Im September erlosch meine Liebe zur Champions League. Im Oktober war es dann auch noch um meinen Glauben an den ehrlichen Fussball geschehen.
Ich beschloss, dass ich ab sofort jedes Senioren-Training einem Champions-League-Abend vorziehen werde. Das hätte ich auch gemacht, wäre ich nicht verletzt gewesen.
Jetzt im Februar freute ich mich mehr auf die Ski-WM als auf die ersten K.o.-Duelle der Champions League. Noch mehr hüpfte mein Herz aber, als ich endlich wieder selbst ins Fussballtraining konnte. Dass es mittwochs ist – egal. Dass ich am Dienstag neuerdings einen Französisch-Kurs belege – tant pis.
Was würde ich denn schon verpassen, wenn gleichzeitig diese Champions League in meine Stube flimmern könnte? Das mit dem Flimmern stimmt ja eh nicht mehr. Die Glamourwelt des Glitzerfussball aus den Traumarenen des Planeten kommt heutzutage in Ultra-high-definition ins Wohnzimmer. Neuerdings sogar in 4K. Was immer das auch bedeutet.
Der Franz-Kurs am Dienstag fiel aus. Ich schaute PSG gegen Barcelona. Ich bin kein Fan der Franzosen, weil zu viel Geld aus Katar. Aber wie sie gegen das grosse Barça auftraten – genial. Nichts da von Huub Stevens' legendärem Satz: «Die Null muss stehen und vorne hilft der liebe Gott.» Oder auf Französisch übersetzt: Mit zehn Mann den MSN-Sturm stoppen und vorne trifft vielleicht Cavani.
Nein, da war kein Taktieren und kein Ballgeschiebe, wie es zuletzt leider oft vorkam, sobald es um etwas ging. Es gab nur eine Richtung: nach vorne. Hinten zeigt der 21-jährige Dreikäsehoch Presnel Kimpembe keinen Respekt vor Messi, vorne blasen Draxler, Di Maria und Cavani zum Angriff. Das Resultat: Barcelona erlebt sein Waterloo und taucht mit 0:4. Dass die Katalanen einen Abend zum Vergessen einziehen – tja, kommt halt vor. Da kann der französische Meister auch nichts dafür.
Neben dem PSG gibt es an diesem Dienstag noch einen Sieger: den Fussball.
Dass die PSG-Gala mit viel Geld aus dem fernen Osten finanziert wird, ist an diesem Abend egal. Ich will Unterhaltung, ich erhalte Unterhaltung.
Gestern fällt mein Training aus. Ich muss arbeiten. Doch aus dem «Müssen» wird bald ein «Dürfen». Was Bayern München und Real Madrid zeigen – Weltklasse!
Auch hier: Achtung, fertig, los – und dann läuft ein Angriff nach dem anderen auf das gegnerische Tor. Arsenal und Napoli wirken wie BATE Borrissow und Dinamo Zagreb. Mit dem kleinen Unterschied: Wenn die Giganten in der Gruppenphase so über ihre, auf allen Ebenen unterlegenen, Gegner brausen, ist das oft langweilig.
Aber hier wurden mit Arsenal und Napoli zwei Topteams aus grossen Ligen vorgeführt. Es macht irgendwie mehr Spass, wenn zwei Equipen mit (fast) gleich langen Spiessen so aufeinander los gehen. Dass mein Herz eher für die beiden Verlierer schlägt – an diesem Abend auch verkraftbar.
Mir werden Chancen, Tore, Traumtore und Offensivfussball serviert – darum geht der Fan doch ins Stadion. Darum nimmt der Fussball-Liebhaber Ärger mit dem Partner in Kauf, weil er oder sie den «Bachelor» oder irgendeine Doku über seltene Flussdelfine oder herzige Otten schauen will. Darum ist die Jagd von 22 Männern um den einen Ball der grösste Sport der Welt. Wenn die Champions League jedes mal so verzückt, dann können die Herren von der UEFA den Spieltag von mir aus noch mehr verstückeln.
Ach, Fussball, wie konnte ich dich nur so verschmähen!?
Aber sei auch gewarnt, mein lieber Fussball. Du hast mir deine Reize wieder gezeigt, verdeutlicht, warum ich mich schon als Kind in dich verliebte. Verstecke sie nicht zu oft, sonst könnte ich auf meine Meinung vom September und Oktober zurückkommen.
PS: Madame professeur, si vous lisez ceci (oder braucht's da den conditionel und sagt man das überhaupt so?), je ne peux pas venir le mardi prochain. Je dois regarder le foot. Und Trainer, wenn du das hier liest, kann am Mittwoch nicht ins Senioren-Training kommen. Muss Fussball gucken.