Sport
Kommentar

Kommentar: Was sind die Reformen bei der FIFA wert?

Letzte Werbung: Gianni Infantino will heute FIFA-Präsident werden.
Letzte Werbung: Gianni Infantino will heute FIFA-Präsident werden.
Bild: EPA/KEYSTONE
Kommentar

Jetzt haben wir also eine neue FIFA – aber was sind diese Reformen wert?

Die FIFA ist reformiert – na und? Entscheidend ist nicht diese Reform. Sondern der neue Präsident. Dessen Wahl steht noch bevor.
26.02.2016, 14:1326.02.2016, 14:35
Folge mir
Mehr «Sport»

» Der FIFA-Kongress im Liveticker

So zügig ist in der ganzen Weltgeschichte noch nie eine Monarchie in eine Demokratie umgewandelt worden. Die Reformen sind bewilligt, die FIFA ist im 21. Jahrhundert angekommen.

Das wurde beschlossen
Amtszeitbeschränkung, Frauenquote, offene Gehälter – mit diesen Reformen will die FIFA auf den rechten Weg zurück.

Die Kulisse lässt die sporthistorischen Umwälzungen nicht erahnen. Unter einer fahlen Wintersonne wirkt das Hallenstadion nicht wie eine Kulisse für grosse Ereignisse. Eher wie eine geduckte Werkhalle. Vor jedem Qualifikationsspiel der ZSC Lions sind Gedränge und Aufregung vor dem Stadion grösser. Das wird auch morgen, wenn der HC Davos im Hallenstadion spielt, wieder so sein.

Der Fremde vermutet keinen Kongress von historischer Bedeutung eines Sportverbandes mit Milliardenumsätzen. Beinahe alles geht seinen gewohnten Gang. Ganze 17 Personen haben sich draussen versammelt, um mit dünner Stimme gegen die anstehende Wahl von Scheich Salman bin Ibrahim al-Khalifa zum neuen FIFA-Präsidenten zu protestieren. Sie prangern dessen politische Rolle im Land an und in den Sprechchören, die von der kalten, sanften Bise verweht werden, ist das Wort «Diktator» herauszuhören.

Das kleine Grüppchen, das vor dem Hallenstadion gegen Scheich Salman protestiert.
Das kleine Grüppchen, das vor dem Hallenstadion gegen Scheich Salman protestiert.
Bild: Getty Images Europe

Der schäbige Umgang mit Sonnenkönig Blatter

Die Demonstranten wirken nicht bedrohlich. Eher wie eine versprengte Gruppe Zugvögel, die den grossen Zug nach Süden verpasst haben. Mehr Resignation als Zorn. Die paar Ordnungshüter wirken leicht amüsiert. Die TV-Teams und Fotografen sind froh um die Abwechslung und ein paar Bilder. Gut geschnitten und bearbeitet, dürften sie durchaus dramatisch wirken. Aufbegehren als Folklore.

Nun hat die FIFA also moderne Strukturen. Die politische und die wirtschaftliche Entscheidungsebene sind getrennt, Amtszeitbeschränkungen wurden eingeführt. Moderne Strukturen halt. Und wie so oft in der richtigen Welt ist diese Reform nicht ganz freiwillig durchgeführt worden. Sondern auf den Druck der US-Justiz. Sonst hätte man gerne weitergemacht wie bisher.

Und wie bei einer richtigen Revolution und bei Reformen gibt es gestürzte Titanen. Der bisherige König Sepp Blatter ist nicht da. 41 Jahre lang hat er der FIFA gedient und es wird ihm nicht gestattet, sich ganz offiziell zu verabschieden. Das mag juristisch korrekt und politisch erwünscht sein. Aber wie man es dreht und wendet – es ist schäbig. Stillos.

Muss aus der Ferne grüssen: Bald-Ex-Präsident Blatter.
Muss aus der Ferne grüssen: Bald-Ex-Präsident Blatter.
Bild: Michael Probst/AP/KEYSTONE

Wie glaubwürdig sind die Reformen?

Eine neue Staatsform, eine neue Organisationsstruktur, garantiert noch keineswegs eine Besserung auf allen Ebenen. Das lehrt uns die Geschichte. Strukturen, Organisationen und Staatsformen werden von Personen gelebt. Die Rebellen, die Reformer von heute, sind oft die Despoten von morgen. Jede Revolution, jede Reform, zieht Leute an, die mit den Ideen der Revolution und der Reformen nicht das Geringste zu tun haben. Das könnte auch bei der FIFA so sein.

Der neutrale Beobachter denkt ganz arglos: Wie glaubwürdig sind Reformen des Welt-Fussballverbandes, wenn ein «Prinz aus dem Morgenland», aus einer der unruhigsten Regionen des Planeten, aus einer Weltgegend, in welcher der Fussball keinerlei Bedeutung hat, der neue grosse Vorsitzende wird? Ein Mann, gegen den draussen im kalten Biswind vor dem Wahllokal (in diesem Falle ist es ein Wahlstadion) ein bedauernswertes Häufchen verlorener Aufrechter jetzt schon protestiert?

Das letzte Interview als Präsident
«Ich hätte immer noch Einfluss: Aber die sollen jetzt selber schauen», sagte Sepp Blatter im letzten Interview vor der Wahl, das du hier findest.

Entscheidend ist nun, wer an die Macht gelangt

Die klug durchdachten FIFA-Reformen sind in trockenen Tüchern. In bemerkenswert kurzer Zeit ist auf dem Papier eine neue FIFA entstanden. Das hat so schnell und so gründlich noch kein anderer Sportverband geschafft.

Aber wie viel diese neue Staatsform des Fussball-Weltverbandes in den nächsten Jahren tatsächlich wert ist, ob sie gelebt wird, das entscheidet sich erst am Nachmittag bei der Wahl des neuen Präsidenten. Und je nachdem wie diese Wahl ausgeht, könnten sich jene, die sich eine neue FIFA mit transparenten Geldflüssen und Entscheidungsprozessen, mit demokratischen Lichtgestalten in den entscheidenden Positionen erhoffen, in der gleichen ohnmächtigen Rolle wiederfinden wie die 17 Demonstranten vor dem Hallenstadion.

Das sind die Kandidaten für die Blatter-Nachfolge 2016

1 / 9
Das sind die Kandidaten für die Blatter-Nachfolge 2016
Gianni Infantino (Schweiz), seit 2009 UEFA-Generalsekretär.
quelle: epa/keystone / jean-christophe bott
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Der Fussball schreibt oft die schönsten Geschichten

Alle Storys anzeigen
Du hast watson gern?
Sag das doch deinen Freunden!
Mit Whatsapp empfehlen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
0 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Zug in der «Geldfalle» – eine brisante Polemik aus den eigenen Reihen
Ist Zug kein Titelkandidat mehr, weil der Präsident über den Klub sein Prestigeobjekt OYM auf Kosten der Mannschaft mitfinanziert? Den brisanten Vorwurf erhebt der Zuger Rechtsanwalt und ehemalige Hockey-Einzelrichter Reto Steinmann in einer Zeitungs-Kolumne in der «Zuger Zeitung».

Reto Steinmann ist in Zug eine Hockey-Stimme, die respektiert und gehört wird. Von 2004 bis 2016 war Hockey-Einzelrichter und er praktiziert heute als Anwalt und Notar in Zug. Seine Kolumne in der Lokalzeitung ist eine brisante Polemik sozusagen aus den eigenen Reihen. Als ehemaliger Hockey-Journalist für die NZZ vermag er seine Ausführungen sachlich zu formulieren. Was der Kritik noch mehr Gewicht gibt. Seine Kolumne liest sich, um in der Juristensprache zu bleiben, schon fast wie eine Anklageschrift.

Zur Story