Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!
- watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
- Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
- Blick: 3 von 5 Sternchen
- 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen
Du willst nur das Beste? Voilà:
Es läuft bei Werder Bremen. Aus den letzten vier Spielen seit dem Trainerwechsel von Viktor Skripnik zu Alexander Nouri holten die Grünweissen sieben Zähler – nur Hoffenheim holte in der gleichen Zeitspanne mehr Punkte (9).
Matchwinner beim 2:1-Erfolg gegen Leverkusen ist ausgerechnet Ousman Manneh, der vor zwei Jahren als Flüchtling Deutschland erreichte: «Ich weiss nicht, was passiert ist. Es ist, als würde ich träumen», sagte er nach der Partie in brüchigem Englisch in die Mikrofone. Die Augen strahlten dabei hell.
Zuvor genoss er das Bad in der Menge bei den Fans, gab schon auf dem Platz Interviews für Radios und TV-Stationen: «Ich hätte mir niemals vorstellen können, gegen so eine grosse Mannschaft zu spielen und zu treffen.» Klar, gab er das Lob auch weiter: «Ich muss dem Trainer danken, dass er mir die Chance gibt.»
Dieser Trainer selbst, Alexander Nouri, hält seinen Verdienst für klein, er sagt bescheiden: «Ich versuche, ihn tagtäglich zu inspirieren.» Bei den Teamkollegen kommt Manneh ebenfalls gut an. Captain Clemens Fritz hat beobachtet: «Er macht unglaublich lange Wege, auch für die Defensive. Er ist ein guter Junge.» Vor knapp einem Monat war diese Entwicklung noch praktisch undenkbar.
Rückblick: 21. September 2016, Weserstadion, Bremen gegen Mainz, vierte Minute. Werder hat die erste Chance des Spiels. Aber Debütant Ousman Manneh scheitert am Mainzer Goalie Jonas Lössl. Es wäre fast zu kitschig gewesen, hätte der 19-Jährige getroffen. Mannehs Aufstieg zum Bundesliga-Stürmer ist aber auch ohne Torerfolg bemerkenswert.
Szenenwechsel. 6000 Kilometer südwestlich von Bremen ist Mannehs Heimat. Rund 1,7 Millionen Menschen leben in Gambia, einem kleinen Land im Westen Afrikas. Ein schönes Leben ist es nicht: Gambia zählt zu den ärmsten Ländern der Welt. Der seit zwei Jahrzehnten herrschende Staatspräsident Yahya Jammeh erklärte Gambia im letzten Jahr zu einem islamischen Staat; seit einiger Zeit häufen sich bei Menschenrechts-Organisationen die Berichte über Folter, Hinrichtungen und die Verfolgung von Schwulen. Man solle diese «töten wie Moskitos», forderte Jammeh, Homosexuelle seien «gefährlicher als Tsunamis und Erdbeben.»
Kein Wunder, ergreifen bei diesen Umständen viele junge Gambier die Flucht. Weil sie in der Regel als Wirtschaftsflüchtlinge eingestuft werden, haben sie in der Schweiz nur geringe Chancen, aufgenommen zu werden.
Mehr Glück hatte Ousman Manneh. 2014 flüchtet der Gambier aus seiner Heimat und landet in Deutschland. Wie er 17-jährig aus Afrika nach Europa fand, wollte er bislang für sich behalten. Aber wir alle kennen die Bilder von Menschen, die zusammengepfercht in Booten übers Mittelmeer fahren.
Manneh kommt im Flüchtlingsheim Lesum unter, am Rande der Stadt Bremen im Norden Deutschlands. Seine viele Freizeit verbringt er Fussball spielend, bei einem Sichtungstraining des Blumenthaler SV tritt er sofort in Erscheinung. Nur vier, fünf Minuten benötigte Trainer Fabrizio Muzzicato, um das Talent des Teenagers zu erkennen. «Das hätte sogar jemand gesehen, der nicht so viel Ahnung vom Fussball hat», sagte er dem «Weser-Kurier». In Gambia war der Landsmann von Sions Pa Modou Jagne während vieler Jahre in einer Fussball-Akademie.
In Blumenthal darf Manneh bei den Junioren spielen, doch er fällt rasch den Talentspähern der grossen Klubs auf. Werder Bremen lässt den Stürmer mehrmals beobachten, auch der HSV, Schalke und Wolfsburg schicken Scouts. Am Ende entscheidet sich Ousman Manneh für die neue Heimat. Er bleibt in Bremen, unterschreibt einen Tag nach seinem 18. Geburtstag einen Vertrag bei Werders U23-Team. Sein Trainer dort: Alexander Nouri.
Genau dieser Nouri wurde vor einem Monat erst zum Interimstrainer des Bundesliga-Teams befördert, weil Werder Bremen sich nach drei Startpleiten von Viktor Skripnik getrennt hatte. Und weil die Grün-Weissen derzeit unter Stürmermangel leiden, nahm Nouri den 1,90 m grossen Manneh gleich mit hoch – und er liess ihn gegen Mainz auch gleich von Anfang an spielen. Während der Nationalmannschaftspause ist Nouri zum Chefcoach befördert worden.
Manneh verdiente sich in seinen ersten Partien gute Noten. Als er bei seinem Debüt zehn Minuten nach der Pause – begleitet von Standing Ovations – ausgewechselt wird, führte Bremen gegen Mainz mit 1:0, die Tore zur 1:2-Niederlage fielen erst ganz kurz vor Schluss. Werder Bremen blieb vorerst in der Krise, es droht der erste Abstieg seit 1980. Doch seit dem 21. September hat der viermalige deutsche Meister einen neuen Hoffnungsträger. Einen, den Hoffnung und Mut schon einmal in eine schönere Zukunft geführt hat.