Normalerweise sind alle Augen auf ihn gerichtet. In Basel. Auf der rechten Seite. Wenn er die Linie rauf und runter rennt. Wenn er als Verteidiger trotzdem mehr als Stürmer wahrgenommen wird. Weil er immer wieder Tore schiesst. Weil er entscheidende Flanken schlägt. Weil er eigentlich längst viel zu gut ist für die Super League.
Michael Lang ist Rechtsverteidiger. Und das ist ein Problem. Zumindest in der Nationalmannschaft. Denn kaum rückt Lang ins Nati-Camp ein, weiss er auch, dass er ins zweite Glied rückt. Weil Stephan Lichtsteiner ebenfalls Rechtsverteidiger ist. Captain überdies. Langjähriger Stammspieler und Titelsammler bei Juventus Turin.
Es ist fast schon bizarr. In Tagen, wo sich die Fussballschweiz fragt, wie sehr die Verletzungs- und Ersatzproblematik die Performance am Samstag im WM-Qualifikationsspiel gegen Lettland beeinträchtigen möge, gibt es gleichzeitig drei Rechtsverteidiger, die so ziemlich in Topform eingerückt sind. Neben Lichtsteiner und Lang auch noch Silvan Widmer.
Wie geht Michael Lang mit dieser Situation um? Erst einmal sagt er: «Es ist ziemlich einfach, die Rolle als Ersatz zu akzeptieren, wenn jener Spieler vor dir steht, der meiner Meinung nach die beste Karriere unseres ganzen Teams gemacht hat.» Nun könnte man diese Haltung als etwas gar devot betrachten. Und sich fragen, ob die innere Welt tatsächlich auch so aussieht. Aber wer Lang am Tisch sitzen sieht und ihm zuhört, mit welchem Feuer in den Augen er von der Nationalmannschaft erzählt, gelangt ziemlich schnell zur Überzeugung, dass er wirklich so tickt.
Um dies zu erklären, reicht ihm ein Satz. Deutsch und deutlich. «Es gibt viele Spieler, die sind ungeduldig. Die wollen so schnell wie möglich spielen. Beginnen plötzlich zu sticheln gegen den Konkurrenten. Aber das bringt doch nichts! Weil man dann häufig im entscheidenden Moment eben doch nicht bereit ist.» Er meint das nicht explizit auf dieses Schweizer Team bezogen. Sondern allgemein im Fussball.
Lang sieht jedes Aufgebot ins Team als Auszeichnung. Und wenn es ihn brauchte, hat er das Vertrauen bis anhin immer mit Leistung zurückbezahlt. «Ich spüre auch im Nationalteam stets, dass ich wichtig bin. Sonst würde mich der Trainer in EM-Spielen gegen Rumänien oder Frankreich in umstrittenen, wichtigen Spielen kaum einwechseln.»
Seine Karriere im rot-weissen Trikot begann mit einem Teileinsatz gegen Brasilien. Sein erstes Spiel über die volle Distanz war in der WM-Qualifikationspartie in Albanien – in jenem Match, in dem die Schweizer die Qualifikation für Brasilien schafften. Lang schoss gleich das entscheidende Tor. Dieses Erlebnis richtig zu fassen, fällt ihm heute noch schwer.
26 Jahre alt ist Michael Lang mittlerweile. Beinahe 20'000 Super-League-Minuten hat er absolviert. «Man darf behaupten, ich habe mich durchgesetzt», sagt er mit einem Lächeln. Und versteht die Debatten darüber, ob nun der richtige Zeitpunkt für einen Ausland-Transfer gekommen sei.
«Wenn ich gehe, dann zu einem Verein, bei dem ich von der ersten Sekunde an denke: ‹Wow!›», sagt er, «ohne noch gross zu verhandeln oder dass ich noch eine Stadionbesichtigung benötigen würde, um mich zu überzeugen» Noch gibt es jedenfalls genügend Ziele, die Lang in Basel reizen. Titel gewinnen. Die Auftritte in der Champions League.
Nach St.Gallen und GC ist der FCB seine dritte Station in der Schweiz. «So richtig Fahrt aufgenommen hat meine Karriere bei GC unter Ciriaco Sforza – das geht häufig vergessen», sagt er. Sforza war es, der Lang zu GC holte. Und den vielen Jungen erste Gehversuche ermöglichte. Später ist aus diesem Team ein echter Herausforderer des FCB geworden.
Im Winter 2015 klopfte der FCB erstmals bei Lang. Kurz zuvor hätte er zur Fiorentina wechseln können. «Das hätte mich gereizt, aber die Zeit wurde zu knapp.» Der Anruf kam einen Tag vor Ende des Transfer-Fensters.
Zurück zum Nationalteam: Nach der Verletzung von Ricardo Rodriguez tut sich plötzlich eine neue Möglichkeit auf. Michael Lang als Linksverteidiger? Die ersten Trainingseindrücke sind überzeugend. So sehr, dass die Zeitungen aus der Romandie besorgt titeln: «Lang statt Moubandje?». Es wäre gewiss nicht falsch.
Ob rechts oder links oder sogar als Innenverteidiger – mit seiner Präsenz, seiner Ausstrahlung, aber auch mit seiner Eloquenz tut Michael Lang dieser Nationalmannschaft sowieso gut. Irgendwann wird auch der Weg in die Stammelf frei. Vielleicht so, wie das bei Torhüter Yann Sommer war. Dann werden auch in der Nationalmannschaft alle Augen auf Michael Lang gerichtet sein.