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Es ist auf den ersten Blick ist der Grosse Preis von Katalonien fast ein GP wie jeder andere. Am Ende siegt Valentino Rossi. Er feiert einen grandiosen Sieg. Dass Ducatis Andrea Iannone Yamahas Jorge Lorenzo zu Fall bringt, ist nicht einmal Anlass zu grosser Polemik: der Weltmeister war zu diesem Zeitpunkt längst besiegt und chancenlos. Und am Ende reichen sich die Erzfeinde Valentino Rossi und Marc Marquez die Hände zur Versöhnung.
Auf den zweiten Blick fällt auf: etwas ist nicht ganz so wie sonst. Auf dem Podest wird kein Champagner verspritzt und die Helden des Tages tragen das Trauer-T-Shirt im Gedenken an Luis Salom.
Es ist eine Situation, die keiner der aktiven GP-Haudegen je erlebt hat. Luis Salom (24) rast am Freitagnachmittag in den Tod. Gewiss, die Gefahr gehört zu diesem Geschäft. Aber die letzten drei Todesstürze waren anders. Daijiro Kato (2003), Shoya Tomizawa (2010) und Marco Simoncelli (2011) starben nach Rennunfällen. Am Abend kehrten alle nach Hause zurück und hatten über eine Woche Zeit, um das Drama zu verarbeiten.
Aber hier in Barcelona ist die Situation völlig anders. Der Unfall passiert bereits am Freitagnachmittag. Niemand kann jetzt nach Hause gehen, durchatmen und die ganze Sache verarbeiten. Alle müssen bleiben, weitere zwei Trainings und ein Rennen unter höchster Anspannung absolvieren und unzählige Male dort durchfahren wo Luis Salom verunglückt ist. Aber Höchste Konzentration ist gefordert.
Ein wenig helfen die Routine, die geregelten Abläufe des Rennwochenendes – aber die letzten wahren Männer des Sportes sind sensibel. Darüber kann die sorgfältig gepflegte Macho-Kultur des Rennsportes nicht hinwegtäuschen. Nicht an diesem Sonntag in Barcelona.
Nach dem Moto2-Rennen ist Tom Lüthi völlig fertig und den Tränen nahe. Nicht wegen des verlorenen Platzes auf dem Podest. Der Emmentaler braust aus der ersten Reihe heraus an die Spitze. Dort kann er sich nicht lange halten. Auch den dritten Platz verliert er in der Schlussphase und schliesslich reicht es zu Rang 5. Der Abstand zu WM-Leader Alex Rins vergrössert sich von 16 auf 23 Punkte.
Nicht dieses Rennen, dieser Rückschlag im Kampf um den WM-Titel, macht Tom Lüthi zu schaffen. Er versichert zwar, das Drama um Luis Salom habe keinen Einfluss gehabt. Aber wer ihn so sieht, ein Häufchen Elend, weiss auch ohne psychologische Kenntnisse: es hatte sehr wohl einen Einfluss. Und ratlos und irgendwie verloren sagt er ein Wort, das er fast nie gebraucht: «Scheisse.»
Wenn ein Berner diesen Ausdruck verwendet, meint er Sinnlosigkeit. «Scheisse, was soll ich über das Rennen sagen? Gut, dass es vorbei ist und gut, dass wir jetzt Abstand gewinnen können. Es kommt mir alles so surreal vor und es wird Zeit, dass wir in die Wirklichkeit zurückkehren.»
Tom Lüth wird im September 30. Es ist einerseits das beste Alter für einen Rennfahrer: Erfahrung, Talent und Wagemut halten sich die Waage. Aber andererseits werden viele in diesem Alter auch nachdenklicher. Der Tod von Luis Salom hat Tom Lüthi zutiefst getroffen. «Tom ist tief geerdet», sagt Manager Daniel M. Epp über seinen Schützling. «Er kommt darüber hinweg. Aber es braucht Zeit.» Das nächste Rennen wird am 26. Juni in Assen gefahren.
Dominique Aegerter ist mindestens so sensibel wie sein Teamkollege. Aber er versteht es besser, seine Sensibilität zu überspielen. Wer ihn kennt, dem fällt lediglich auf, dass er wortkarger ist als üblich, ja fast ein wenig knurrig. Er kann, er will seine Erschütterung über den Tod von Luis Salom nicht zeigen. Und er findet einen Ausweg: Unmut, ja Zorn. Er verliert mindestens einen 8. Platz, weil beim Herausbeschleunigen das Hinterrad bricht. Ein gefährlicher, äusserst seltener Defekt. Zum ersten Mal seit dem Saisonauftakt 2014 in Katar (Motorenschaden) hat ihn die Technik im Stich gelassen.
Kurz nach dem Rennen begnügt er sich mit der unwirschen Bemerkung, dass es schade sei. Später lässt er seinen Unmut freien Lauf. Er habe nach dem Rennen die restlichen Räder gecheckt und festgestellt, dass alle Risse hätten. Aber man habe ihm nicht glauben wollen und erst später zugegeben, dass es tatsächlich so sei.
Im Team kümmert sich einer nur um Räder und Reifen – und niemand hat gemerkt, dass mit den Rädern etwas nicht stimmt. Seit dieser Saison hat das Team einen neuen Lieferanten für die Magnesium-Räder – und es scheint, dass eine ganze Serie brüchiger Räder geliefert worden ist. Der schon lange schwelende Unmut im Aegerter-Clan über vermeintliche oder tatsächliche Unzulänglichkeiten in der technischen Betreuung könnte bald zum Eklat führen.
Noch ist in Barcelona nicht Zeit zu toben. Zu sehr stehen alle unter dem Eindruck des Dramas um Luis Salom. Das Team testet am Dienstag und am Mittwoch in Valencia. Und da wird es, wenn alle unter sich sind und der Alltag wieder einkehrt, ganz gehörig rumpeln.