Die erste Halbzeit der Achtelfinal-Paarung zwischen Gastgeber Brasilien und Chile stand im Zeichen der brasilianischen Defensivausrichtung. Gegen die chilenische 3-4-1-2- Formation mit weit aufrückenden Flügelverteidigern glitten die Stürmer des Gastgebers geschickt zwischen den zentralen Defensivakteuren und den Sechsern umher.
Dabei stellten sie Passwege diagonal zu und bildeten mit der Zeit versetzte Positionierungen der vorderen vier Akteure. Oscar schob rechts weiter vor, Neymar verdeckte das Mittelfeld mit vereinzelten Mannorientierungen, während sich Hulk eher tiefer einschiebend an Isla orientierte und daher nur selten aufrückte.
Dahinter war das Positionsspiel der chilenischen Flügelspieler diesmal eher unbalanciert, so dass sie etwas ineffektiv zwischen den brasilianischen Linien eingekerkert waren. Damit gab es vor der Pause auch über die Flügel kaum Möglichkeiten, nach vorne aufzurücken. Vereinzelte kurze Freilaufbewegungen oder die gelegentlichen Rückstösse von Vidal wurden von den brasilianischen Sechsern situativ mannorientiert verfolgt.
Abgesehen von einigen antreibenden Dribblings des bisweilen weit nach hinten fallenden Alexis konnte Chile daher nur über lange Diagonalbälle in die höheren Zonen kommen. Diese wurden häufig nach rechts geschlagen und dort einige Male gefährlich, da die Stürmer und Vidal gelegentlich einfach direkt aufrückten, die Verbindungen absichtlich abbrachen und sich stattdessen in der Schnittstelle um Marcelo herum gruppierten.
Dort entstanden dann trotz des eigentlich guten brasilianischen Zurückfallens einige offene Situationen allein gegen deren Viererkette, mit denen sie am meisten Gefahr ausstrahlten. Ansonsten hatten sie – der Ausgleich fiel nach einem Patzer Hulks bei eigenem Einwurf – zunächst aber praktisch keine herausgespielte Torchance, ehe Brasiliens Ausrichtung sich in den letzten fünf bis zehn Minuten vor Halbzeitpfiff etwas 4-4-2/4-4-1-1-hafter vereinfachte. Bis dahin waren diese mit ihrer asymmetrischen Spielweise in einem zerfahrenen Match durchaus ein Risiko gegangen, das sich aber mit Hilfe guter Improvisation ausgezahlt hatte.
Auch im brasilianischen Offensivspiel waren lange Bälle ein mögliches Angriffsmuster. Diese sollten entweder direkt hinter die Abwehr geschlagen oder von Fred auf einen Kollegen, meist Neymar, abgelegt werden, was die eine oder andere brasilianische Chance nach simplen Schnellangriffen ermöglichte. Dieses Mittel trug zusätzlich zum ohnehin schon chaotischen und zerfahrenen Charakter der Partie bei, die durch ständige Unterbrechungen und Fouls geprägt war.
Daneben nahmen die Brasilianer in ihren eher wenigen Aufbauszenen ebenfalls asymmetrische Anpassungen vor. Die beiden Aussenverteidiger rückten situativ weit ein, während Luiz Gustavo seltener zentral zurückfiel, sondern eher nach halblinks herausschob. Durch die erhöhte Absicherung von Fernandinho anstelle von Paulinho konnte er manchmal auch mit vorstossen und suchte dann auf der sehr direkt ausgerichteten linken Seite nach Lücken. Hier brachte Marcelo immer wieder sofortige Vertikalpässe auf Hulk, eben Gustavo oder später auch mal Neymar, die mit schnellen Dribblings durchbrechen sollten.
Daneben gab es noch die eine oder andere Szene über Letztgenannten, dessen Bewegungsmuster gelegentlich improvisierte Überladungen initiierten. Phasenweise blieb er für Konter als Mittelstürmer vorne, was strukturell aber nur mittelmässig funktionierte.
Insgesamt griff das ansonsten sehr starke chilenische Pressing diesmal bloss partiell. Gelegentlich konnten sie Brasilien in Verlegenheit bringen – über die beweglichen Stürmer in den Halbpositionen, das Herausrücken von Vidal und wegen gelegentlicher Staffelungsprobleme der Seleção. Allerdings gab es auch ungewohnte Phasen, in denen Chile der Zugriff fehlte und Brasilien sie über ihre vielseitigen Umschiebungen in den hinteren Bereichen umspielen konnte. Die ansonsten unzugänglichen Ausweichfreiräume wurden dann zu Lauflücken, die Brasilien über riskante Aktionen oder längere Dribblings nutzen konnte, so dass dem Team mehrmals Schnellangriffe oder zumindest das Aufrücken gelangen.
Viele brasilianische Chancen entstanden vor allem in der sehr überzeugenden ersten halben Stunde aber durch ihre Rhythmuswechsel im Pressing und Gegenpressing. Dort zeigten sie in den richtigen Situationen aus ihren asymmetrischen Stellungen heraus immer wieder plötzliche, überfallartige Ausbrüche, bei denen sie ein riskantes und druckvolles Nachrücken praktizierten.
Dies führte zu überraschenden Ballgewinnen in hohen, vielversprechenden Zonen, die bei Gegenstössen aber nicht genug ausgespielt, sondern von Chile noch einige Male geklärt wurden. Durch diese situativen Schübe zerpressten sie Chiles Rhythmus anfangs und hätten vor dem gegnerischen Ausgleich definitiv erhöhen müssen.
Ab dem Treffer von Alexis, zunehmend vor allem in der zweiten Halbzeit, kamen aber die Chilenen immer besser in die Partie hinein, was schliesslich in Pinallas Lattentreffer kulminierte. Die Brasilianer hatten einige Momente durch ihre vermehrt vorstossenden Mittelfeldakteure, die dann von den sehr weit einrückenden Aussenverteidigern abgesichert wurden, doch fehlte es an Abstimmung im letzten Drittel.
Vor allem aber verloren sie neben der Intensität zunehmend die Verbindungen in ihrem Spiel und produzierten in bedrängten oder isolierten Szenen viele Ballverluste, was einen Rückfall in schwache Phasen des Mexiko-Spiels darstellte.
Die Chilenen zeigten gelegentliche 4-3-3-ähnliche Asymmetrien über den vorschiebenden Mena und über Vidal, der den hohen rechten Halbraum suchte. Gegen die zunehmend simpler und unverbundener agierenden Brasilianer kamen sie im Aufbau und Pressing besser zurecht, wo sie den Gastgeber einige Male gut über David Luiz leiteten und anschliessend am linken Flügel zuschoben. Letztlich waren sie in Durchgang zwei das bessere Team und wurden mit drei bis vier guten Möglichkeiten zwar gefährlicher, scheiterten oft aber an der gegnerischen Strafraumverteidigung, die Brasilien in dieser Phase rettete.
Die Verlängerung war anschliessend eher wenig ertragreich, da Chile zunehmend die Kräfte schwanden, so dass sie sich am Ende nur noch auf tiefe Verteidigung konzentrierten. Dagegen rückten die Brasilianer weit auf und errangen Kontrolle wie Dominanz. Sie hatten allerdings Probleme mit isolierten Flügeldynamiken, schwachen Entscheidungen und durchwachsener Halbraumunterstützung, weshalb ihnen der Sieg erst vom Elfmeterpunkt gelang.