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Nati-Star Granit Xhaka: «Er ist nicht Portugal, aber Portugal ist Ronaldo»

Granit Xhaka, links, und Breel Embolo, rechts, bei der Ankunft vor dem Hotel in Feusisberg (SZ) am Montag, 2. Oktober 2017. (KEYSTONE/Walter Bieri)
Einrücken gestern in Feusisberg: Granit Xhaka (links) und Breel Embolo.Bild: KEYSTONE
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Xhaka: «Ich bin mir nicht so sicher, ob die Portugiesen jeden von uns namentlich kennen»

Die Schweiz benötigt in der entscheidenden Phase der WM-Qualifikation einen Granit Xhaka in bester Verfassung. Der 25-jährige Arsenal-Star macht sich vor dem Duell gegen Portugal auch Gedanken über Cristiano Ronaldo.
03.10.2017, 13:30
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Granit Xhaka, im ersten Quartal nach Ihrem Transfer zum FC Arsenal wurden Sie unter dem medialen Mikroskop begutachtet und teilweise mehrfach hart angegangen. Waren Sie irritiert?
Granit Xhaka:
Mich hat nicht beunruhigt, dass mir die ersten Monate in der Premier League etwas schwerer gefallen sind. In der Schlussphase drehte ich auf, das Team legte zu. Wir verloren in der Meisterschaft kaum mehr ein Spiel und sorgten mit dem FA-Cup-Sieg gegen Chelsea für eine neue Rekordmarke.

«The Guardian» attestierte Ihnen, sich der Challenge zu stellen, nicht zurückzuweichen. Im letzten Frühling war in der Londoner Zeitung in Ihrem Zusammenhang von einem wichtigen Big-Game-Moment zu lesen.
Manchester war lediglich einer von vielen guten Momenten. Die Kritiker und die Fans bekamen noch vor der Sommerpause zu sehen, wer ich wirklich bin und was ich bewegen kann im Mittelfeld.

epa06237820 Arsenal's Granit Xhaka during the English Premier League soccer match between Arsenal vs Brighton & Hove Albion at Emirates, London, Britain, 1st October 2017. EPA/WILL OLIVER EDI ...
Bei Arsenal gehört der Mittelfeldspieler zu den Gesetzten.Bild: EPA/EPA

Sie sind auch in dieser Spielzeit wieder permanent am Ball und lenken das Spiel der Gunners. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie das berühmte Shirt überstreifen?
Aktuell gehöre ich in einem der grössten europäischen Klubs zum Stamm. Davon träumen viele nur. Ich selber hatte als Kind ähnliche Vorstellungen, und nun sitze ich in der Kabine neben den Weltstars. Aber darauf ruhe ich nicht aus, mich interessiert, wie ich noch mehr Fortschritte machen kann. Ich will weiter vorankommen.

Im Sommer geriet der Transfermarkt aus den Fugen. Neymar wechselte für 222 Millionen zu Paris Saint-Germain. Die englischen Klubs investierten 1.4 Milliarden Euro. Ist das exzessive Wachstum gesund?
Wenn ich mir überlege, dass ein Mittelfeldklub wie Everton in diesem Sommer über 200 Millionen ausgeben kann, fehlen mir etwas die Worte – eine krasse Zahl! Schauen Sie sich Man City an, die investierten 300 Millionen. Neymar, Mbappé, Dembélé bewegten unheimlich viel Geld. Wo sind die Grenzen? Ich halte es für möglich, dass in zwei, drei Jahren die absoluten Top-Stars für 400 bis 500 Millionen transferiert werden.

Eine surreale Entwicklung.
Das hat mit Fussball eigentlich nichts mehr zu tun. Kein Spieler, ja kein Mensch auf der ganzen Welt ist so viel Geld wert, keiner!

Wie verändert die Geldflut den Fussball?
Die Klubs stecken alle in der Klemme. Wenn man heute einen Klasse-Spieler verpflichten will, muss man an die finanzielle Schmerzgrenze gehen. Unterhalb der 100-Millionen-Limite ist wohl sehr bald nichts mehr zu machen. Allerdings bezweifle ich, ob dem Fussball so mehr Emotionen und Team-Identifikation zukommen.

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Platz 50: Kaká (BRA), offensives Mittelfeld. Wechselte im Juli 2009 für 67 Millionen Euro von der AC Milan zu Real Madrid.
Quelle: transfermarkt.ch (Stand 12.6.2023)
quelle: ap / philippos christou
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Sie selber kamen vor dem Durchbruch der wirtschaftlichen Schallmauer mit einem stattlichen Preisschild in London an.
Die 45 Millionen für mich haben sich längst relativiert. Ein Beispiel dafür: Für Monacos Thomas Lemar, der bisher nur in Frankreich spielte und gemäss Fachleuten den Nachweis noch nicht erbracht hat, in einer grossen Liga eine wichtige Rolle einnehmen zu können, werden bereits unfassbare Summen geboten.

Die Premier-League-Klubs überrollten die europäischen Gegner bisher. In England ist am meisten Geld zu verdienen. Ihr Umkehrschluss?
Geld ist im Fussball eine Macht. Neymar ging ja kaum wegen der attraktiven Stadt Paris in die Ligue 1. In meinem Ranking steht der FC Barcelona aber vor dem PSG.

In sieben Tagen spielen weder das Geld noch die Klubwahl eine Rolle. So gut wie alles wird sich um Cristiano Ronaldo drehen. Wo ordnen Sie ihn ein? Was löst seine Präsenz generell aus?
Ich bewundere ihn. Er ist ein einzigartiger Spieler. Mit ihm ist Portugal eine komplett andere Mannschaft. Sein Name auf dem Papier mit der Aufstellung vergrössert das Selbstvertrauen der ganzen Mannschaft um fünf Prozent pro Position. Er ist nicht Portugal, aber Portugal ist Ronaldo. Letztlich muss oft er für den Unterschied sorgen. Auf ihm lastet ein gigantischer Druck.

In der Gruppe B fallen die Würfel wohl am letzten Tag. Wie fühlt sich diese Konstellation an?
Egal, ob wir die Ungarn schlagen, gegen sie verlieren, oder unentschieden spielen: Es wird zum Endspiel kommen in Lissabon. So spannend war eine Qualifikation wohl noch nie, von solchen Partien träumt man doch. Was will ein Fussballer mehr, als gegen ein Top-Team wie Portugal mit einem Weltstar in einem wunderbaren Stadion um den direkten WM-Platz kämpfen zu können?

epa06175294 Portugal´s Cristiano Ronaldo celebrates scoring during the FIFA World Cup Group B qualification soccer match between Portugal and Faroe Islands at Bessa Stadium, Porto, Portugal, 31 August ...
Denker, Lenker, Vorbereiter und Torjäger: Ronaldo ist aus Portugals Nationalteam nicht wegzudenken.Bild: EPA/LUSA

Vom Aussenseiter-Bonus profitiert die Schweiz nach ihrem kontinuierlichen Aufstieg innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte kaum mehr.
Ich bin mir nicht so sicher, ob die Portugiesen jeden von uns namentlich kennen.

Sie sagten nach dem Sieg in Lettland, dass die bisherige Kampagne nichts mehr wert sei, wenn die Schweiz das letzte Spiel verlieren würde. Bleiben Sie dabei?
Wenn man acht Runden lang verlustpunktlos ist, gegen Ungarn vielleicht zum neunten Mal in Serie gewinnt und dann doch noch scheitert, ist der Glanz schlagartig weg.

An den letzten Endrunden ist die Schweiz ohne Ausnahme spätestens im Achtelfinal ausgeschieden. Nun spielt Ihr Team die beste Qualifikation der SFV-Geschichte. Wo steht die Mannschaft wirklich?
Die Begegnung in Portugal wird aufzeigen, wie viel Fortschritte wir tatsächlich gemacht haben. Wir müssen dieses Spiel vorbereiten, als würden wir um einen Titel spielen. Setzen wir uns durch, sind wir Helden, wenn wir verlieren, finden sich wohl schnell welche, für die wir die grössten «Bööggen» der Nation sind.

Kritische Beobachter stellen immer wieder die Qualität der Gegner in Frage.
Halt, halt! Schwächere Teams gibt es in jeder Gruppe. Fragen Sie bei Frankreich nach, was im Heimspiel gegen Luxemburg beim 0:0 passiert ist. Bosnien kommt mir in den Sinn, die führten in Zypern 2:0 und verloren 2:3. Wo ist Holland klassiert? Vielleicht wären bessere Gegner hilfreich, weil die Gruppe ausgeglichener wäre und man sich mal ein Unentschieden erlauben dürfte.

In welchen Bereichen wird die WM-Ausscheidung entschieden?
Es geht um mentale Aspekte, es geht darum, wie man innerhalb einer Partie auf neue Herausforderungen reagieren kann, wie man allfällige Rückschläge verkraftet. Spielerisch mache ich mir keine Sorgen. Wir sind gut genug, um gegen Portugal zu bestehen. Fahren wir fort wie bis anhin, bin ich davon überzeugt, dass wir die direkte Qualifikation für die WM schaffen werden.

Was ist für Sie das wichtigste Merkmal dieser Nationalmannschaft?
Die Einheit. Weichen wir davon ab, geht's garantiert schief. Persönliche Showelemente liegen nicht drin, wenn wir ganz oben angreifen wollen. Bei uns gibt es keinen CR7.

Granit Xhaka, rechts, und Ricardo Rodriguez, links, beim Training mit der Schweizer Fussball Nationalmannschaft in Freienbach (SZ) am Montag, 2. Oktober 2017. (KEYSTONE/Walter Bieri)
Xhaka (rechts) und Ricardo Rodriguez im ersten Nati-Training vor den Partien gegen Ungarn und Portugal.Bild: KEYSTONE

Nationaltrainer Vladimir Petkovic ist zu Beginn auf viel Skepsis gestossen – nicht nur ausserhalb der Mannschaft. Inzwischen hat er eine sehr hohe Akzeptanz und seinen Vertrag um eine dritte Amtsperiode verlängert.
Sein Start nach der Hitzfeld-Ära mit zwei Niederlagen war unglücklich. Aber das ist längst Schnee von gestern. Das Team hat sich verändert, er hat seinen Stil verändert. Der Trainer geht mit uns anders um. Er vertraut uns enorm, er räumt uns viele Freiheiten ein. Es wäre ein grosser Fehler gewesen, mit ihm nicht zu verlängern.

Was würden Sie als typischen Petkovic-Input bezeichnen?
Unsere Einheit, der Team-Spirit, ist für ihn ganz wichtig. Ich erinnere mich genau an das erste Training mit ihm. Er hat von der ersten Minute an verlangt, uns in jeder Lage solidarisch zu verhalten. Wenn sich jemand nicht an dieses Prinzip hält, setzt er immer wieder Zeichen – und zwar sofort. (ram/sda)

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13 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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gupa
03.10.2017 13:54registriert Dezember 2014
Gutes Interview! Xhaka ist definitiv gereift.
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Ohniznachtisbett
03.10.2017 14:50registriert August 2016
Xhaka ist ein sehr guter Fussballer, doch das ist nur 50% der Miete. Er ist eben auch ein Vorbild, ein Leader, einer mit einer Winnermentalität, wie es in der Schweiz selten zu sehen ist. Wenn ich mir die Interviews der letzten Zeit mit Ihm anschaue und lese (dieses eingeschlossen), scheint mir er mir auch menschlich weiter gereift. Ich hoffe er macht uns noch lange Freude. Und ein Kritikpunkt natürlich: Bitte stell mal diese dummen Gelb-Fouls im Mittelkreis ab...
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Walti Rüdisüli
03.10.2017 13:47registriert März 2015
Ohne Xhaka geht gar nichts. Hopp Schwiiz!🇨🇭
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Zug in der «Geldfalle» – eine brisante Polemik aus den eigenen Reihen
Ist Zug kein Titelkandidat mehr, weil der Präsident über den Klub sein Prestigeobjekt OYM auf Kosten der Mannschaft mitfinanziert? Den brisanten Vorwurf erhebt der Zuger Rechtsanwalt und ehemalige Hockey-Einzelrichter Reto Steinmann in einer Zeitungs-Kolumne in der «Zuger Zeitung».

Reto Steinmann ist in Zug eine Hockey-Stimme, die respektiert und gehört wird. Von 2004 bis 2016 war Hockey-Einzelrichter und er praktiziert heute als Anwalt und Notar in Zug. Seine Kolumne in der Lokalzeitung ist eine brisante Polemik sozusagen aus den eigenen Reihen. Als ehemaliger Hockey-Journalist für die NZZ vermag er seine Ausführungen sachlich zu formulieren. Was der Kritik noch mehr Gewicht gibt. Seine Kolumne liest sich, um in der Juristensprache zu bleiben, schon fast wie eine Anklageschrift.

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