Sie ist schon beinahe erdrückend, die Dominanz des Novak Djokovic. Auch das vierte Masters-1000-Turnier dieser Saison geht an den «Djoker», der ganz nebenbei schon das Australian Open für sich entschieden hat. Weil er Ende 2014 auch in Paris und bei den World-Tour-Finals triumphierte, hat die Weltnummer 1 nun die letzten sieben grossen Turniere, an denen er teilgenommen hat, gewonnen. 22 Siege hat er mittlerweile aneinander gereiht, seit er im Final von Dubai gegen Roger Federer zum letzten Mal verlor.
Natürlich ist Djokovic auch für das bevorstehende French Open nun der grosse Favorit. Und mit Roland Garros hat er noch eine Rechnung offen: Es ist das einzige Grand-Slam-Turnier, das der bald 28-jährige Serbe noch nie gewonnen hat. Zehnmal hat er es versucht, viermal scheiterte er ihm Halbfinal, zweimal im Final.
In diesem Jahr scheinen die Vorzeichen für den ersten Sieg und den Karriere-Grand-Slam so günstig wie nie. Djokovic befindet sich in der Form seines Lebens. Gepaart mit seinem kompletten Schlagrepertoire und der mentalen Stärke macht ihn das derzeit fast unbesiegbar. Bei 35:2 liegt seine Saisonbilanz, über 5000 Punkte beträgt sein Vorsprung in der Weltrangliste.
Wer soll ihn in Paris also stoppen können? Die Antwort: Eigentlich niemand. In den letzten eineinhalb Jahren konnte ihm nur Federer, der im Rom-Final chancenlos war, die Stirn bieten. Neunmal sind sich die beiden Führenden in der Weltrangliste in den letzten 17 Monaten gegenübergestanden, fünfmal siegte Djokovic, viermal Federer. Gegen alle anderen Spieler hat er in derselben Zeitspanne höchstens einmal verloren.
Djokovic kann sich eigentlich nur selber schlagen. Der Druck, der auf ihm lastet, wird enorm sein. Und genau diesem hatte er bei seinen letzten beiden Anläufen 2011 und 2014, als er jeweils im Final Rafael Nadal unterlag, nicht standhalten können. Aber eben: Diesmal stehen die Vorzeichen anders. Nadal wirkt auf Sand nicht mehr unantastbar – das hat der Serbe bei seinem Halbfinal-Sieg in Monte Carlo selbst sehen können – und Djokovic strotzt derzeit nur so vor Selbstvertrauen.
Traumwandlerisch schwebt er von Sieg zu Sieg und erinnert dabei stark an Roger Federer zu seinen besten Zeiten. Wie der «Maestro» zwischen 2004 und 2008 ist er der Konkurrenz um einen grossen Schritt entrückt. Wo er antritt, ist für den Rest kein Kraut gewachsen. Sie können sich höchstens noch um die Krumen von Djokvics Siegerkuchen streiten. In den letzten viereinhalb Jahren hat der Serbe 89,5 Prozent seiner Matches gewonnen. Damit liegt er nur knapp hinter Federer, der zwischen 2004 und 2008 90,7 Prozent seiner Matches siegreich gestaltete.
Doch anders als Federer damals ist Djokovic momentan nicht nur auf Hartplatz und Rasen der Beste, sondern auch auf Sand. Auf der langsamsten aller Unterlagen ist er in diesem Jahr dank den Triumphen in Monte Carlo und Rom gar noch ungeschlagen. Deshalb scheint für Djokovic derzeit alles möglich. Nicht nur der langersehnte Titel in Roland Garros und der Karriere-Slam, auch der Grand-Slam, der Gewinn aller vier Major-Turniere im selben Jahr, liegt in Reichweite.
Würde Djokovic dieses Kunststück gelingen, würde ihn das auf einen Schlag in eine andere Sphäre heben, auch wenn er dann «erst» 11 Majors gewonnen hätte. Denn am Grand-Slam scheiterten seit Rod Laver 1969 bislang alle: Björn Borg, John McEnroe, André Agassi, Pete Sampras, Rafael Nadal und auch Roger Federer.
Doch Djokovic will vom ultimativen Ziel erstmal nichts wissen: «Im Moment denke ich da überhaupt nicht dran. Das ist weit weg. Jetzt sind alle Energien auf Paris konzentriert», so der serbische Überflieger nach seinem Triumph in Rom. Eine klare Kampfansage an die Konkurrenz und vielleicht auch an eine kleine Mahnung an sich selbst, sich jetzt nicht von Belanglosem ablenken zu lassen.