Wenn beim diesjährigen French Open über Stan Wawrinka gesprochen wird, heisst es oft, er wirke «wie ein Mann auf einer Mission». Und diese Mission lautet: der vierte Grand-Slam-Titel in vier Jahren. Kein anderer Spieler ausser Novak Djokovic war in den vergangenen Jahren bei den vier wichtigsten Turnieren erfolgreicher.
Auch dieses Jahr in Paris wirkt Stan wieder bestechend. Er steht zum dritten Mal in Serie im Halbfinal des French Open, erstmals ohne einen Satz abgegeben zu haben. Dabei flog er im Vorfeld des Turniers mal wieder unter dem Radar. Seine bisherige Sandplatzsaison war alles andere als berauschend. In Madrid, Monte Carlo und Rom kam er nicht über die dritte Runde hinaus. Erst beim 250er-Turnier in Genf schien er seinen Tritt gefunden zu haben.
Alles sprach im Vorfeld von Rafael Nadal, Alexander Zverev oder Dominic Thiem. Wie so oft dachte kaum jemand an Wawrinka. Das war schon bei seinen bisherigen Grand-Slam-Titeln so. 2014 in Melbourne war Djokovic der grosse Favorit, 2015 in Paris ebenfalls und 2016 in New York dachte man, Murray hole sich den Titel.
Und auch sonst gibt es im aktuellen Turnierverlauf einige Parallelen zu Wawrinkas grössten Erfolgen. Der Westschweizer wirkt so fokussiert, entschlossen und dennoch entspannt wie sonst selten. Wie ein Mann auf einer Mission eben. Das wirkt sich aus – auf und neben dem Platz.
Am auffälligsten ist, wie bestechend sicher Wawrinka in schwierigen und entscheidenden Momenten spielt. Wird es heiss, kommen vom Romand einfach keine Fehler mehr – insbesondere beim Aufschlag. Das war auch bei seinen drei bisherigen grossen Titeln so.
Ein zweites Merkmal, das die Gegner beunruhigen dürfte, ist die Selbstverständlichkeit, mit der «Stan the Man» Winner schlägt. Manchmal scheint es, als müsse sich der 32-Jährige gar nicht anstrengen, um einen Gewinnschlag einzufahren.
Wawrinka hämmert die Winner aber nicht nur rein. Er verfügt dieses Jahr in Paris auch über einen grossartigen Spielwitz. Durch Improvisation und überraschende Ideen bringt er seine Gegner immer wieder aus dem Konzept.
Zudem werden die defensiven Qualitäten des Romands immer noch unterschätzt. Dabei waren sie bei seinen bisherigen Grand-Slam-Siegen jeweils einer der Schlüssel. Auch an dem diesjährigen French Open hat er schon gezeigt, dass an ihm manchmal einfach kein Vorbeikommen ist.
Während den Ballwechseln wirkt Stan derzeit immer hochkonzentriert und entschlossen. Daneben gibt er sich aber äusserst entspannt und ist immer für einen Scherz gut. Das erinnert an Paris 2015, als er Spässe machte über seine an Pyjamahosen erinnernden Shorts.
Einen Unterschied zu den vorherigen Jahren gibt es dann aber doch. Bei seinen drei Grand-Slam-Titeln hat Wawrinka in den ersten drei Runden immer mindestens einen Satz abgegeben. Dieses Jahr ist er vor dem Halbfinal immer noch makellos unterwegs.
Nun wartet wieder Andy Murray. Gegen die aktuelle Weltnummer 1 hat der Romand im Vorjahr ebenfalls im Halbfinal gespielt und verloren. Dieses Jahr sind die Vorzeichen allerdings anders. Der Schotte hat in diesem Jahr noch keine grossen Stricke zerrissen, und Sand ist seine schwächste Unterlage. Die Dinge liegen nun anders als noch zu Beginn des Turniers: Alles spricht von Wawrinka. Der Romand geht als Favorit in die Partie.
Und dann gibt es ja auch noch Stans «signature move». In wichtigen Situationen und nach Siegen hält er sich oft den rechten Zeigefinger an die Schläfe. Um zu sagen: «Es ist alles Kopfsache». Auch dieses Jahr hat er die Geste stets gebracht, wenn er sich aus heiklen Situationen befreien konnte. Bleibt zu hoffen, dass wir diese letzte Parallele noch zwei Mal sehen werden.