In Toronto hat Roger Federer bis auf den Final jede Partie am Abend gespielt, beim Turniersieg in Cincinnati bis auf einen Match ebenfalls. Und als er am US Open wenigstens einmal am Nachmittag hätte spielen sollen, machte ein Gewitter auch aus dem Drittrunden-Spiel gegen Marcel Granollers grösstenteils eine Nachtschicht unter Flutlicht. Heute Samstag steht nun der Halbfinal gegen Marin Cilic bei Tageslicht auf dem Programm.
«Die Umstellung wird kein Problem sein», glaubt der 33-jährige Basler. «Im Gegensatz zu Toronto, als ich jeden Tag spielte, konnte ich hier jeden zweiten Tag trainieren.» Und auch da sei es sehr gut gelaufen. Die Bälle würden in der grösseren Wärme etwas mehr fliegen. «Das macht es einfacher, den Aufschlag durchzubringen und schwieriger zu retournieren», stellt Federer fest.
Vom äusserst souveränen Dreisatzsieg der Weltnummer 16 im Viertelfinal gegen den favorisierten Tomas Berdych (ATP 7) zeigt sich der Schweizer durchaus beeindruckt. «Marin spielt sehr gut und ist ein schwieriger Gegner», sagt er lobend.
«Aber ich habe trotzdem das Gefühl, dass es eher an mir liegt, ob ich gewinne.» Der fünffache US-Open-Champion möchte erstmals seit 2009 wieder in den Final, während der Kroate erst seinen zweiten Grand-Slam-Halbfinal nach dem Australian Open 2010 spielt – und das ist erstaunlich genug.
Vor einem Jahr fehlte Cilic nämlich am US Open wegen einer Dopingsperre. Er war am ATP-Turnier in München positiv auf Nikethamid getestet und später für neun Monate gesperrt worden. Das CAS reduzierte diese schliesslich auf vier Monate, da das Verschulden des Athleten als «gering» beurteilt wurde.
Cilic machte geltend, den verbotenen Wirkstoff durch in einer Apotheke gekaufte Glukose-Tabletten zu sich genommen zu haben und unschuldig zu sein. Heute sagt er: «Als Einzelner gegen die grossen Organisationen kannst du nicht viel ausrichten.»
Anfang Jahr kehrte er auf die ATP Tour zurück, und der Erfolge stellte sich mit zwei Turniersiegen (Zagreb, Delray Beach) sowie dem Viertelfinal in Wimbledon sogleich wieder ein. Cilic macht dafür in erster Linie Coach Goran Ivanisevic verantwortlich.
«Die Trainings mit ihm sind nie langweilig – selbst während meiner Sperre hatte ich deshalb viele gute Tage.» Die Chancen stehen gut, dass der 25-Jährige unter der Ägide des Wimbledonsiegers von 2001 mittelfristig wie vor vier Jahren in die Top Ten zurückkehren wird.
Mit Roger Federer hat er ebenfalls noch eine Rechnung offen. Cilic verlor sämtliche fünf bisherige Duelle mit dem Schweizer. Vor vier Wochen in Toronto lieferte er ihm aber schon mal einen grossen Kampf.
Federer vergab im zweiten Satz sechs Matchbälle, ehe er sich im Achtelfinal kurz vor Mitternacht doch noch 7:6, 6:7, 6:4 durchsetzte. Auch deshalb weiss er, dass ihn heute keine einfache Aufgabe erwartet. (si/syl)