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Man muss sich Fussball-Funktionäre als alte, einsame Männer vorstellen. Um sie herum verändert sich die Welt in einem Tempo, dass ihnen Angst und Bange werden kann. Menschen, die sie gestern noch auf Kutschenwagen zur Arbeit fahren sahen, sausen heute auf Segways und Hoverboards an ihnen vorbei. Menschen, die eben noch verloren in Telefonzellen standen, navigieren sich heute per Virtual-Reality-Brille durch die Strassen.
Nur dieser verdammte Fussball ist noch so, wie er einst war, zumindest was die groben Koordinaten betrifft: 90 Minuten, 22 Spieler, zwei Tore. Es gibt nationale Ligen, Welt- und Europameisterschaften. Dazu noch internationale Pokalwettbewerbe. Und das war’s im Grunde schon.
Kein Wunder, dass es in regelmässigen Abständen aus den Funktionären herausbricht: Lasst uns den Fussball verändern, rufen sie, alles neu, alles anders. Und dann parlieren sie in Interviews oder auf Pressekonferenzen über ihre vermeintlichen Innovationen, schliesslich wollen sie als Visionäre in die Geschichte des Fussballs eingehen.
Sepp Blatter plädierte mal für grössere Tore oder eine Hotpants-Pflicht bei Fussballerinnen. Karl-Heinz Rummenigge träumt seit Jahren von Setzlisten und exklusiven Superligen. Und Michel Platini wünschte sich einst eine EM mit Wildcards für Teams ausserhalb Europas, damit auch Brasilien oder Argentinien teilnehmen könnten.
Kurzum: Ideen aus dem Fifa-Elfenbeinturm klingen oft wie Teile eines Simpsons-Drehbuchs. Da darf ein erwachsenes Kind sein Traumauto bauen, und nach ein paar Wochen präsentiert es einen Wagen mit Heckflossen, Riesenspoiler und drei Hupen, die «La Cucaracha» spielen.
Gianni Infantino, seit Februar Fifa-Chef, mag dieses Heckflossen-Riesenspoiler-Drehbuch ebenso gern wie seine Vorgänger. Seit einiger Zeit wirbt er jedenfalls für ein Turnier mit 40 Teams. Nun hat er seine Idee leicht modifiziert: eine WM mit 48 statt wie bisher 32 Teilnehmern.
Konkret sieht Infantinos Plan so aus: Die besten 16 Mannschaften der WM-Qualifikation sind für die WM-Gruppenphase gesetzt. Die nächstbesten 32 Teams würden «drei Tage vor dem Beginn der Gruppenphase in einem Playoff die weiteren 16 Starter ermitteln».
Mehr Mannschaften, mehr Spiele, mehr Fussball – und der junge, nimmersatte Fan springt fortan vor Freude per Flugkopfball durch die Büroflure, während er am Schreibtisch «Fussball ist unser Leben» in Dauerschleife intoniert.
Bloss: Hat nicht gerade erst die EM in Frankreich gezeigt, dass der gemeine Fussballfan gar nicht so nimmersatt ist, wie die Herren in ihren Funktionärspalästen annehmen?
Michel Platini stockte die EM bekanntlich auf 24 Teams auf. Die Folge: Das aufgeblähte Turnier zog sich, und man durfte berechtigte Sorge haben, dass Spieler, die als junge Nachwuchshoffnungen ins Turnier gestartet waren, am Ende des Turniers als Fussballgreise in Rente gehen würden.
Aber die Kasse klingelte trotzdem. Zumindest spiegelten sich der viel diskutierte Fussball-Überdruss und die angebliche Fan-Lethargie nicht in den TV-Statistiken wider. So lockten etwa Deutschlands Spiele gegen Frankreich, Italien und die Slowakei jeweils mehr Zuschauer vor den Fernseher als das EM-Finale 2008 zwischen der DFB-Elf und Spanien. Und selbst ein Spiel wie Polen gegen Nordirland sahen über zehn Millionen Zuschauer. Insgesamt stiegen die Einschaltquoten um rund fünf Prozentpunkte im Vergleich zur EM 2012.
Den deutschen Nationaltrainer Jogi Löw interessiert so was eher weniger, er hat sich unlängst gegen Infantinos Vorschlag ausgesprochen. Das wiederum ist dem Fifa-Chef herzlich egal. Sein Argument für die XXL-WM lautet: «Wir können 16 weiteren Mannschaften die Qualifikation für die Endrunde ermöglichen.»
Er hätte auch sagen können: So haben endlich auch Fussballverbände aus Usbekistan, Panama und Zypern zumindest eine kleine Hoffnung auf eine WM-Teilnahme. Und wenn auch die 48er Runde nicht reichen sollte, könnte man das Teilnehmerfeld noch weiter ausbauen. Auf 211 Teilnehmer zum Beispiel. Dann wären auch Amerikanisch-Samoa und Bhutan dabei. Verbände, die es Infantino danken werden. Spätestens bei der nächsten Wahl des Fifa-Präsidenten.