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Am 5. Juni 2010 geht in Mugello eine Ära zu Ende. Oder besser: Es scheint so. Valentino Rossi, damals 31 Jahre alt, zieht sich bei einem Sturz im Training zum GP von Italien einen doppelten Beinbruch zu. Es ist seine schwerste Verletzung. Der legendäre britische Töffreporter Michael Scott sagt am Abend dieses 5. Juni 2010: «Er ist erledigt.»
Und tatsächlich: Der neunfache Weltmeister kann von nun an nicht mehr um den Titel fahren. Die «Gnadenlosen» der neuen Generation – den acht Jahre jüngeren Jorge Lorenzo, den 14 Jahre jüngeren Marc Marquez – kann er im Kampf um den Titel nicht mehr in Schach halten.
Valentino Rossi verändert sich. Heute wissen wir: Er tut es aus Berechnung. Er wird scheinbar altersmilde. Er hatte einst seine Rivalen mit ausgesuchten verbalen Provokationen auch neben der Rennpiste zermürbt. Nun provoziert der Italiener seine Rivalen nicht mehr. Er lobt sie. Und zwar ohne ironischen Unterton. Er demonstriert öffentlich seine Bewunderung für Marc Marquez, den neuen Stern am Töffhimmel, der wegen seiner gnadenlosen Fahrweise als «Boden-Boden-Rakete» verehrt wird. Für seinen Yamaha-Teamkollegen Jorge Lorenzo hat er seit der Rückkehr zu den Japanern 2013 nur lobende Worte. Er steckt Niederlagen mit einem Lächeln weg. Zum 10. Mal Weltmeister werden? Nein, das scheint ausgeschlossen.
Aber jetzt ist Rossi wieder da. Mehr noch: Er ist ebenso eine «Boden-Boden-Rakete» wie Marc Marquez. Obwohl er am 16. Februar bereits 36 geworden. Das erstaunlichste Comeback der Töffgeschichte. Josua hielt den Lauf der Sonne am Himmel an. Valentino Rossi hat den Lauf der Zeit gestoppt.
Wie ist diese Rückkehr möglich geworden? Nun, Valentino Rossi ist noch immer der talentierteste Fahrer. Aber er hat Zeit benötigt, um die Yamaha wieder ganz auf seinen Fahrstil zurechtzuschneidern. Und gleichzeitig waren sich seine Rivalen ihrer Sache zu sicher. Yamaha hat den technologischen Rückstand auf Honda diese Saison wettgemacht. So ist es oft im Motorsport. Die Sieger sind im Winter zu sicher. Die Verlierer setzen Himmel und Hölle in Bewegung, und wenn das Frühjahr kommt, sind die Sieger der letzten Saison die Verlierer der ersten Rennen.
Aber da ist noch etwas ganz anders: Die Leidenschaft,der Willen, der Mut, alles für den Sieg zu tun. Eigenschaften, die wir dem alternden Valentino Rossi schon fast nicht mehr zugetraut haben. Er ist eben doch ein Kannibale. So ist einst die Radsportlegende Eddy Merckx genannt worden. Weil er seinen Rivalen nichts gegönnt hat.
Die Freundschaft mit Marc Marquez hat Valentino Rossi im Laufe dieser Saison, seit er weiss, dass er Weltmeister werden kann, abkühlen lassen. Obwohl er mit dem Spanier gute Geschäfte macht. Die Vermarktungsfirma, die Valentino Rossi gehört, vermarktet auch den Spanier.
Nun sind im zweitletzten Rennen Malaysia sind bei Valentino Rossi die Sicherungen durchgebrannt. Er hat die Nerven verloren. Oder war es Berechnung? Ich behaupte: Er hatte die Sache im Griff. Aber das Raubtier in ihm ist erwacht. So sind grosse Fahrer, wenn es um alles geht. Wer erinnert sich denn nicht mehr an das Duell zwischen Michael Schumacher gegen Jacques Villneuve im letzten Rennen der Formel 1-WM 1997?
Im Rennen führt Schumacher anfangs und setze sichvon seinen Verfolgern ab, bekommt jedoch nach seinem zweiten Tankstopp Reifenprobleme. Villeneuve holt ihn in zwei Runden ein. In der 48. probiert der Kanadier ein Ausbremsmanöver, bei dem Schumacher den Kanadier seitlich rammt. Der Deutsche scheidet aus, während Villeneuve weiterfahren kann. In der letzten Runde lässt er kampflos die beiden McLaren-Piloten Mika Häkkinen und David Coulthard passieren, da ihm ein dritter Platz zum WM-Titel genügt. Schumacher wird nach dem Rennen für sein als absichtlich eingestuftes Manöver gegen Villeneuve von der FIA bestraft und aus der WM-Wertung gestrichen.
Der Zweikampf zwischen Valentino Rossi und Marc Marquez hat durchaus ähnlichen Charakter. Nach harten Manövern spitzte sich der Kampf zwischen den beiden immer mehr zu. In Runde 7 überholt Márquez Rossi außen. Rossi setzt sich wieder innen daneben und drückte Márquez immer weiter nach außen, wird langsamer und sieht ihn immer wieder an.Dabei berührt Márquez Rossis Hinterrad und stürzt. Rossi sah genau, wo sich Márquez befand und hätte an diesem Punkt der Kurve nicht langsamer werden dürfen, sondern hätte schon wieder beschleunigen müssen – ein unsauberes Manöver. Das Fachportal «Speedweek.de» - das beste im Motorsport - hat ausgerechnet, dass es vor dem Zwischenfall 15 Überholmanöver zwischen den beiden gegeben hat – einmal neun in einer Runde. Wahnsinn.
Valentino Rossi bleibt der Pressekonferenz fern, Später gibt er seine Meinung zu dem Zwischenfall preis: «Leider habe ich durch Marc viel Zeit verloren. In Kurve 14 habe ich versucht, weiter zu gehen, um die bessere Linie zu haben. Er machte mir die ganze Zeit viele Probleme. Leider kam er mir zu nah. Ich denke, dass er in diesem Moment stürzte.»
Für den Zwischenfall wird er mit drei Strafpunkten gebüsst. Das hat fatale Folgen. Er liegt in der WM vor dem letzten Rennen sieben Punkte vor Jorge Lorenzo, aber er muss wegen dieser drei Strafpunkte von Malaysia (jetzt hat er insgesamt vier) beim WM-Finale in Valencia am 8. November aus der letzten Startreihe losfahren. Eine fast unlösbare Aufgabe. Denn bei einem Sieg von Lorenzo in Valencia muss Rossi Zweiter werden. Und das vom 25. Startplatz weg! Aussichtslos.Wie wir es auch drehen und wenden: Der Zwischenfall von Sepang mehrt letztlich bloss den Ruhm von Valentino Rossi. Ob er nun zum 10. Mal Weltmeister wird oder nicht.