Vor einem Jahr erreicht die Polemik um den richtigen Töff hier in Indianapolis den Höhepunkt. Dominique Aegerter hatte auf dem Sachsenring gewonnen und die Frage war: Könnte er gar um den WM-Titel fahren, wenn er eine Kalex und nicht eine Suter hätte? Noch vor Saisonende fallen dann zwei folgenschwere Entscheidungen. Tom Lüthi wird Teamkollege von Dominique Aegerter und beide wechseln tatsächlich von Suter auf Kalex.
Was hat der Wechsel gebracht? «Eine Antwort ist nicht so einfach», sagt Tom Lüthi. «Ich habe mit der Suter und nun auch mit der Kalex Rennen gewonnen. Ich denke, dass die Kalex für mich besser ist. Ich kann konstant auf höherem Niveau fahren als vorher. Die Ausschläge nach unten sind weniger gross.»
Die Wahrheit der Statistik zeigt, dass der Wechsel geholfen hat. Vor einem Jahr ist Tom Lüthi als WM-Sechster (68 Punkte) nach Indianapolis geflogen. Jetzt steht er im Gesamtklassement auf Platz 5 (99 Punkte) und startet zum GP von Indianapolis aus der zweiten Reihe (4. im Abschlusstraining). Er schränkt aber auch ein. «Es gibt immer verschiedene Faktoren und schon mein Vater pflegt zu sagen, beim Rennsport mache der Kopf 70 Prozent aus. Er hat wohl recht. Dass ich jetzt konstanter fahre, hat wohl auch mit dem Teamwechsel zu tun. Für mich war dieser Wechsel wie ein motivierender Neuanfang.» Eine Rückkehr zu Suter schliesst er daher aus. «Es geht nun darum, dass wir diese bessere Basis weiter ausbauen und nächste Saison einen weiteren Schritt nach vorne machen können.»
Dominique Aegerter sieht die Sache ganz anders. Auf die Frage, was der Wechsel gebracht habe, sagt er knurrig: «Schau die Rangliste an. Dann siehst Du, wo ich stehe.» Und tatsächlich. Vor einem Jahr kam Dominique Aegerter als WM-4. nach Indianapolis (96 Punkte). Jetzt ist er im Gesamtklassement auf Rang 11 abgestürzt (43 Punkte). Also weniger als die Hälfte der letztjährigen Punktzahl. Und er startet bloss aus der vierten Reihe (11. im Abschlusstraining).
Dass der Rohrbacher zu den besten Piloten der Welt gehört, hat er in der Sommerpause mit einem brillanten 2. Platz beim Acht-Stunden-Rennen von Suzuka bewiesen. Liegt es also am Material? Er nimmt keine Rücksicht auf politische Befindlichkeiten und sagt: «Ja. Ich komme mit der Kalex nicht zurecht. Ich finde das Gefühl für diese Maschine einfach nicht. Ich habe das Gefühl, am Limit zu sein – und bin es bei weitem nicht. So ist es einfach nicht möglich, schneller zu sein. Wir wissen nicht, warum es nicht funktioniert und wir wissen nicht, warum es hin und wieder funktioniert hat.»
Es geht ja auch um eine Grundsatzfrage. Warum ist Dominique Aegerter kein Siegfahrer mehr? Entweder, weil er nicht das richtige Material hat. Oder, weil es eine Bremse im Kopf gibt («Lüthi-Komplex»). Ein Wechsel zurück zu Suter könnte der ersehnte Befreiungsschlag sein.
Nun trifft es sich gut, dass ausgerechnet in Indianapolis offiziell geworden ist, dass Eskil Suter ins Geschäft zurück will. Von den 28 Piloten im Fahrerfeld sind gerade noch zwei mit einer Suter unterwegs. Der Thailänder Ratthanpark Wilairot (22. im Abschlusstraining) und der Deutsche Hinterbänkler Florian Alt (28.). Vor einem Jahr vertrauten zehn Piloten auf den Schweizer Töff.
Robin Mulhausers Cheftechniker Didier Langouët arbeitet im Nebenamt nach wie vor für Eskil Suter und bestätigte gestern. «Eskil Suter hat die Maschine in der Zwischenzeit weiterentwickelt. Der Prototyp ist fertig und in den nächsten Wochen folgen Tests.» Gibt es schon Anfragen für nächste Saison? «Ja, die gibt es.»
Logisch. Jene, die letzte Saison bei Sponsoren und Medien die Materialfrage als Entschuldigung brauchten («Wenn wir bloss eine Kalex hätten …») und nun auch nach einem Markenwechsel nicht besser dastehen, sind Wechselkandidaten.
Zurück zu Suter? Auf diese Frage sagt Dominique Aegerter: «Das haben wir noch nicht diskutiert.» Will heissen: Es wird ein Thema. Technisch wäre es kein Problem, im Schweizer Dreamteam zwei verschiedene Marken einzusetzen. Tom Lüthi auf Kalex, Dominique Aegerter wieder auf Suter. Zumal es zwischen den beiden wegen des unterschiedlichen Fahrstils keinen brauchbaren Informationsaustausch gibt. Am ehesten lässt sich der Unterschied mit dem Skirennsport erklärten. Der Stilist Lüthi ähnelt einem Riesenslalom-Fahrer, Aegerter ist hingegen eher ein rauer Abfahrer.
Teamchef Fred Corminboeuf schliesst einen Markenwechsel (noch) aus. «Wir bleiben bei Kalex.» Überzeugend wirkt er bei dieser Aussage allerdings nicht. Er ahnt, er weiss, dass das Thema auf den Tisch kommen und heisse teaminterne Debatten auslösen wird. Es ist ja auch die Aufgabe des Teamchefs, alles zu tun, damit seine Fahrer schnell sind.
Es wird also nichts mit einem geruhsamen Herbst im Schweizer Dreamteam. Zumal auch Hervé Poncharal, als Präsident der Rennteamvereinigung IRTA der Boss der Bosse im Fahrerlager, sagt: «Es wäre sehr gut, wenn Eskil Suter ins Geschäft zurückkommen würde. Es kann ja nicht sein, dass die Moto2-WM zum Kalex-Cup verkommt. Ja, ich würde als Teamchef Dominique Aegerter eine Rückkehr zu Suter empfehlen.»