In Katar ist rund um das Schweizer Team von Tom Lüthi und Jesko Raffin helvetische Politik ein heisses Gesprächsthema. Das kommt so: Internet-Wetten sind «Big Business». Alleine die Firma Interwetten mit Sitz in Wien setzt im Jahr rund eine Milliarde Franken um. Fast 200 Millionen davon in der Schweiz.
Interwetten ist seit 2006 der wichtigste Sponsor von Tom Lüthi und auch des Teams, in dem der Weltmeister von 2005 (125 ccm) zusammen mit der grossen Nachwuchshoffnung Jesko Raffin (21) fährt. Die Zusammenarbeit ist langfristig ausgelegt. Es gibt bereits eine mit Interwetten abgestimmte, auf drei Jahre ausgelegte Strategie mit dem Endziel einer Schweizer Präsenz in allen drei Kategorien (MotoGP, Moto2, Moto3) in der Saison 2019. Tom Lüthi mit KTM in der Königsklasse MotoGP, Jesko Raffin in der Moto2-WM und Jason DuPasquier (jetzt in der Moto3-Junioren-WM) in der Moto3-WM.
Aber diese Pläne sind Makulatur, wenn sich die Politik durchsetzt. Deshalb wird hier im Morgenland beim ersten GP der Saison helvetische Politik heiss diskutiert wird. Eine Gesetzesvorlage für das generelle Verbot von ausländischen Internetwetten in der Schweiz zum Schutze der Schweizerischen Lotteriegesellschaft von Swisslos hat bereits den Nationalrat passiert.
Ist das Gesetz in Kraft, wird es nicht mehr möglich sein, auf einem Computer in der Schweiz auf ausländischen Websites zu wetten. Für Interwetten gibt es dann keinen Grund mehr, fast eine Million Franken in das Team von Tom Lüthi und in das persönliche Sponsoring des Fahrers zu investieren. Lüthis Manager Daniel Epp sagt: «Es wäre sehr schwierig einen Sponsor zu finden, der im gleichen Umfang einsteigt.»
Die alles entscheidende Frage ist nun, wann das neue Gesetz in Kraft tritt. «Das ist noch nicht ganz klar», sagt Epp. «Es ist möglich, dass die Ausarbeitung so lange dauert, dass das Gesetz erst ab 2020 greift. Aber es ist auch nicht ausgeschlossen, dass es schon ab dem 1. Januar 2018 in Kraft tritt.» Das wäre bereits das «Aus» für nächste Saison. «Selbst wenn das Gesetz erst ab 2020 umgesetzt wird, ist die Rechtsunsicherheit bis dahin so gross, dass es schon vorher zu einem Ausstieg von Interwetten kommen könnte.»
Politische Opposition gegen dieses Gesetz gibt es praktisch keine. Mit einem gewissen Sarkasmus bemerkt Daniel Epp, dass selbst SVP-Nationalrat Walter Wobmann, der Präsident des Schweizerischen Motorradsportverbandes (!), für das Gesetz gestimmt hat. Die Asphaltcowboys haben keine politische Lobby.
Ist gar die Karriere von Tom Lüthi in Gefahr, die ja noch fünf oder sechs Jahre dauern kann? Daniel Epp will nicht so weit gehen. Er sagt aber: «Unsere MotoGP-Pläne müssten wir dann vergessen und auch eine Unterstützung für DuPasquier wäre kaum mehr möglich.» Epp ist nun daran, an einem Plan B zu arbeiten. Was ist vorzukehren, wenn Interwetten bereits Ende Saison aussteigt? Was ist zu tun, um Tom Lüthis Moto2-Karriere weiterhin finanzieren zu können?
Steigt Interwetten aus, dann muss Epp über eine halbe Million Franken auftreiben. Und das ist nur möglich, wenn er jetzt schon erste Kontakte knüpft. Aber Interwetten wird erst im Herbst entscheiden, ob der Vertrag um eine weitere Saison verlängert wird. Zu diesem Zeitpunkt sind die wichtigsten Sponsoring-Deals für 2018 längst unter Dach und Fach. Was die Situation kompliziert: Tom Lüthi hat mit dem aktuellen Team einen Zweijahresvertrag, also bis und mit der Saison 2018. Verliert das Team Interwetten, dann kann er nicht einfach so in ein anderes Team wechseln, wo vielleicht ein Geldgeber am Schweizer interessiert ist.
Nicht betroffen von dieser Situation ist Dominique Aegerter (26) im Team von Stefan und Jochen Kiefer. Der wichtigste Sponsor dieses Rennstalls aus Deutschland ist der Recycling-Spezialist AirGrinder mit Sitz in Schweden und in der Schweiz. Auch Aegerters persönliche Werbepartner, über die er den grössten Teil seines Einkommens erzielt, sind nicht betroffen.