Sport
Velo

Neuer Preis für den besten Abfahrer des Giro d'Italia sorgt für Kopfschütteln

epa05321604 Colombian rider Esteban Chaves (C-R) of the Orica GreenEdge team is on his way to win the 14th stage of the Giro d'Italia cycling race over 210km from Alpago to Corvara, Italy, 21 May ...
Das Giro-Feld auf einer Abfahrt in den Dolomiten.Bild: EPA ANSA

Neuer Preis für besten Abfahrer des Giro d'Italia sorgt für Kopfschütteln

Der beste Bergfahrer wird schon lange ausgezeichnet. Nun erhält beim 100. Giro d'Italia auch der schnellste Abfahrer eine Prämie. Das ist eine kontroverse Idee.
02.05.2017, 18:2903.05.2017, 07:46
Ralf Meile
Folge mir
Mehr «Sport»

Die Maglia Rosa des Giro d'Italia gehört zu den bekanntesten Radtrikots der Welt. Rosa zeichnet den Gesamtführenden der Italien-Rundfahrt aus. Daneben gibt es mehrere andere Spezialtrikots: Violett ist jenes für den besten Sprinter, blau dasjenige des besten Bergfahrers.

Der beste Abfahrer des Giro d'Italia wurde dagegen noch nie ausgezeichnet. Bis jetzt. Denn für die 100. Austragung der Rundfahrt, die am Freitag auf Sardinien beginnt, haben sich die Organisatoren entschieden, das zu ändern. Zwar gibt es kein Trikot, das den besten Abfahrer auszeichnet. Aber es gibt Prämien für denjenigen, der eine von zehn bestimmten Abfahrten am schnellsten bewältigt. Und nach drei Wochen, wenn der Giro in Mailand zu Ende geht, erhält der Fahrer, der auf diesen Abfahrten am meisten Punkte gesammelt hat, 5000 Euro (Details zu den Prämien hier im Giro-Reglement).

Stilist: Fabian Cancellara galt als einer der technisch besten Abfahrer der Welt.Video: YouTube/idlejacks

Immer wieder tödliche Stürze

Die Neuerung kommt nicht gut an. Der Holländer Wout Poels vom Team Sky fragt die Giro-Organisatoren, ob es sich um einen Scherz handle: «Was ist mit der Sicherheit?» Seine und die Bedenken vieler anderer Profis und Beobachter sind nachvollziehbar. Denn Velorennen sind gefährlich. Es braucht noch nicht mal eine halsbrecherische Abfahrt, schon Stürze auf ganz normalen Flachetappen können fatale Folgen haben. 2011 verunfallte Mauricio Soler an der Tour de Suisse in Sirnach TG so schwer, dass der Kolumbianer ins künstliche Koma versetzt werden musste. Er konnte seine Karriere nicht mehr fortsetzen.

Das Unglück ereignete sich nur wenige Wochen nach dem tödlichen Sturz von Wouter Weylandt. Der Belgier war beim Giro d'Italia in einer Abfahrt zu Fall gekommen. Weylandt hinterliess eine schwangere Freundin. Tochter Alizée lernte ihren Vater nie kennen. Erst vor einigen Tagen, am Freitag, erlag der junge US-Profi Chad Young den Verletzungen, die er beim Sturz in einer Abfahrt an der Tour of the Gila in New Mexico erlitten hatte.

Und plötzlich queren Kühe die Strasse

Dass Sturzfolgen auf einer Abfahrt gravierend sein können, liegt am höheren Tempo. Den Fahrer schützt bei 100 km/h nur ein Helm. Mehr nicht. 23 Millimeter schmal sind die Pneus, auf denen die Sportler zu Tale rasen. Manchmal fahren sie auf Passstrassen ohne Leitplanken und durchaus mit der Möglichkeit, hinter einer Kurve auf Kühe auf der Fahrbahn zu treffen. Regen kann hinzu kommen oder ein technisches Problem am Velo. Und das sind erst äussere Einflüsse, die nichts mit der möglichen Erschöpfung eines Fahrers zu tun haben und von der Gefahr, die davon ausgeht.

Vorsicht, Kuh! Die Tiere überqueren die Strasse, während die Tour de France den Col du Tourmalet hinunter rast.Video: YouTube/anna marie felser

Jeder Fahrer weiss um die Gefahren, die auf einer Abfahrt lauern. Jeder hat für sich entschieden, damit zu leben.

Es ist ohnehin das Ziel jedes Fahrers, eine Abfahrt so schnell wie möglich zu bewältigen. Sie gehört schliesslich wie flache Abschnitte und Anstiege zum Kurs. Wer die Fähigkeiten besitzt, schnell einen Berg hinunter zu kommen, der wird dafür belohnt. Wer umgekehrt weiss, dass er auf diesem Terrain nicht zu den Besten gehört, der versucht, dieses Manko anderweitig zu kompensieren: Vorher eine Lücke schaffen oder sie nachher in der Ebene wieder schliessen.

Wird bald der spektakulärste Sturz ausgezeichnet?

Aber müssen die schnellen Abfahrer wirklich mit Geldprämien dazu verleitet werden, noch mehr zu riskieren als ohnehin? Dass sie im Zweifelsfall noch einen Meter später bremsen? Es werde mit Sicherheit Fahrer geben, die dazu bereit sind, meint der holländische Trek-Profi Koen de Kort. Für ihn ist klar: «Diese Wertung ist dumm und gefährlich, denn man muss auf den Abfahrten überholen und dazu vielleicht den Konkurrenten den Weg abschneiden.» Dadurch würden die Risikobereiten nicht nur sich selber, sondern auch andere gefährden.

Glück im Unglück: Giro-Leader Steven Kruijswijk kracht 2014 bei der Abfahrt vom Colle dell'Agnello in eine Schneemauer.Video: YouTube/Gianluca Santo

Ein anderer Routinier, der Deutsche Marcus Burghardt, erinnert an Weylandts Todessturz: «Soll das wieder passieren? Nein!» Und der Amerikaner Joe Dombrowski schlägt zynisch eine Auszeichnung für den spektakulärsten Crash vor.

Was hältst du von dieser neuen Sonderwertung?

Ändert sich gar nicht viel?

Fans lechzen nach Helden. Wagemutige Abfahrer eignen sich bestens dazu, sie waren immer schon populär. Und da Popularität neben Siegen die zweite harte Währung eines Sportlers ist, kann eins und eins zusammengezählt werden: Es wird Fahrer geben, die diesen Weg als einen zum Ruhm hin sehen.

Allerdings wird sich wohl erst mit der Zeit herauskristallisieren, wer das Zeug zum «Cuche auf Rädern» hat. Denn während Bergpreispunkte jeweils an die ersten oben vergeben werden, gibt es die Abfahrtspunkte für die Zeitschnellsten dieses Abschnitts. Das können auch längst abgehängte Fahrer sein, solche die gar nie im TV gezeigt werden, bis sie an der Siegerehrung vom Podest winken dürfen. Es gibt deshalb auch Stimmen, die sagen, dass sich am Rennen nicht viel ändere durch die neue Wertung. Schliesslich wird auch ohne Prämie schon sehr oft Kopf und Kragen riskiert, sei es, weil es um einen Etappensieg geht oder darum, den Anschluss an die Konkurrenz nicht zu verlieren.

Schweizer in den World-Tour-Teams der Saison 2017

Unvergessene Radsport-Geschichten

Alle Storys anzeigen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
13 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Ketchum
02.05.2017 18:53registriert August 2015
Am Rennen an der Spitze ändert sich kaum viel, aber hinten wird's gefährlich. Die besten Abfahrer sind ja oft eher schwer und/oder Sprinter. Diese werden am Berg oft abgehängt. Bisher ging es für diese Fahrer an Rundfahrten nur darum, das Ziel vor dem "Besenvelo" zu erreichen. So dürfte es aber einige geben, die bergabwärts ohne Rücksicht auf ihre Erschöpfung Tempo bolzen.
252
Melden
Zum Kommentar
avatar
Badum-tss
02.05.2017 19:17registriert April 2017
muss das wirklich sein?! immer mehr risiko und dann noch mit geld belohnen. es ist auf die innere stärke der fahrer zu hoffen...
246
Melden
Zum Kommentar
13
«In einem 7. Spiel entscheiden die Unterhosen»
Torhüter Philip Wüthrich besteht den ultimativen Belastungstest: Der SCB gewinnt gegen Zug 3:0 und nun folgt am Samstag Spiel 7. Bei Zug war nur Leonardo Genoni magisch.

Der SC Bern verliert am letzten Montag in Zug 2:6. Das Torhüter-Wechselspiel von Jussi Tapola ist das grosse Thema. Philip Wüthrich ist an den beiden Gegentreffern absolut unschuldig. Trotzdem holt ihn der SCB-Trainer nach dem 0:2 in der 18. Minute vom Eis und ersetzt ihn durch Adam Reideborn.

Zur Story