Die erste Schweizer Qualifikationspartie entwickelte sich unerwartet zu einem taktischen Leckerbissen. Roy Hodgson stellte die Three Lions auf ein überraschend kreatives und aktives 4-3-1-2 um. Vladimir Petkovic liess ein 4-5-1 dagegen antreten. Vor allem die Dynamiken zwischen Flügel und Zentrum waren interessant.
So hat das 4-5-1 den grossen Vorteil, dass das Mittelfeld sehr breit formiert ist. Die Flügelspieler sind näher an den gegnerischen Aussenverteidigern positioniert und die Mannschaft ist gegen Verlagerungen besser abgesichert als beispielsweise im 4-4-2. Diese Stärke forcierten die Schweizer noch, indem Mehmedi und Shaqiri zuweilen etwas mannorientiert gegen Stones und Baines agierten.
Somit fiel es England schwer, den Ball in der Breite zirkulieren zu lassen. Baines konnte seine immense Spielstärke auf der linken Seite nur vereinzelt aufblitzen lassen. Allerdings war Mehmedi in der Mannorientierung auf Stones eher verschenkt, da sich das Everton-Talent kaum vorwärts traute.
Zudem hatte die Schweiz in der Folge nur wenig Zugriff im Zentrum. Zwar versuchten Xhaka und Behrami immer wieder, aus ihren Sechserpositionen neben Seferovic herauszurücken, doch die Engländer hatten durch ihre Mittelfed-Raute Überzahl im Zentrum. So umspielten die Schweizer Pressingversuche in der ersten Reihe recht problemlos.
Trotzdem konnten die Gäste nur selten aus dem Spielaufbau Gefahr ausstrahlen, da sie beim weiteren Vordringen Probleme bekamen. Die Schweizer Aussenverteidiger waren im Pressing zwar ohne Gegenspieler verschenkt, doch sorgten in der letzten Linie für klare Überzahl. Die drei Sechser hatten wenig Zugriff, doch hielten die Räume sehr eng. So kam England trotz guter Kombinationsansätze nur schwer in die Nähe der Schweizer Abwehrreihe.
Eine ähnliche Pattsituation entstand vorerst auch beim Spielaufbau der Gastgeber, da Rodriguez und Lichtsteiner nur selten zum Aufrücken kamen. Rooney und Welbeck formierten sich geschickt zwischen den offensivstarken Aussenverteidigern und den Innenverteidigern. Sterling rückte von der Zehnerposition häufig zwischen die beiden Stürmer auf und blockte Pässe ins Zentrum.
Das Problem für die Schweiz: Sollten die Aussenverteidiger nun aufrücken, wären die Innenverteidiger bei einem Konter in Unterzahl. Meist blieben sie deshalb tief, bekamen die Bälle seitlich von den Innnenverteidigern in den Fuss und mussten das Spiel ungewöhnlich tief ankurbeln. Englands Raute schob dann aber sehr diszipliniert zum Flügel und konnte die Verbindungsräume meistens gut zustellen.
So gingen Rodriguez und Lichtsteiner in der zweiten Hälfte mehr Risiko. Sie rückten nun zuweilen frühzeitig auf oder hielten ihre hohe Grundposition beim späteren Nachrücken etwas länger. Das sorgte für mehr Schweizer Offensivpräsenz, doch geschah letztlich genau das, was in Hälfte eins noch meist vermieden werden konnte: Nach einer Balleroberung im Zentrum liefen Welbeck, Rooney und Sterling mit Tempo auf Djourou und Von Bergen zu – Welbeck markierte das 0:1.
Petkovic reagierte auf den Rückstand, indem er Drmic als zweiten Mittelstürmer brachte und ebenfalls auf ein 4-3-1-2 umstellte. Nun entwickelten sich die Spielanteile ausgeglichener. England wurde häufiger zur Eröffnung mit hohen Bällen gezwungen. Die Schweizer hatten nun drei Konterspieler im Offensivzentrum statt nur einen. Shaqiri, Seferovic und Drmic fanden auch sehr gut zueinander und kombinierten in direkten Schnellangriffen zwei Riesenchancen heraus.
Da die Gelegenheiten aber knapp nicht verwertet werden konnten, bekam Hodgson noch einmal die Chance auf die gegnerische Umstellung zu reagieren. Er wechselte auf ein 4-1-4-1 mit Rooney links, Sterling rechts und Welbeck in der Spitze. Nun sah man quasi das Spiegelbild der ersten Hälfte. Die Schweiz hatte mehr vom Ball, England hatte recht wenig Zugriff, doch war gut abgesichert. Das reichte, um den Vorsprung über die Zeit zu bringen und kurz vor Schluss noch das 0:2 herauszukontern.
Letztlich können aber beide Nationen positive Dinge aus diesem Duell mitnehmen. Die Schweiz demonstrierte taktische Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und agierte im Pressing zudem etwas intensiver als noch unter Hitzfeld. England zeigte sich gar runderneuert und ist mit der WM-Mannschaft kaum noch zu vergleichen. Sowohl im Pressing, als auch im Konterspiel und im Spielaufbau sind die Three Lions durch die Raute deutlich stärker geworden. Dass die Schweiz trotzdem nah einem Punktgewinn war und die Schussstatistik fast ausgeglichen war, spricht für Petkovic.