«Zack, bumm, peng», so beschreiben TV-Kommentatoren den Stil von Milos Raonic. Und vergleichen ihn mit seinem Jugendidol Pete Sampras. Das hat der aus Montenegro stammende Kanadier mit seinem heutigen Gegner gemeinsam. Auch Roger Federer bewunderte Sampras und twitterte am 2. Juli: «Ich kann gar nicht glauben, dass es heute schon 15 Jahre her ist. Das ist immer noch mein Lieblingsmatch.»
Am 2. Juli 2001 hatte Federer auf dem Centre-Court zu Wimbledon den grossen Sampras entzaubert und sich als dessen Nachfolger als «König von Wimbledon» ins Spiel gebracht. Sieben Mal hat der Schweizer inzwischen den Titel gewonnen, genau so oft wie der Amerikaner. Noch zwei Siege trennen Federer vom nächsten Titel.
Da steht ihm zunächst einmal Raonic im Weg. «Aufschlag bumm, Vorhand», hatte Federer das Spiel von Marin Cilic beschrieben, seines Kontrahenten im Viertelfinal. Und in diesem Stil geht's weiter: «Zack, bumm, peng.» Raonic baut sein Spiel auf seinem herausragenden Aufschlag auf, spielt dazu einen ausgezeichneten Volley, wenn sein Gegner überhaupt den Service zurückbringt. 114 Asse hat Raonic bisher in Wimbledon geschlagen, erst vier Breaks kassiert. Er hält den schnellsten Service mit 230,1 km/h.
Doch Raonic hämmert seinen Aufschlag
keineswegs nur übers Netz. Im
Viertelfinal gegen Sam Querrey ging er
gar nicht auf Asse. «Ich sah, dass er
sehr weit hinten steht, da hab ich Tempo
rausgenommen, das gab mir mehr
Zeit, ans Netz zu kommen und den
Punkt mit einem sauberen Volley abzuschliessen»,
sagt er: «Das war definitiv
der richtige Schritt nach vorne, die beste
Partie, die ich bisher gespielt habe.»
Und daran ist unter anderem John McEnroe schuld. Raonic holte den dreifachen Wimbledonsieger Ende Mai in sein Team, um sich von ihm speziell für die Rasensaison beraten zu lassen. «Das war genau die Idee, dass er mir zeigt, wann ich ans Netz soll, wie ich Aufschlag-Volley spielen soll», erklärt Raonic: «Ich bin stolz, dass ich das so umgesetzt habe.»
Mit McEnroe habe er noch nicht über
dessen spezielle Erfahrungen in Wimbledon
gesprochen. «Wir konzentrierten
uns in der ersten Trainingswoche
darauf, keine Zeit zu vertrödeln, um
am Spiel nach vorne zu arbeiten», sagt
er. Den Druck auf den Gegner hoch halten,
ihm Rätsel aufgeben, dafür sorgen,
dass er sich unwohl fühlt, ihn so
oft wie möglich aus dem Gleichgewicht
bringen.
Im Turnier von Queens habe er das umgesetzt, auch sein Auftreten auf dem Platz geändert, mehr Präsenz gezeigt. Das bedeute, positiver zu denken. Erst im Final unterlag er dort Andy Murray. «Er ist einer von fünf oder sechs Spielern, die in Wimbledon gewinnen können», sagte McEnroe nach seiner Verpflichtung. Er freue sich, dass er Teil des grossartigen Teams von Raonic sei und «ich bin der Ratgeber für Rasen».
Schon beim ersten gemeinsamen
Training vor dreieinhalb Wochen hielt
es McEnroe nicht als Beobachter und
Ratgeber aus. Bereits nach wenigen
Minuten griff der 57-Jährige selbst zum
Racket und mischte mit.
Neben McEnroe hat Raonic mit dem Spanier Carlos Moya und dem Italiener Riccardo Piatti noch zwei weitere Coaches. Dazu kommen Fitnesstrainer Dalibor Sirola und Physiotherapeut Claudio Zimaglia. Da spielt es keine grosse Rolle, dass McEnroe den einen oder anderen Satz oder gar den ganzen Match verpasst, weil er als Kommentator der BBC im Einsatz ist. «Das wussten wir, das ist kein Problem», sagt Raonic.
25 Jahre alt ist Raonic, die Nummer sieben der Welt und hat acht Turniere gewonnen. Zum dritten Mal steht er im Halbfinal eines Grand-Slam-Turniers. «Das reicht mir nicht mehr, ich bin mit einem einzigen Ziel hierher gekommen, das Turnier zu gewinnen», nimmt er kein Blatt vor den Mund. Sein ganzes Team habe dieses Ziel und deshalb habe ja McEnroe zugesagt. Noch sei er zwei Siege davon entfernt, das sei weit. Das wisse er seit zwei Jahren, als er im Halbfinal an Federer scheiterte. Noch schwebe er nicht auf Wolke sieben, er sei ganz auf den Halbfinal konzentriert.
Er habe klare Ansprüche an sich, weitere Ziele über das Turnier hinaus. Deshalb freue er sich auf Federer, denn dafür müsse er gegen die besten Gegner bei den besten Turnieren spielen.
Ein bisschen habe er den Halbfinal
vor zwei Jahren im Kopf, mehr aber das
Endspiel von Brisbane im Januar. Dort
schlug er Federer in zwei Sätzen. «Daraus
nehme ich das Selbstvertrauen»,
sagt er. Physisch und mental sei er
deutlich weiter als vor zwei Jahren:
«Ich habe mich in allen Aspekten verbessert.»
Er schlage ja schon immer
sehr gut auf. «Aber das reicht halt
nicht», weiss er.
Der Rat von McEnroe helfe schon, wenn es gegen einen Champion wie Federer gehe. «Aber schliesslich stehe ich dann auf dem Platz, muss den Weg zum Sieg finden, versuchen, diesen letzten Punkt zu gewinnen.
Nur gut 35 Minuten stand Federer gestern beim Training auf dem Platz, sehr rund sahen seine Bewegungen nach dem über dreistündigen Match im Viertelfinal aus. Respekt hat er vor Raonic. Der sei um einiges stärker als vor zwei Jahren, retourniere viel besser als früher. «Vor gut einem Jahr habe ich in Indian Wells gegen ihn gewonnen, da hat er mich aber wirklich beeindruckt», sagt Federer. Damals sei er vom Platz gegangen und habe gedacht: «Der kann schon Grand-Slam-Turniere gewinnen.»
Früher habe er ihm auf langsamen Plätzen mehr zugetraut: «Sein Aufschlag ist ja überall gut und dort hat er mehr Zeit für seine anderen Schläge, aber jetzt bringt er die auch auf schnellen Böden:» Er sei schon gespannt, was ihn heute erwarte. Ein bisschen kann ihm da ja Coach Ivan Ljubicic helfen. Der trainierte bis Ende des vergangenen Jahres Raonic.