayern-Profi womöglich nur noch Edeljoker an der WM. Vorerst gratulieren sie ihren Konkurrenten aber herzlich:
Super gemacht, @DFB_Team !! 👍🏼💪 Gratulation zum Sieg beim #ConfedCup2017! Viel Spaß beim Feiern 😀#CHIGER #DieMannschaft #esmuellert #germany
— Thomas Müller (@esmuellert_) 2. Juli 2017
....and there's the next trophy! 🇩🇪🙌🏾🏆 Yesss, congrats boys!!! #ConfedCup #DieMannschaft #proud @dfb_team
— Jerome Boateng (@JB17Official) 2. Juli 2017
Jaaa! #ConfedCup-Sieger 💪🏽⚽ 2. Titel in 3 Tagen für Deutschland! 👌🏽 Ihr habt ein großartiges Turnier gespielt, Jungs! 👏🏽🇩🇪 #CHIGER @dfb_team
— Sami Khedira (@SamiKhedira) 2. Juli 2017
Momentan hängt der Himmel über Fussball-Deutschland voller Geigen. Ein Selbstläufer wird die Titelverteidigung aber natürlich nicht. Sich jetzt in falscher Sicherheit wiegen, wäre fatal. In zwölf Monaten kann vieles geschehen.
Natürlich steht Deutschland aktuell auf der Pole Position. Aber zerfleischt am Ende der Konkurrenzkampf? Müpfen die jungen Spieler auf? Verliert Löw den Fokus? Es gibt Tendenzen, dass es nicht so kommt. Aber diese Fragen werden erst an der WM 2018 beantwortet.