Sport
Thema Food

Hungern oder tricksen? Diese vier Möglichkeiten haben muslimische Sportler während der Fastenzeit im Ramadan 

FCZ-Star Yassine Chikhaoui macht beim Ramadan keine halben Sachen. 
FCZ-Star Yassine Chikhaoui macht beim Ramadan keine halben Sachen. Bild: Claudia Minder/freshfocus
Thema Food

Hungern oder tricksen? Diese vier Möglichkeiten haben muslimische Sportler während der Fastenzeit im Ramadan 

Einen Monat lang müssen gläubige Muslime im Ramadan tagsüber auf Essen und Trinken verzichten. Was schon für Bürogummis herausfordernd ist, wird für Spitzensportler zum Problem. Doch es gibt Wege, die religiöse Fastenpflicht zu umgehen.
15.07.2015, 10:2315.07.2015, 10:51
Mehr «Sport»

«Ihr Gläubigen! Euch ist vorgeschrieben, zu fasten, so wie es auch denjenigen, die vor euch lebten, vorgeschrieben worden ist. Vielleicht werdet ihr gottesfürchtig sein.» Die Ramadan-Bestimmungen in Sure 2 Vers 183 bis 187 gehören für praktizierende Muslime zu den fünf wichtigsten religiösen Pflichten. Auch derzeit fasten sie seit dem 18. Juni und noch bis am 16. Juli. Erst dann wird der Beginn des neuen Monats Schawwa mit «Īd al-Fitr» gefeiert, dem Fest des Fastenbrechens.

«Esst und trinkt, bis ihr in der Morgendämmerung einen weissen von einem schwarzen Faden unterscheiden könnt. Hierauf haltet das Fasten durch bis zur Nacht.» Nach dieser Regel verzichten die Gläubigen während der 29 oder 30 Tage des Ramadans nach Sonnenaufgang bis zum Einbruch der Dunkelheit auf Speis und Trank. Das sind knapp 18 Stunden.

Erst nach Sonnenuntergang dürfen sich Muslime im Ramadan wieder verköstigen.
Erst nach Sonnenuntergang dürfen sich Muslime im Ramadan wieder verköstigen.Bild: AP

Bis zu 80 Prozent Leistungsverlust bei Sportlern

Bereits für Muslime mit einem Bürojob ist dies eine körperliche Herausforderung. Manche berichten von Konzentrationsproblemen und Müdigkeit während der Fastenzeit. Noch heftiger machen die Entbehrungen des Ramadans aber gläubigen Spitzensportlern zu schaffen. Markus de Marees, Leiter der Leistungsphysiologie und Höhenmedizin an der Deutschen Sporthochschule in Köln, warnte vor der Fussball-WM 2014 in der «Welt»: «Während 90 Minuten kann ein Spieler bis zu sechs Liter Flüssigkeit verlieren und im Falle des Nicht-Trinkens bis zu 80 Prozent Leistung einbüssen.» Die Sportler-Körper sind Hochleistungsmaschinen – und ohne Nahrungszufuhr fehlt schlicht die benötigte Energie. Vor allem am Ende eines langen Fastentages sind Spitzenleistungen so nur noch schwierig zu vollbringen.

Immer wenn der Ramadan mit sportlichen Grossanlässen kollidiert, wird er deshalb zum Politikum. So auch bei Olympia 2012. Weil sich der islamische Mondkalender nicht mit dem gregorianischen deckt, waren die Spiele von London die ersten seit 1980, welche während des Ramadans stattfanden. Über 3000 muslimische Olympioniken mussten die Erfüllung ihrer Glaubenspflichten mit dem Wunsch nach sportlicher Leistungsfähigkeit vereinen.

Grundsätzlich bleiben den muslimischen Sportlern im Ramadan vier Optionen. Jeder muss für sich entscheiden, welche für ihn die richtige ist.

1. Beastmode

Wer aus ganz hartem Holz geschnitzt ist, wie FCZ-Zauberer Yassine Chikhaoui, zieht sein Ramadan-Programm trotz harter sportlicher Belastung eiskalt durch. Sein Imam hat ihm vor Jahren mitgeteilt, dass ihn der Job als Profifussballer nicht von der Fastenpflicht entbindet. Seither trainiert und spielt der 28-jährige Tunesier eben mit leerem Bauch – und wie. 

Auch im Ramadan ist FCZ-Star Yassine Chikhaoui nicht zu stoppen.
Auch im Ramadan ist FCZ-Star Yassine Chikhaoui nicht zu stoppen.Bild: Christian Pfander/freshfocus

Unvergessen bleibt sein Auftritt von 2007 anlässlich der Eröffnung des neuen Letzigrunds. Beim 4:0 gegen GC trumpft Chikhaoui trotz Ramadan-Handicap ganz gross auf. Er verzaubert die 25'200 Zuschauer mit einem traumhaften Solo, schiesst das erste Tor im neuen Stadion und lässt zum Dessert noch zwei Assists folgen. FCZ-Präsident Canepa ist euphorisiert: «Unter zehn Millionen Franken ist ­Chikhaoui nicht zu haben.»

Aber wie schafft Chikhaoui das? «Das ist eine Frage der Erfahrung und der Wiederholung. Ich faste seit Jahren, ich bin den Ramadan gewohnt. Er ist völlig normal für mich, er ist Teil unserer Kultur, unseres Lebens.»

2. Sorry Allah, ich bin raus

Anders sieht das Kariem Hussein, der Europameister über 400m Hürden: «Früher habe ich den Ramadan eingehalten, heute nicht mehr. Das Fasten lässt sich nicht mit dem Spitzensport vereinen. Ohne genügend Essen und Trinken lassen sich einfach keine körperlichen Höchstleistungen erbringen.»

Europameister Kariem Hussein gibt dem Sport gegenüber dem Ramadan den Vortritt.
Europameister Kariem Hussein gibt dem Sport gegenüber dem Ramadan den Vortritt.Bild: ARND WIEGMANN/REUTERS

Auf eine wissenschaftliche Diskussion sollte man sich mit Hussein zu diesem Thema besser nicht einlassen. Schliesslich weiss der 26-jährige Schweizer mit ägyptischen Wurzeln, wovon er spricht. Er studiert Medizin und wird nach den Olympischen Spielen 2016 seinen Abschluss machen.

Eine Kompromisslösung hat Bayern-Star Franck Ribéry für sich gefunden. Der Bayern-Star ist nach seiner Heirat mit einer Algerierin zum Islam konvertiert und fastet an jenen Tagen, an welchen kein Spiel ansteht.

Sport
AbonnierenAbonnieren

Auch die Muslime der Schweizer Fussball-Nati haben sich an der WM 2014 in Brasilien an Husseins Devise gehalten und kollektiv auf das Fasten verzichtet. Valon Behrami erklärt: «Das wäre kein guter Zeitpunkt gewesen. Essen und Trinken sind gerade in diesem Klima wichtig.»

3. Vielleicht lieber morgen

Für Sportler, die sich an einem Turnier im Ausland befinden, lässt der Koran ohnehin eine Hintertür offen. Denn in Sure 2 Vers 184 steht, dass Reisende auf das Fasten verzichten und die verpassten Tage bis zum nächsten Ramadan nachholen können. Nicht alle muslimischen Autoritätspersonen sind mit dieser Deutung einverstanden, doch zumindest im Land des Fussball-Weltmeisters ist sie akzeptiert: Der Zentralrat der Muslime in Deutschland hat mit dem DFB 2010 eine entsprechende Abmachung getroffen.

Dank Ausnahmeregelung müssen sich muslimische Profis wie Sami Khedira an grossen Turnieren keinen Gedanken um den Ramadan machen.
Dank Ausnahmeregelung müssen sich muslimische Profis wie Sami Khedira an grossen Turnieren keinen Gedanken um den Ramadan machen.Bild: Matthew Ashton/freshfocus

4. Money, money, money

Für muslimische Sportler mit richtig dickem Portemonnaie gibt es einen noch praktischeren Ausweg: Die Ersatzregelung «fidya» erlaubt es ihnen, verpasste Fastentage zu kompensieren, indem sie ein Mahl für bedürftige Muslime finanzieren. So hat der englische Olympia-Ruderer Mohamed Sbihi 2012 für jeden verpassten Fastentag 60 Bedürftige zum Fest des Fastenbrechens eingeladen. (dux)

Mohamed Sbihi (vorne, Zweiter von links) kauft sich vom Fasten frei und hat dafür bei Olympia 2012 Achter-Bronze gewonnen.
Mohamed Sbihi (vorne, Zweiter von links) kauft sich vom Fasten frei und hat dafür bei Olympia 2012 Achter-Bronze gewonnen.Bild: Getty Images Europe

Wenn du in der Badi angeben willst, dann schau bei den Profis gut hin!

1 / 15
Wenn du in der Badi angeben willst, dann schau bei den Profis gut hin!
An den Europa-Spielen in Baku schossen die Fotografen beim Turmspringen spektakuläre Bilder.
quelle: getty images europe / harry engels
Auf Facebook teilenAuf X teilen
No Components found for watson.appWerbebox.
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
1 Kommentar
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
1
Diese (wortwörtlich) atemberaubende Trend-Sportart will Olympia 2028 aufmischen
Die Trendsportart «Underwater Torpedo» begeistert auf Social Media ein Millionenpublikum und erfreut sich in ihrem Herkunftsland, den USA, wachsender Beliebtheit. Die Schöpfer der Sportart, die einst als Training für US-Marinesoldaten entstanden war, haben jetzt ein ambitioniertes Ziel.

Beim sogenannten «Underwater Torpedo» braucht es nicht nur stählerne Muckis, sondern vor allem eine Lunge aus Stahl. Die Trendsportart, die erst 2017 in den USA ins Leben gerufen wurde, wird immer populärer – bei Sportlerinnen und Sportlern wie auch beim Publikum auf Social Media. Und das erstaunt nicht, wenn man die (wortwörtlich) atemberaubenden Bilder sieht:

Zur Story