Der Schiedsrichter pfiff ab und Mario Balotelli machte das, was man als Fussballprofi eben macht, wenn abgepfiffen ist: Er zog sein Trikot aus auf dem Weg in die Kabine und tauschte es mit seinem Gegenspieler, mit Pepe, Verteidiger von Real Madrid. Das Problem: Das Spiel zwischen Balotellis FC Liverpool und den Madrilenen in der Gruppenphase der Champions League war noch gar nicht vorbei. Nicola Rizzoli aus Italien hatte erst zur Halbzeitpause gepfiffen.
Für seinen vorzeitigen Trikottausch droht Balotelli eine Strafe seines Klubs. «Wir werden uns der Sache annehmen», sagte Liverpool-Trainer Brendan Rodgers. Er ist nicht begeistert über die Geste seines Stürmers, die ja sagt: Das Spiel ist vorbei, jetzt werden noch Souvenirs getauscht.
Liverpool lag zur Pause 0:3 hinten – bis zum Ende der Partie sollte sich daran nichts mehr ändern – , und Rodgers wertet Balotellis Trikottausch als Zeichen der vorzeitigen Unterwerfung, als Aufgabe, auch wenn der Trainer weiss, dass so etwas kein Einzelfall ist: «Ich habe das schon in anderen Ländern und anderen Ligen gesehen, aber bei uns sollte das nicht passieren.» Bei Bayer Leverkusen gab einst Ärger, weil sich Manuel Friedrich und Michal Kadlec um ein in der Halbzeitpause erbeutetes Trikot von Lionel Messi stritten.
Auch in Liverpool ist der Brauch nicht neu: Im vergangenen Dezember hatte Rodgers seine Spieler Mamadou Sakho und Philippe Coutinho mit einer Geldstrafe belegt, nachdem sie gegen Chelsea in der Pause ihre Hemden mit den Gegenspielern getauscht hatten. «Wenn einer das machen will, soll er es nach dem Spiel machen», sagte der Trainer, der Balotelli noch in der Pause ausgewechselt hatte – aus taktischen Gründen, wie er versicherte.
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— Liverpool Echo (@LivEchoLFC) 22. Oktober 2014
Rodgers ist nicht der Einzige, der sich über den verfrühten Trikottausch des italienischen Angreifers echauffierte. Der ehemalige Liverpool-Kapitän Phil Thompson fragte: «Was denkt er sich dabei? Egal, ob man für Liverpool oder einen Klub in der zweiten Liga spielt – das gehört sich nicht. Das ist respektlos, einfach fürchterlich.» Balotelli solle froh sein, überhaupt im Trikot des FC Liverpool spielen zu dürfen: «Und dann tauscht er es schon in der Halbzeitpause?» Die Lokalzeitung «Liverpool Echo» forderte sogar, Balotelli solle um Entschuldigung bitten.
Die Debatte ist hochemotional und nicht unbedingt von Vernunft geprägt. Das hat mit den Ansprüchen in Liverpool zu tun und damit, dass Balotelli seinen Kaufpreis von rund 20 Millionen Euro bislang nicht annähernd zurückgezahlt hat. In der Premier League ist er noch ohne Tor. Zuletzt leistete er sich gegen die Queens Park Rangers einen katastrophalen Fehlschuss: Aus fünf Metern beförderte Balotelli den Ball über das leere Tor. In der Champions League traf er immerhin einmal, beim 2:1-Sieg über Ludogorez Rasgrad.
So steht auch Trainer Rodgers in der Kritik für den Balotelli-Transfer. Liverpool-Legende Jamie Carragher nannte den skandalumwitterten Angreifer, der den nach Barcelona gewechselten Luis Suárez ersetzen soll, einen «Panikkauf. Es würde mich überraschen, wenn er in der nächsten Saison noch hier wäre», sagte Carragher.
Sein Ex-Teamkollege Jamie Redknapp meinte, die zerfahrene Situation sei nicht Balotellis Schuld, sondern die von Trainer Rodgers: «Wie konnte er nur glauben, einen Spieler verändern zu können, an dem sich Mourinho, Mancini und Prandelli die Finger verbrannt haben?» Die Genannten taten sich bei Balotellis bisherigen Stationen schwer damit, den Angreifer zu disziplinieren. (buc/pre/sid)